European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00575.840.0620.000
Spruch:
Der Revision wird dahin Folge gegeben, dass die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird.
„Die Kostenentscheidung des Erstgerichts wird dahin abgeändert, dass die vom Kläger der Beklagten binnen 14 Tagen zu ersetzenden Kosten mit 26.694,36 ATS (darin 1.977,36 ATS Umsatzsteuer) bestimmt werden.“
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 9.563,40 ATS (darin 869,40 ATS Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.918,65 ATS (darin 447,15 ATS Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, die Beklagte und L***** F***** haben sich für eine Schuld des K***** F***** als Bürge und Zahler verbürgt. Außerdem hat die Beklagte die ihr gehörige Liegenschaft EZ 2 KG ***** zur Sicherung der dieser Schuld zugrunde gelegenen Darlehensforderung von 150.000 ATS verpfändet. Der Kläger hat die Darlehensforderung befriedigt, wofür er, wie nicht mehr strittig ist, 150.758,02 ATS aufwenden musste. Diese verlangt er abzüglich einer Gegenforderung von 8.658,87 ATS von der Beklagten als Pfandschuldnerin.
Nicht mehr strittig sind weitere Gegenforderungen der Beklagten von insgesamt 8.990,52 ATS.
Die Beklagte hat dem Kläger außerdem 21.009,48 ATS übergeben, die dieser dem Kreditinstitut weiterleitete. Dass die Beklagte von diesem Betrag höchstens ein Drittel, das sind 7.003,16 ATS, verlangen könnte, bestreitet sie ebenfalls nicht mehr.
Im Revisionsverfahren ist nur die Rechtsfrage strittig, ob der zahlende Bürge gemäß § 1359 ABGB gegen den mithaftenden Pfandschuldner im vollen Umfang Regress nehmen kann oder ob die sich aus den §§ 1359 und 896 ABGB ergebende Beschränkung des Regressrechts auch im Verhältnis des Bürgen zum Pfandschuldner gilt.
Das Erstgericht hat der Beklagten, als Pfandschuldnerin, ein dem Bürgen gleichartiges Regressrecht zugebilligt und demnach ausgesprochen, dass die eingeklagte Forderung mit 41.593,80 ATS (ein Drittel von 150.758,02 ATS = 50.252,67 ATS abzüglich der anerkannten Gegenforderung von 8.658,87 ATS) und die eingewendete Gegenforderung mit 15.993,68 ATS (8.990,52 ATS und ein Drittel von 21.009,48 ATS = 7.003,16 ATS) zu Recht bestehen. Es hat daher dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens 25.600,12 ATS zugesprochen.
Das Berufungsgericht hat den Standpunkt vertreten, nur der Bürge könne sich gegen den Pfandschuldner regressieren, nicht aber umgekehrt, weshalb der Bürge nicht nur einen Anteil, sondern die ganze von ihm befriedigte Forderung vom Pfandschuldner verlangen könne, allerdings nur bei Exekution in das Pfand. Es hat daher ausgesprochen, dass die Forderung des Klägers mit 142.099,15 ATS hingegen die eingewendete Gegenforderung mit 8.990,52 ATS zu Recht besteht. Unter Abweisung des Mehrbegehrens hat das Berufungsgericht dem Kläger 133.108,63 ATS, davon jedoch 100.505,35 ATS nur bei Exekution in die Pfandsache, zugesprochen. Für ein Drittel des bezahlten Betrags hafte die Beklagte unbeschränkt, weil sie nicht nur Pfandschuldnerin sondern auch Bürgin sei.
Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist berechtigt.
Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor. Es ist zwar richtig, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 22/98 einen Verstoß gegen § 405 ZPO als Nichtigkeit qualifiziert hat, doch ist er dann von dieser Rechtsansicht in zahlreichen Entscheidungen, die einen solchen Verstoß als Verfahrensmangel qualifizierten, abgegangen (SZ 42/138, JBl 1969, 399, JBl 1960, 154 ua).
Ob die Verurteilung zur Zahlung bei Exekution lediglich in eine Pfandsache in allen Fällen nur ein Minus gegenüber der Klage auf uneingeschränkte Verurteilung ist, kann unerörtert bleiben. Trägt nämlich der Kläger den für die Pfandhaftung erforderlichen Sachverhalt vor und unterlässt er es nur, die rechtlichen Konsequenzen aus seinen Behauptungen zu ziehen, wurde also in der Klagserzählung schon die Sachhaftung geltend gemacht, so ist die Verurteilung zur Zahlung bei Exekution in die Pfandsache, ungeachtet des Fehlens einer solchen Einschränkung im Urteilsbegehren, kein aliud (2 Ob 544/76).
Da der Kläger schon in der Klage auf die Pfandhaftung verwiesen und zu erkennen gegeben hat, dass er auch diese Haftung in Anspruch nehme, hat das Berufungsgericht durch seine Entscheidung keinesfalls gegen § 405 ZPO verstoßen.
Die hier entscheidende Rechtsfrage ist bisher weder in Österreich noch in der Bundesrepublik Deutschland einheitlich gelöst worden. Die Lehre zum deutschen Recht kann in diesem Punkt deshalb zum Vergleich herangezogen werden, weil die Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen der österreichischen gleicht. § 774 BGB entspricht § 1359 ABGB und § 426 BGB dem § 896 ABGB. Eine Abweichung liegt nur insoferne vor, als die §§ 1143 und 1225 BGB ausdrücklich Ausgleichsansprüche zwischen einfachen Pfandschuldnern und Hypothekarschuldnern regeln, während im österreichischen Recht eine solche ausdrückliche Regelung fehlt. Die diesbezügliche Gesetzeslücke ist jedoch durch analoge Anwendung des § 896 ABGB auf den Rückersatzanspruch eines Pfandgläubigers gegen den anderen zu schließen ( Gamerith in Rummel , Rdz 12 zu § 896, SZ 52/105, Gschnitzer in Klang² IV/1, 317), sodass auch hier keine Verschiedenheit der beiderseitigen Rechtslagen besteht.
Dass der zahlende Bürge auch gegen den Pfandschuldner Regress nehmen kann, ist unbestritten. Den Standpunkt, dass nur der Bürge gegen den Pfandschuldner, und zwar unbeschränkt, nicht aber der Pfandschuldner gegen den Bürgen Regress nehmen darf, vertreten in Österreich vor allem Koban (Der Regress des Bürgen und Pfandeigentümers 1907/207 ff) und Ehrenzweig (I/2, 514 und II/1, 126), und in der Bundesrepublik Deutschland Palandt (BGB 43 Anm 2 g zu § 774 und Anm 2 b zu § 1225). Petrasch (in Rummel Rdz 3 zu § 465) weist lediglich auf das Bestehen widersprechender Rechtsansichten hin, während Ohmeyer (in Klang² VI, 236) zu dieser Frage nicht Stellung nimmt. Dagegen könnte aus Gschnitzer (in Klang² IV/1, 316 f) entnommen werden, dass dieser Autor den gegenteiligen Standpunkt vertritt.
Eindeutig das Gegenteil sprechen in Österreich Koziol‑Welser (I 6 , 245) und in der Bundesrepublik Deutschland Esser‑Weyers (Schuldrecht² II/1, 309 f) sowie der Münchner Kommentar zum BGB (Anm 23 zu § 774, Anm 19 ff zu § 1143 und Anm 10 zu § 1225) aus.
Die Vertreter des einseitigen Regresses des Bürgen gegen den Pfandschuldner begründet ihre Rechtsansicht vor allem damit, dass der Bürge mit seinem ganzen Vermögen hafte und sohin ein wesentlich größeres Risiko trage, als der Pfandschuldner. Es sei ihm daher eine begünstigte Stellung gegenüber dem Pfandschuldner einzuräumen. Zutreffend machen jedoch die Gegenstimmen geltend, dass sich der Umfang der Haftung aus dem die Haftung begründenden Rechtsgeschäft ergibt und dieses einer bestimmten gesetzlichen Regelung unterliegt. Wenn das Gesetz eine Prämierung für die Übernahme einer weitergehenden Haftung nicht vorsieht, kann derjenige, der eine solche Haftung übernimmt, nicht mit einer im Gesetz nicht gedeckten Privilegierung gegenüber anderen Haftenden rechnen.
In der vorliegenden Frage ist dem ABGB, ebensowenig wie den inhaltlich im Wesentlichen gleichen Bestimmungen des BGB, eine Privilegierung des Bürgen bezüglich des Regesses gegenüber dem Pfandschuldner zu entnehmen. Das Gesetz sieht sowohl die Bürgschaft als auch das Pfand als Sicherungsmittel für Forderungen vor, ohne irgendeinen Unterschied zu machen, der den Willen des Gesetzgebers andeuten würde, im Verhältnis der beiden Rechtsinstitute zueinander solle einem von beiden ein Vorrang eingeräumt werden. Dem österreichischen Recht ist die Einrede der Sachhaftung gemäß § 1360 ABGB unbekannt ( Ohmeyer in Klang² VI, 235). Demnach stellt das Gesetz die Sicherungsmittel Pfand und Bürgschaft im Verhältnis zum Gläubiger einander gleich. Dass, davon abweichend, bezüglich des Regesses eine Rangordnung festgelegt werden sollte, die im Ergebnis zu einer Subsidiarität der Haftung des Bürgen führen würde, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Wäre das Ausmaß der Haftpflicht für den Umfang des Regressrechts maßgebend, wäre es unverständlich, warum kein vorrangiger Regress des Bürgen und Zahlers gegenüber dem subsidiär haftenden Bürgen besteht. Gerade die Gleichbehandlung der Bürgen jeder Art durch § 1359 ABGB lässt erkennen, dass der Gesetzgeber Unterschiede des Regressrechts nach Maßgabe der übernommenen Haftung nicht wollte. § 1359 ABGB spricht zwar nur vom Regress des Bürgen, doch handelt es sich bei dieser Bestimmung nur um einen Anwendungsfall des § 896 ABGB, wie der in der erstgenannten Bestimmung enthaltene Hinweis erkennen lässt ( Gschnitzer in Klang² IV/1, 316). § 896 ABGB ist aber nicht auf den Bürgen beschränkt, sondern, wie oben dargelegt wurde, analog auch auf den Pfandschuldner anzuwenden.
Die auf den Umfang der Haftung gestützte Argumentation übersieht im Übrigen, dass Grund für das Recht zum Regress nicht die Haftung, sondern die Zahlung ist. Durch die Zahlung wird aber der Pfandschuldner wirtschaftlich genauso belastet wie der Bürge.
Als weiteres Argument für die ältere Rechtsmeinung wird auf den Umstand verwiesen, dass sich der Gläubiger zum Nachteil des zahlenden Bürgen eines Pfandes nicht begeben darf (§ 1360 ABGB). Dies besagt aber nur, dass dem Zahler die bestehende Sicherung verbleiben soll. Über den Umfang des Regresses lässt sich daraus nichts ableiten.
Der Oberste Gerichtshof tritt daher zumindest ist für den Fall der gleichzeitigen Übernahme der Bürgschaft und der Pfandhaftung aus der Erwägung, dass das ABGB grundsätzlich Bürgschaft und Pfand als gleichwertige Sicherungsmittel behandelt, § 896 ABGB keinerlei Unterschied zwischen einzelnen Zahlern macht, auch sonst dem Gesetz eine Rangordnung der Sicherungsmittel bezüglich des Regresses nicht zu entnehmen ist, und die rechtspolitischen Erwägungen für den Regress bezüglich beider Sicherungsmittel dieselben sind (gerechter Ausgleich zwischen Mithaftenden) der in der neuen Lehre ( Koziol‑Welser , Esser‑Weyers , Müchner Kommentar) vertretenen Rechtsansicht über das beiderseitige Regressrecht bei. (Ob für den Fall der früheren Bestellung des Pfandes andere Erwägungen gelten, muss hier nicht untersucht werden.) Bei. Dies führt aber dazu, dass der Kläger mangels Behauptung eines besonderen Verhältnisses im Sinne des § 896 ABGB von der Beklagten infolge der Mithaftung eines Dritten nur ein Drittel der von ihm geleisteten Zahlung und die Beklagte vom Kläger ein Drittel der von ihr gezahlten 21.009,48 ATS (diesbezüglich wird die Annahme der Vorinstanzen, hier handle es sich um die Zahlung einer weiteren Schuld, für die beide Streitteile als Bürgen gehaftet haben, nicht bekämpft) verlangen können.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. Mit ihrer Revision hatte die Beklagte vollen Erfolg, weshalb sie ihre gesamten Kosten im Revisionsverfahren verlangen kann. Ihre Berufung war erfolglos geblieben, doch hatte der Kläger keine Berufungsmitteilung erstattet. Für die Berufung der Beklagten gebührten ihr demnach keine Kosten, wohl aber die Kosten für die erfolgreiche Abwehr der gegnerischen Berufung. Das teilweise Unterliegen der Beklagten in der Berufungsverhandlung konnte im Hinblick auf die Geringfügigkeit im Vergleich zum gesamten Streitwert des Berufungsverfahrens außer Betracht bleiben.
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