OGH 7Ob574/95

OGH7Ob574/956.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Schalich, Dr.Schinko und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar und Dr.Gerhard Duschek, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,278.000 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27.April 1995, GZ 1 R 66/95-57, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12.Jänner 1995, GZ 17 Cg 48/94d-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin produziert im Rahmen ihres Betriebes auch Plasmaprotein 5 %. Zur Herstellung dieses Produktes ist dessen Lagerung bei einer konstanten Temperatur von 30 Grad über mehrere Tage erforderlich. An der dafür von der beklagten Partei hergestellten "Quarantänezelle" traten 1987 und 1988 mehrmals Gebrechen auf. Nach einer Kontrolle am 29.12.1988 durch einen Monteur der beklagten Partei wurden 2.829 Stück Flaschen Plasmaproteinlösung 5 % in die Quarantäne eingelagert. In der Folge kam es zu einer unkontrollierten Überhitzung der Zelle, wodurch das eingelagerte Plasmaprotein unbrauchbar wurde.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 1,278.000 s. A. als Schadenersatz für das durch die Überhitzung unbrauchbar gewordene Plasmaprotein. Die Reparatur der Quarantänezelle durch die beklagte Partei sei mangelhaft gewesen; der Schaden sei dadurch eingetreten.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, ein von ihr entsandter Techniker habe festgestellt, daß der Thermostat der Quarantänezelle voll funktionstauglich und daher nicht schadensursächlich gewesen sei. Die Überhitzung sei offenbar auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen.

Im Zuge des Beweisverfahrens vor dem Erstgericht kamen Unregelmäßigkeiten der klagenden Partei bei der Herstellung des Plasmaproteins zur Sprache, weiters ergaben sich Verdachtsmomente, wonach die Vernichtung der in der Klage angeführten Waren durch Überhitzung von der klagenden Partei nur vorgetäuscht worden sei. Mit dem in der Tagsatzung vom 16.6.1992 verkündeten und am 15.8.1992 ausgefertigten Beschluß unterbrach das Erstgericht das Verfahren "zur Überprüfung durch die Strafbehörden, vor allem im Hinblick auf Verdacht des Prozeßbetruges"und verfügte, daß das Verfahren nur über Antrag fortgesetzt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß nach den Verfahrensergebnissen nicht nur nach Aussage eines unverdächtigen, weil am Verfahrensausgang uninteressierten Zeugen der Verdacht bestehe, daß die Klägerin fahrlässig den Tod mehrerer Personen durch verseuchte Präparate verschuldet habe, sondern - streitrelevant - auch den vorliegenden Prozeß nur aus Gewinnsucht mit der wahrheitswidrigen Behauptung anstrenge, die aus anderen Gründen verdorbenen Proben seien aus Verschulden der Beklagten unbrauchbar. Letzteres sei mit Mitteln des Zivilprozesses nicht klärbar, weil Zeugenaussagen Beteiligter und nicht als Falsifikate erkennbare Urkunden ohne Hausdurchsuchung usw zu keinem objektiven Ergebnis führten, was auch im Zivilverfahren möglichst anzustreben sei, abseits aller formaler Wahrheiten (AS 184 in ON 33).

Mit Schriftsatz vom 2.3.1994 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens und Anberaumung einer mündlichen Streitverhandlung. Bei der darauffolgenden Tagsatzung vom 14.6.1994 wendete die beklagte Partei Verjährung wegen nichtgehöriger Verfahrensfortsetzung ein, weil die Zurücklegung der Strafanzeige (gegen den Geschäftsführer der Klägerin) bereits im Juli 1993 erfolgt sei.

Unstrittig ist, daß die Staatsanwaltschaft Wien am 21.7.1993 gegenüber dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hinsichtlich F***** S***** und Dipl.Ing.E***** L***** die Erklärung gemäß § 90 Abs 1 StPO auch wegen § 146f StGB betreffend das verfahrensgegenständliche Faktum abgegeben hat. Hievon wurden die beiden vorangeführten Angezeigten mit dem Beisatz verständigt: "Teileinstellung betreffend Faktor VIII - Konzentrat Chargen-Nr. 810536 sowie 810706 und Plasmaproteinlösung, Chargen-Nr.51028 bzw 51018".

Daraufhin erwiderte die Klägerin, daß das Strafverfahren gegen ihren Geschäftsführer wegen anderer Fakten noch anhängig sei, weil andere Indizien noch nicht geklärt worden seien. Dem Klagevertreter sei es nicht möglich gewesen, Einsicht in die von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht beschlagnahmten Unterlagen zu nehmen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, daß die Klagsforderung verjährt sei. Die Klägerin habe erst sieben Monate nach Beendigung des für das Zivilverfahren relevanten Strafverfahrens einen Fortsetzungsantrag gestellt.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Urteil diese Entscheidung. Es erklärte die Revision für zulässig. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Bei der Prüfung, ob ein Verfahren gehörig fortgesetzt worden sei, komme es nicht so sehr auf die Dauer, sondern auf die Gründe, derentwegen die Klägerin untätig war, an. Bloß im Bereich der Klägerin gelegene Umstände wie Schwierigkeiten, den rechtlich relevanten Sachverhalt unter Beweis zu stellen, kämen als Rechtfertigung für eine prozessuale Untätigkeit nicht in Betracht. Auf verzögernde Umstände, die im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien gelegen gewesen seien, habe sich die Klägerin gar nicht berufen. Obwohl das Erstgericht im Unterbrechungsbeschluß den maßgeblichen Zeitpunkt für den Wegfall des Unterbrechungsgrundes nicht ausdrücklich angeführt habe, könne darunter nur die Beendigung des Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer der Klägerin hinsichtlich der klagsgegenständlichen Chargen-Nr.52028 und 52018 verstanden werden. Dieser Unterbrechungsgrund sei jedenfalls Ende Juli 1993 weggefallen. Irrelevant sei, daß das Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin noch wegen anderer Fakten noch anhängig sei. Daß dem Klagevertreter eine ausreichende Sichtung der beschlagnahmten Unterlagen der klagenden Partei ab Juli 1993 nicht möglich gewesen sei, hätte die Klägerin an der Erhebung eines Fortsetzungsantrages nicht hindern dürfen. Die nicht gerechtfertigte siebenmonatige Untätigkeit der Klägerin ab Zustellung des Einstellungsbeschlusses entspreche keiner gehörigen Verfahrensfortsetzung, weshalb die Klagsforderung verjährt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revision ist unzulässig.

Der jedermann und daher auch der klagenden Partei erkennbare Sinn des Unterbrechungsbeschlusses war allein die strafrechtliche Überprüfung des durch die Aussage eines Zeugen aufgekommenen Verdachtes des Prozeßbetruges. Mit der Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich der klagsgegenständlichen Chargen fiel dieser Grund weg. Da als weiterer Grund für den Wegfall der Unterbrechung nur noch eine rechtskräftige Verurteilung des Geschäftsführers der Klägerin in Frage gekommen wäre, bedurfte es im Unterbrechungsbeschluß wegen der ohnedies gegebenen rechtlichen Klarheit keiner speziellen Anführung des Zeitpunktes bzw Vorganges, ab dem das Verfahren vor dem Erstgericht wieder fortgesetzt werden kann. Die Klägerin vermochte weder in ihrem Vorbringen noch in ihrer Berufung noch ihrer Revision nachvollziehbar einen zwingenden Zusammenhang zwischen den (im übrigen gar nicht bekannten) Fakten, deretwegen das Strafverfahren gegen ihren Geschäftsführer noch fortgesetzt wird, und dem klagsgegenständlichen, allein die Chargen 52028 und 52018 betreffenden Faktum darzulegen. Der vom Erstgericht bei Fassung des Unterbrechungsbeschlusses in der Begründung geäußerte Verdacht der fahrlässigen Tötung von Personen durch Organe der klagenden Partei ist ebenfalls nicht mit der Unbrauchbarkeit der zuvor zitierten Chargen in einen Zusammenhang zu bringen. Mangels eines von der Klägerin unter Beweis gestellten Zusammenhanges zwischen den Fakten, deretwegen gegen den Geschäftsführer der Klägerin von den Strafbehörden noch ermittelt wird, und dem gegenständlichen Faktum liegt auch keine Teil-, sondern eine gänzliche Einstellung des Strafverfahrens, dessentwegen das Zivilverfahren unterbrochen wurde, vor. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Zulassung der Revision geäußerten Erwägungen unterliegen daher einem Denkfehler. Es würde dem Sinn der mit der Unterbrechung zu bewirkenden Verfahrensökonomie widersprechen, andere nicht in einem Zusammenhang mit dem Zivilverfahren stehende Verdachtsmomente, hinsichtlich derer die Strafgerichte noch weiter ermitteln, als aufrechten Unterbrechungsgrund anzuerkennen. Damit erweist sich aber die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin das von ihr angestrengte Verfahren nicht gehörig fortgesetzt habe, als zutreffend. Die Klagsforderung ist daher gemäß § 1497 ABGB verjährt (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 51 ZPO. Da die Beklagte einen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision unterlassen hat, konnten ihr keine Kosten für die Revisionsbeantwortung zuerkannt werden.

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