Spruch:
Die Verlängerung der kaufmännischen Rügefrist für verborgene Mängel endet mit der auch für den Handelskauf geltenden Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB
OGH 14. Oktober 1982, 7 Ob 604/82 (KG Wels R 667/81; BG Schwanenstadt C 434/80 )
Text
Die klagende Partei verkaufte und lieferte der erstbeklagten Partei, deren Komplementäre die Zweit- und Drittbeklagten sind, am 8. 5. 1979 einen Hubstapler (Gabelstapler). Sie begehrt mit der vorliegenden Klage den der Höhe nach im Rechtsmittelverfahren außer Streit gestellte Werklohn für eine Ende Mai 1980 im Auftrag der beklagten Parteien durchgeführte Reparatur des verkauften Fahrzeuges. Die Beklagten wendeten ein, daß die Mängel schon nach 615 Betriebsstunden aufgetreten und entsprechend der erhobenen Mängelrüge von der klagenden Partei zu vertreten seien.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen bemerkte der Sohn der Zweit- und Drittbeklagten Ende Mai 1980, daß das Hubgerüst des Staplers steckenblieb. Ein Monteur der klagenden Partei stellte fest, daß bei drei Laufrollen der Innenring gerissen war, und behob den Schaden. Erst im Laufe des vorliegenden Prozesses konnte festgestellt werden, daß ein Herstellungsfehler der Lagerbolzen vorlag. Nach ihren Geschäftsbedingungen und dem Vermerk auf ihrer Rechnung hatte die klagende Partei "während der Dauer von sechs Monaten, jedoch höchstens für 1000 Betriebsstunden ab Abnahme", für Mängel Gewähr zu leisten.
Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sei die Mängelrüge im Prozeß rechtzeitig iS des § 377 Abs. 3 HGB erhoben worden, weil der zunächst verborgene Mangel erst durch das Sachverständigengutachten aufgedeckt worden sei. Die gesetzliche oder vertragliche Gewährleistungsfrist sei noch nicht abgelaufen. Die Beklagten hätten ihren Verbesserungsanspruch zulässigerweise durch Einrede geltend gemacht, zumal sich die klagende Partei in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet habe, mangelhafte Teile unentgeltlich zu reparieren.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil in dem Zuspruch des außer Streit gestellten Betrages ab. Es vertrat ohne Prüfung der Tatsachenfeststellungen des Erstrichters die Ansicht, daß selbst eine rechtzeitige Mängelrüge das Recht zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen nur gegenüber der Kaufpreisklage perpetuiere, eine Kompensation gegenüber Ansprüchen aus einem anderen Rechtsgeschäft aber schon mangels Gleichartigkeit der Forderung ausgeschlossen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit Recht rügen die Revisionswerber allerdings die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß ein allfälliger Gewährleistungsanspruch mit der eingeklagten Reparaturkostenforderung nicht "kompensiert" werden könne. Selbst wenn die Klagsforderung nicht demselben Rechtsgeschäft (Reparaturauftrag) entspringt wie der von der Beklagten behauptete Gewährleistungsanspruch (aus dem Kaufvertrag), handelt es sich gar nicht um eine Frage der Kompensation, sondern nach der zutreffenden Ansicht der Revisionswerber darum, ob die Reparatur nicht im Rahmen der Gewährleistungspflichten des klagenden Warenverkäufers unentgeltlich hätte durchgeführt werden müssen. Hätten die beklagten Parteien nämlich den behaupteten Verbesserungsanspruch gehabt, so wäre die klagende Partei im Rahmen ordnungsgemäßer Erfüllung des Kaufvertrages zur unentgeltlichen Durchführung der Reparatur verpflichtet gewesen und es könnte schon deshalb der Klagsanspruch nicht zu Recht bestehen.
Dem Erstrichter ist dahin zu folgen, daß die kaufmännische Mängelrüge nach § 377 Abs. 3 HGB ausnahmsweise später als unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer (§ 377 Abs. 1 HGB) erfolgen kann, wenn sich erst dann ein Mangel zeigt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Damit ist jedoch für die Revisionswerber im Ergebnis nichts zu gewinnen. Entgegen der weiteren Ansicht des Erstrichters folgt nämlich aus den handelsrechtlichen Bestimmungen über die kaufmännische Rügepflicht und dem Schweigen dieses Gesetzes über die Gewährleistungsfrist keineswegs, daß verborgene Mängel, die der sofortigen Rügepflicht nicht unterliegen, über die in § 933 ABGB bestimmten Gewährleistungsfristen hinaus geltend gemacht werden könnten. § 377 Abs. 2 HGB bestimmt als Rechtsfolge der Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige, daß die Ware als genehmigt gilt, sofern es sich nicht um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Nur diese Genehmigungsfiktion wird durch die rechtzeitige Mängelrüge verhindert; es bedarf ihrer solange nicht, bis ein verborgener Mangel erkennbar wird. Die Gewährleistungsansprüche selbst müssen aber auch beim Handelskauf innerhalb der gesetzlichen oder einer vereinbarten Gewährleistungsfrist bei sonstigem Ausschluß geltend gemacht werden, bei beweglichen Sachen also gemäß § 933 Abs. 1 ABGB innerhalb von sechs Monaten ab der Ablieferung der Ware; selbst eine einredeweise Geltendmachung setzt die rechtzeitige Anzeige innerhalb derselben Frist (§ 933 Abs. 2 ABGB) voraus (Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] III 189 f.; vgl. auch Holzhammer - Rinner, Österreichisches Handelsrecht 94, 97; Brüggemann in Großkomm. HGB[3] IV 515 ff.). Dabei ist es nach den somit auch hier anzuwendenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes für den Fristablauf gleichgültig, ob der Mangel während des Laufes der Frist hervorkam; nur bei der Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft des Kaufgegenstandes, deren Vorhandensein oder Fehlen erst nach längerer Zeit festgestellt werden könnte, schiebt sich der Beginn der Gewährleistungsfrist auf den Zeitpunkt hinaus, der das Erkennen des Mangels mit Sicherheit gestattet (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 552, 556 f.; HS 7341/51; vgl. auch Brüggemann aaO Anm. 144).
Unter Umständen könnte allerdings eine vertragliche Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist in Betracht kommen, wenn der Mangel nach der Sachlage während des Laufes der Frist gar nicht hervorkommen konnte (Gschnitzer aaO 552; SZ 9/210). Abgesehen davon aber, daß der im vorliegenden Fall festgestellte Mangel früher oder später auch noch innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist hervorkommen hätte können, müßte eine solche Vereinbarung doch wenigstens schlüssig durch die Einräumung einer Garantiefrist zum Ausdruck gekommen sein (Gschnitzer aaO 556 f.; SZ 9/210). Eine derartige besondere Gewährleistungsabrede (unechten Garantievertrag;
s. SZ 50/93) erblicken die Revisionswerber aber zu Unrecht in der hier unbestrittenen Vertragsklausel, wonach die klagende Partei "während der Dauer von sechs Monaten, jedoch höchstens für 1000 Betriebsstunden ab Abnahme" Gewähr leistete. Entgegen der Meinung der Revisionswerber war damit die Gewährleistungsfrist wieder auf die Dauer von sechs Monaten beschränkt; die Ansicht, daß jedenfalls für 1000 Betriebsstunden Gewähr geleistet worden sei, widerspricht eindeutig der Vertragsklausel. Auch eine Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft fehlt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)