OGH 7Ob579/90

OGH7Ob579/9028.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gabriele G***, geboren am 12. August 1974, Schülerin, Schweiggers 157, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Zwettl, infolge Revisionsrekurses des Vaters Alois G***, Postbediensteter, Wien 14., Breitenseer-Straße 110-112/10/10, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems/Donau als Rekursgericht vom 23.März 1990, GZ 1 R 10/90-97, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zwettl vom 22. Dezember 1989, GZ P 24/81-94, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen ist geschieden, die Obsorge über die Minderjährige kommt der Mutter zu. Für die Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes ist der Jugendwohlfahrtsträger der Sachwalter des Kindes. Mit Beschluß vom 22.12.1989 erhöhte das Erstgericht ab 1.8.1989 den vom Vater für die Minderjährige zu leistenden Unterhalt von S 2.750 auf S 3.500 monatlich. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes besucht die Minderjährige den Lehrgang der Schule für Sozialdienste der Caritas der Diözese St.Pölten. Sie hat keinen Anspruch auf Taschengeld. Für die Internatsunterbringung sind monatlich S 2.780 zu bezahlen, und zwar S 2.400 Internatskosten und S 380 Schulgeld. Die Internatsunterbringung ist unumgänglich, weil eine tägliche Fahrt von Schweiggers nach St.Pölten der Minderjährigen unzumutbar und auch wegen der schlechten Verkehrsverbindung schwer möglich ist. Die Wochenenden und die Ferien verbringt die Minderjährige im Haushalt der Mutter Johanna G*** in Schweiggers, die auch für die Wäsche und Kleidung der Minderjährigen sorgt. Der Vater ist Postbediensteter und hat ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 13.600. Er ist für seine geschiedene Ehefrau sorgepflichtig, für die er monatlich S 2.200 bezahlt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß eine Neufestsetzung gerechtfertigt sei, weil sich die Umstände wesentlich geändert hätten. Der begehrte und zugesprochene Unterhaltsbetrag liege geringfügig über dem Regelbedarf eines 15 Jahre alten Kindes (S 3.380). Die Minderjährige habe jedoch aufgrund ihrer Berufsausbildung einen erhöhten Individualbedarf von rund S 2.300 monatlich (berechnet auf 12 Monate), der in Anschlag zu bringen sei. Ein Unterhaltsbetrag von S 3.500 monatlich liege im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Vaters. Die Mutter leiste ihren Beitrag durch die Betreuung der Minderjährigen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Es ergänzte den Sachverhalt dahin, daß die monatlichen Fahrtkosten S 528 betragen und die Minderjährige tatsächlich (für die Mithilfe im Internat) ein monatliches Taschengeld von S 200 erhält, sodaß sich ein außergewöhnlicher Bedarf von rund S 3.000 monatlich ergibt. Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß das Einkommen des Vaters mit 47 % belastbar sei und der festgesetzte Unterhalt somit im Rahmen der Belastbarkeitsgrenze liege. Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Rekursgericht damit, daß zur Frage des Individualbedarfes bei anderen Gerichten zweiter Instanz eine andere Rechtsansicht vertreten werde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil im Hinblick auf den Leitsatz der veröffentlichten Entscheidungen EFSlg. 53.224, 47.621 und 42.708 im Interesse der Rechtssicherheit eine Klarstellung geboten ist. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Zum laufenden Unterhaltsbedarf eines Kindes kann im Einzelfall ein Sonderbedarf treten, wie etwa die Kosten einer Unterbringung außerhalb des Haushaltes desjenigen Elternteils, der den Minderjährigen betreut (Internatskosten). Ob ein solcher Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen zu decken bzw. bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, wodurch der Sonderbedarf verursacht wurde. Nach dem gesetzlich verankerten Grundsatz der Deckung der Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten ist ein durch außerhäusliche Betreuung des Kindes entstandener Sonderbedarf dann bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wenn er in der Person des Kindes begründet ist (vgl. Pichler in Rummel2 Rz 9 zu § 140; Schlemmer in Schwimann, ABGB, Rz 27 zu § 140; EFSlg.50.344, 32.953, 26.150 f). Nach den obgenannten, bei der Beurteilung der Bedürfnisse des Kindes zu berüchsichtigenden Kriterien ist der Standpunkt des Rechtsmittelwerbers abzulehnen, daß ein beachtlicher Sonderbedarf nur bei geradezu schicksalhaft bedingtem Aufwand, etwa bei Krankheitskosten, gegeben sei. Es sind vielmehr auch die durch die Berufsausbildung des Kindes verursachten Kosten einer Internatsunterbringung zu berücksichtigen, wenn eine gleichartige Berufsausbildung am Ort der Betreuung nicht möglich und eine tägliche Zureise vom Wohnort zum Ausbildungsort wegen der Verkehrsverhältnisse nicht möglich oder dem Kinde nicht zumutbar ist. Letzteres trifft hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen zu. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen auch die Kosten der Internatsunterbringung bei der Unterhaltsbemessung in Anschlag gebracht. Liegt aber ein beachtlicher Sonderbedarf vor, hat dies naturgemäß zur Folge, daß ein höherer Unterhaltsanspruch des Kindes gegeben ist, sodaß dem Hinweis des Rechtsmittelwerbers auf den sich nach der Prozentsatzberechnung ergebenden Unterhalt keine Bedeutung zukommt.

Beizupflichten ist dem Rechtsmittelwerber darin, daß auch bei Berücksichtigung eines Sonderbedarfes sich der Unterhalt im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu halten hat (vgl. Schlemmer aaO Rz 30). Dem Unterhaltspflichtigen muß ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben (vgl. Schlemmer aaO Rz 19). Daß der dem Rechtsmittelwerber verbleibende Betrag zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse nicht ausreichte, wurde nicht einmal behauptet. Für eine solche Annahme liegen auch keine Anhaltspunkte vor.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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