OGH 7Ob57/87

OGH7Ob57/8710.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*** C*** A*** G*** MBH, Wien 4., Rainergasse 1, vertreten durch

Dr. Manfred Ainedter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***

V***-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 64.010,40 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. September 1987, GZ 4 R 115/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. März 1987, GZ 28 Cg 425/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1978 und EHVB 1978) zugrundeliegen. Nach Art. 1.2.1 AHVB 1978 übernimmt der Versicherer die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen. Nach Art. 7.6 AHVB 1978 besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die näher angeführten Angehörigen des Versicherungsnehmers zugefügt werden. Nach Art. 7.6.5 AHVB 1978 wird zu den Punkten 6.1 bis 6.4 festgelegt, daß bei juristischen Personen, geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Personen die gesetzlichen Vertreter und deren Angehörige dem Versicherungsnehmer und seinen Angehörigen gleichgehalten werden.

Die Versicherung erstreckt sich nach Art. 7.9.2 AHVB 1978 auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen. Seit 1970 ist Gerhard N*** nicht allein zeichnungsbefugter Geschäftsführer der Klägerin, jedoch kein Gesellschafter. Ihm steht ein Dienstwagen der Klägerin zur Verfügung. Anläßlich einer beabsichtigten Dienstreise konnte er für die Fahrt zum Flughafen Wien-Schwechat den Dienstwagen wegen eines Schadens nicht benützen, weshalb er seinen eigenen PKW hiefür verwendete. Bei der Rückfahrt vom Flughafen geriet er mit dem PKW in eine Schneezunge, wodurch Schäden an dem Fahrzeug entstanden, von denen S 13.040,40 vom Teilkaskoversicherer ersetzt wurden. Den Rest von S 64.010,40 begehrt die Klägerin von der Beklagten, als Haftpflichtversicherer, wobei sie vorbringt, sie habe Gerhard N*** dessen Restschaden ersetzen müssen.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, wobei das Berufungsgericht seine Entscheidung auf den Risikoausschluß des Art. 7.9.2 AHVB 1978 stützte. Es erklärte die Revision für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß in jüngster Zeit in Österreich die Frage, ob aus der Haftpflichtversicherung des Dienstgebers jene Schäden, die ein Dienstnehmer anläßlich einer Dienstfahrt an seinem eigenen PKW erleidet, zu decken sind oder nicht, in zwei in Fachzeitschriften veröffentlichten Aufsätzen unterschiedlich gelöst wurde. Grund für diese Streitfrage war eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (SZ 56/86), nach der ein Dienstnehmer, der für eine Dienstfahrt seinen eigenen PKW verwendet, im Falle einer Beschädigung des PKW gemäß § 1014 ABGB einen Ersatzanspruch gegen seinen Dienstgeber hat. Hiedurch ergibt sich das Problem, ob es sich bei diesem Ersatzanspruch um einen Schadenersatzanspruch im Sinne des Art. 1 AHVB 1978 handelt. Dies wurde von den beiden vom Berufungsgericht genannten Autoren (Apathy JBl. 1987, 69 und Fenyves ZAS 1986, 3 ff) bejaht. Die beiden Autoren verweisen diesbezüglich auch auf deutsche Literatur und Judikatur. Hiebei gehen sie zutreffend davon aus, daß unter "Schadenersatzansprüchen" im Sinne der AHVB 1978 nicht nur Ansprüche wegen eines schuldhaften und rechtswidrigen Verhaltens, sondern auch Ansprüche aufgrund einer Gefährdungshaftung zu verstehen sind (Fenyves a.a.O., 8). Daraus schließen die beiden Autoren, daß jede "Risikohaftung bei schadensgeneigter Tätigkeit im fremden Interesse" eine "Schadenersatzverpflichtung" im Sinne des Art. 1 AHVB 1978 ist (Fenyves ZAS 1986, 9).

Geht man von dem Zweck der Betriebshaftpflichtversicherung aus, nämlich dem Versicherten ein Äquivalent für Zahlungen, die er aufgrund der Verpflichtung zum Ersatz eines Schadens leisten muß, zu bieten, so kann tatsächlich die in den AHVB 1978 genannte Schadenersatzverpflichtung nicht auf Verpflichtungen aus bloßer Deliktshaftung eingeschränkt werden. Der Oberste Gerichtshof tritt daher der von Fenyves in diesem Punkt geäußerten Rechtsansicht bei. Was den Risikoausschluß des Art. 7.9.2 AHVB 1978 anlangt, so stimmen die beiden genannten Autoren ebenfalls dahin überein, daß es sich bei dem Kraftfahrzeug um eine bewegliche Sache handelt, die infolge ihrer Benützung beschädigt worden ist, daß also nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen im Falle der Beschädigung des dem Dienstnehmer gehörigen Kraftfahrzeuges anläßlich einer Dienstreise der erwähnte Risikoausschluß gegeben ist. Trotzdem verneint Fenyves den Risikoausschluß, wobei er anklingen läßt, daß dieser nur Drittschäden im Auge habe, der Schaden von dem für den Versicherten eingesetzten PKW aber nicht als Drittschaden in diesem Sinne anzusehen sei (bzgl. der eingehenden Begründung sei auf den genannten Aufsatz in ZAS 1986, 37 ff verwiesen). Überzeugend stellt jedoch Apathy dar, der Zweck des erwähnten Risikoausschlusses sei darin zu erblicken, daß die Benützung eines Gegenstandes mit einer erhöhten Gefahr für diesen Gegenstand verbunden ist. Dieser Zweck führe zum Ergebnis, daß der erwähnte Risikoausschluß immer gelten muß, wenn eine Sache benützt wird, wobei es auf das Eigentum an dieser Sache nicht ankomme. Das Argument, eine andere Auslegung würde dazu führen, daß der Versicherungsnehmer keine Deckung für Zahlungen erhält, die er aufgrund einer Ersatzverpflichtung zu leisten gehabt hat, ist deshalb nicht stichhaltig, weil die Haftpflichtversicherung nicht Deckung für jede Zahlung des Versicherungsnehmers bieten soll. Gerade die Aufnahme von Risikoausschlüssen in die AHVB 1978 zeigt, daß bestimmte Zahlungsverpflichtungen des Versicherungsnehmers von der Versicherung ausgeschlossen sein sollen.

Für die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes spricht aber noch eine weitere Erwägung. Die Haftpflichtversicherung hat den Zweck, dem Versicherungsnehmer Deckung für Zahlungen zu bieten, die er aufgrund von Ersatzverpflichtungen zu erbringen hat. Dies schließt aber Deckungsansprüche des Versicherungsnehmers für eigene Schäden grundsätzlich aus. Stellt daher der Versicherungsnehmer einem Dienstgeber ein ihm gehöriges Dienstfahrzeug zur Verfügung und wird dieses Dienstfahrzeug anläßlich einer Dienstfahrt beschädigt, so stellt diese Vermögensminderung des Versicherungsnehmers keine Schadenersatzverpflichtung dar, für die Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung besteht. Der Versicherungsnehmer hätte also einen Vermögensschaden, der durch die Versicherung nicht gedeckt ist. Es wäre nun geradezu absurd, würde man ihm einen solchen Deckungsanspruch dann geben, wenn der Dienstnehmer für die Dienstfahrt sein eigenes Fahrzeug verwendet. In einem solchen Fall trifft den Versicherungsnehmer das gleiche Risiko der Beschädigung dieses PKW, das er auch bei der Zurverfügungstellung eines ihm gehörigen PKWs gehabt hätte. Keinesfalls kann aber der Versicherungsnehmer dadurch, daß der Dienstnehmer seinen eigenen und nicht einen dem Dienstgeber gehörigen PKW verwendet, gegenüber dem Versicherer besser gestellt sein.

Der Oberste Gerichtshof tritt daher der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der Bestimmung des Art. 7.9.2 AKHB 1978 bei, wobei sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Allgemeine Versicherungsbedingungen wie Gesetze (die Richtigkeit dieser Auffassung ist von der Lehre in Zweifel gezogen worden) oder nach den Grundsätzen der Vertragsinterpretation auszulegen sind, erübrigt, weil man im vorliegenden Fall bei beiden Auslegungsarten zu demselben Ergebnis gelangt.

Ein Anspruch der Klägerin besteht aber auch noch aus einem weiteren Grund nicht. Die Beklagte hat nämlich auch den Risikoausschluß nach Art. 7.6.5 AHVB 1978 geltend gemacht (Seite 18 des Aktes). Nach dieser Bestimmung sind bei juristischen Personen die gesetzlichen Vertreter und deren Angehörige dem Versicherungsnehmer und seinen Angehörigen gleichzuhalten. Für Schäden, die Angehörigen des Versicherungsnehmers zugefügt werden, besteht jedoch ebensowenig Versicherungsschutz, wie für Schäden des Versicherungsnehmers selbst.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Schaden im Vermögen des Gerhard N*** ereignet. Dieser ist Geschäftsführer der Klägerin, einer Gesellschaft m.b.H., demnach einer juristischen Person. Nach § 18 Abs. 1 GesmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Geschäftsführer sind sohin die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft m.b.H. Auf sie trifft daher der Risikoausschluß des Art. 7.6.5 AKHB 1978 zu. Daß dieser Ausschluß nicht nur den alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer betrifft, ergibt sich aus dem Zweck der genannten Bestimmung, weil diese nicht nur den gesetzlichen Vertreter, sondern auch seine Angehörigen miteinbezieht. Wenn aber selbst Personen, die bei der juristischen Person keinerlei Funktion ausüben, nur aufgrund ihres Naheverhältnisses zu einem gesetzlichen Vertreter in den Risikoausschluß miteinbezogen werden, muß dies umsomehr für den gesetzlichen Vertreter selbst auch dann gelten, wenn dieser nicht allein vertretungsbefugt ist.

Im vorliegenden Fall hat zwar Gerhard N*** seinen Schaden auf die Klägerin überwälzt, sodaß formell gegenüber der Beklagten nicht mehr sein Schaden geltend gemacht wird. Aus dem Sinn der angeführten Ausschlußbestimmung ergibt sich jedoch, daß grundsätzlich Schäden, die der Versicherungsnehmer selbst, einer seiner Angehörigen oder einer diesen durch Art. 7.6.5 AKHB 1978 gleichgestellten Person erleiden keinen Versicherungsschutz genießen sollen. Der Versicherer will durch diese Bestimmung die mit der Angehörigeneigenschaft für ihn verbundenen höheren Risken ausschließen. Dieses Ziel kann nur dadurch erreicht werden, daß Schäden der erwähnten Personen nicht nur dann von der Versicherung ausgenommen sind, wenn diese Personen selbst als Geschädigte auftreten, sondern auch dann, wenn der Versicherungsnehmer solche Schäden ersetzt hat, so daß der Schaden nunmehr in seinem Vermögen verbleibt. Bei einer sachgerechten Auslegung des erwähnten Risikoausschlusses muß daher davon ausgegangen werden, wen der Schaden ursprünglich getroffen hat und nicht davon, wer ihn infolge Ersatzleistung letzten Endes trägt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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