OGH 7Ob587/86 (7Ob588/86)

OGH7Ob587/86 (7Ob588/86)26.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Mag.pharm. Paul V***, geboren am 8.5.1941, Angestellter, Wörgl, Stelzhammerstraße 1, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagenden Partei Hildegard V***, geb.S***, geboren am 15.4.1944, Haimhausen, Paul Erbe-Straße 13, BRD, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig und Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18.Februar 1986, GZ 1 R 360,361/85-37, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.September 1985, GZ 16 Cg 374/83-31, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 3.877,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 480,-- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 30.8.1974 vor dem Standesamt Haimhausen in Bayern die Ehe geschlossen. Der Kläger und Widerbeklagte (im folgenden nur Kläger) ist österreichischer Staatsbürger, die Beklagte und Widerklagende (im folgenden nur Beklagte) ist deutsche Staatsangehörige. Der Ehe entstammen zwei Kinder: der mj.Michael, geboren am 9.12.1975 und der mj.Thomas, geboren am 23.4.1977. Auf Antrag der Beklagten wurde die Ehe mit Urteil des Amtsgerichtes Dachau vom 24.11.1983, F 242/81, gemäß § 1565 Abs.1 dBGB rechtskräftig ggeschieden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Entscheidung nach § 24 Abs.1 der 4.DVzEheG sind nach dem Bescheid des Bundesministeriums für Justiz vom 20.8.1984, Zl.414.716/10-I 9/84, gegeben. Noch vor der Entscheidung des Amtsgerichtes Dachau hatten beide Ehegatten in Österreich die Scheidung der Ehe jeweils aus dem Verschulden des anderen begehrt. Der Kläger warf der Belagten vor, immer häufiger mit den Kindern zu ihren Eltern nach Haimhausen gezogen zu sein und schließlich gegen seinen Willen die eheliche Wohnung endgültig verlassen zu haben. Seit dem Sommer 1978 verweigere sie ihm den ehelichen Verkehr. Die Beklagte lastete dem Kläger an, das eheliche Zusammenleben unerträglich gestaltet, sie mißhandelt und ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten zu haben. Nach dem Ausspruch der Scheidung der Ehe durch das Amtsgericht Dachau schränkten beide Parteien ihr Begehren auf den Ausspruch des Verschuldens jeweils des anderen Ehegatten an der Scheidung der Ehe ein.

Das Erstgericht sprach aus, daß beide Teile ein Verschulden treffe, wobei das Verschulden des Klägers überwiege. Nach seinen Feststellungen war die Beklagte Lehrerin in einer landwirtschaftlichen Schule in der BRD, der Kläger war als Pharmazeut in einer Apotheke in Wörgl beschäftigt. Es war vereinbart, daß sich die Beklagte um eine Arbeitsstelle in Rosenheim bemüht, um dem Wohnort des Klägers näher zu sein. Dies gelang der Beklagten auch im Jahre 1975. Trotzdem beschränkte sich das Eheleben auf die Wochenenden. Die Streitteile planten eine Verlegung der Tätigkeit des Klägers nach Deutschland. Nach der Geburt des ersten Kindes kam es zu den ersten Auseinandersetzungen. Der Kläger beschwerte sich, daß er die Übersiedlung des Heiratsgutes allein machen müsse. Als die Beklagte nach der Geburt mit dem Kind in die Ehewohnung nach Wörgl kam, unternahm der Kläger an eben diesem Tag eine Bergtour. In der Folge schimpfte und tobte der Kläger wegen Geringfügigkeiten; er ist Choleriker. Als ihm die Beklagte zum Geburtstag am 8.Mai 1976 und aus Anlaß des Verlobungstages einen Fisch zubereitete, den der Kläger grundsätzlich gerne aß, verschmähte er das Essen. Als die Streitteile einen Spaziergang unternahmen, ging der Kläger stets ca. 10 Schritte vor der Beklagten und lud sie schließlich nur zu einem Eis ein. Als ihm die Beklagte zu Weihnachten eine Strickjacke schenken wollte, zog der Kläger dies ins Lächerliche und äußerte sich dahin, ob diese Jacke etwa aus zweiter Hand wäre. Zum Geburtstag der Beklagten gratulierte er ihr erst am Abend und erzählte dabei immer wieder von seiner Arbeitskollegin Margit G***. Der Kläger unterhielt jedoch weder zu Margit G*** noch zu Waltraud S***, der Mieterin seiner Garconniere, ehewidrige Beziehungen.

Der Kläger stellte sich auf die Beklagte und ihre Wünsche nicht ein. Als ihm die Beklagte von der zweiten Schwangerschaft erzählte, reagierte er mit der unbegründeten Behauptung, daß das Kind nicht von ihm sei. Während eines Besuches bei den Eltern des Klägers ersuchte ihn die Beklagte, sie nach Hause zu bringen, weil sie sich nicht wohl fühle. Der Kläger reagierte mit wüsten Beschimpfungen. Vor der Entbindung des zweiten Kindes warf der Kläger ein Bild der Beklagten aus Zorn an die Wand und erklärte, daß es die Beklagte nicht wert sei, daß er jetzt Valium nehme. Es war ihm nicht recht, daß die Beklagte das zweite Kind in München entbinden wollte. Der Kläger, der sich häufig über Kleinigkeiten erregte, was zu Streitigkeiten führte, bewirkte, daß sich die Beklagte seit 26.10.1978 ihm sexuell verweigerte. An diesem Tag fühlte sich die Beklagte krank und wollte dem Wunsch des Klägers nach einem geschlechtlichen Verkehr nicht nachkommen. Der Kläger war darüber erzürnt und schlug schließlich die Beklagte. In der Folge kam es nur einmal, und zwar im August 1979, zu einem Geschlechtsverkehr, obwohl der Kläger die Beklagte wiederholt dazu aufgefordert hatte. Seit Oktober 1978 versperrte die Beklagte das Zimmer, um jeden sexuellen Kontakt mit dem Kläger zu unterbinden.

Während die Beklagte von Dezember 1975 bis Ende März 1977 ständig in der ehelichen Wohnung in Wörgl war, fuhr sie in den kommenden Jahren immer öfter und häufiger nach Haimhausen in die Nähe ihrer Eltern. Sie hielt sich mit den Kindern meist von März oder April bis Oktober oder November überwiegend in Haimhausen auf, die restliche Zeit verbrachte sie in Wörgl. Dies geschah im Einverständnis mit dem Kläger. Die ständigen Streitigkeiten und das cholerische Verhalten des Klägers sowie die Verweigerung des Geschlechtsverkehrs durch die Beklagte führten zur endgültigen Zerrüttung der Ehe im Herbst 1980. Wegen der mangelnden sexuellen Befriedigung inserierte der Kläger in Münchner Zeitungen drei- bis viermal, um mit Frauen in Kontakt zu kommen. Tatsächlich nahm er jedoch keinen Kontakt auf. Am 13.Dezember 1980 entdeckte die Beklagte derartige Offerte des Klägers. Zwischen Weihnachten und Neujahr 1980 entfernte sie ohne sein Wissen und Einverständnis ihre Sachen aus der Ehewohnung und teilte dem Kläger mit, daß sie sich scheiden lassen wolle. Als Begründung gab sie an, daß sie die Briefe und Annoncen des Klägers gefunden habe. Dies war für die Beklagte der Anlaß zum endgültigen Bruch. Der Kläger bemühte sich erfolglos, die Beklagte zurückzugewinnen und forderte sie wiederholt auf, zu ihm nach Wörgl zurückzukehren.

Im Jahre 1979 hatte der Kläger die Erteilung einer Apothekenkonzession in Ebbs betrieben und wollte in Kufstein ein Haus bauen, um sich möglichst nahe der deutschen Grenze niederlassen zu können. Dieses Vorhaben wurde von der Beklagten abgelehnt, obwohl sie zunächst beim Planen des Hauses mitgeholfen hatte, wofür sie vom Kläger ein Honorar forderte.

Das Erstgericht lastete dem Kläger an, daß er entsprechend seinem cholerischen Charakter sich zu überheftigen Reaktionen hinreißen habe lassen und die Beklagte beschimpft habe. Auch seine Annoncen stellten schwere Eheverfehlungen dar. Der Beklagten falle zur Last, daß sie die häusliche Gemeinschaft eigenmächtig aufgehoben und dem Kläger den ehelichen Verkehr anhaltend verweigert habe. Die Eheverfehlungen der Beklagten seien jedoch durch das Verhalten des Klägers verursacht worden, sodaß ihn das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es ein gleichteiliges Verschulden beider Ehegatten aussprach. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung, war jedoch der Rechtsansicht, daß das Verschulden keines der Ehegatten erheblich schwerer wiege als das des anderen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß gegen die Einschränkung der Begehren auf den Verschuldensausspruch keine Bedenken bestehen. Durch die Anerkennung wird das ausländische Ehescheidungsurteil einem inländischen Urteil in der Rechtskraftwirkung zwar gleichgestellt (6 Ob 7/75 ua). Hier beschränkte sich jeeoch das ausländische Urteil auf den Ausspruch der Scheidung der Ehe aufgrund eines nicht auf einem Verschulden beruhenden Scheidungsgrundes. Nur insoweit kommt ihm daher materielle Rechtskraft zu. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Eheverfahrens besteht nach herrschender Ansicht in Österreich nicht (SZ 21/25 ua).

Abzulehnen ist der Standpunkt der Beklagten, daß die Verweigerung des ehelichen Verkehrs nur eine angemessene Reaktion auf das Verhalten des Klägers und daher keine Eheverfehlung sei. Von einer entschuldbaren Reaktionshandlung kann nur gesprochen werden, wenn sich ein Ehepartner in unmittelbarer Folge eines grob ehewidrigen Verhaltens des anderen Teiles dazu hinreißen läßt, in einer verständlichen Gemütsbewegung seinerseits Eheverfehlungen zu setzen (EFSlg. 46.146 ua). Die einmalige Mißhandlung der Beklagten durch den Kläger rechtfertigte es nicht, auch in der Zukunft jede sexuelle Annäherung des Klägers abzulehnen. Insoweit die Revision davon ausgeht, daß der Kläger die Beklagte ständig schlug und ihr die Vorzüge anderer Frauen vorhielt, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Von den für die Beurteilung der Verschuldensfrage maßgeblichen Grundsätzen legt die Revision einseitig das Schwergewicht nur darauf, daß zu berücksichtigen sei, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen habe. Es ist jedoch das Gesamtverhalten beider Ehegatten einer Beurteilung zu unterziehen und darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Eheverfehlungen einander bedingten und wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung geleistet hat (EFSlg.46.230, 46.234, 46.236 ua). Nach diesen Grundsätzen fällt aber auf Seiten der Beklagten die grundlos fortgesetzte Verweigerung des ehelichen Verkehrs entscheidend ins Gewicht, war doch diese der Grund für die drei bis vier Annoncen des Klägers, die von der Beklagten schließlich als ehezerstörend empfunden wurden und den Ausschlag für die endgültige Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch die Beklagte gaben (vgl.AS 270). Angesichts der Bedeutung der Eheverfehlungen der Beklagten für die endgültige Zerrüttung der Ehe ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß das Verschulden der Beklagten nicht derart in den Hintergrund tritt, daß der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Klägers gerechtfertigt wäre.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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