OGH 7Ob565/88 (7Ob566/88)

OGH7Ob565/88 (7Ob566/88)28.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Robert B***, Rechtsanwalt, Wien 1., Dominikanerbastei 17, wider die beklagte Partei Christa N***, Hausfrau, Gansbach, Pinnenhöfen 8, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, sowie die auf Seite der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin Y*** Gesellschaft m. b.H., Wien 6., Gumpendorferstraße 91/1 und IV, vertreten durch Dr. Heinz Wilhelm Stenzel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge der Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 26. August 1987, GZ. 41 R 376/87-40, womit infolge der Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. April 1987, GZ. 42 C 65/85 (42 C 622/85)-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.719,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 247,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Wien 6., Gumpendorferstraße 91. In diesem Haus hat die Beklagte mit zwei getrennten Verträgen zwei verschiedene Objekte gemietet, und zwar die Wohnung Nr.1 als Büroräumlichkeit und das Lokal Nr.IV. Bezüglich des Lokales IV war vereinbart, daß die Mieterin das Recht hat, in diesem Bestandobjekt eine Tierhandlung zu eröffnen (Kleintiere). In der Folge verwendete die Beklagte das Bestandobjekt Tür Nr.1 als Schuranstalt und Nr.IV als Zoohandlung. Als sich die Zoohandlung als unrentabel erwies, beschloß die Beklagte, das Lokal Nr.IV in eine Imbißstube umzuwandeln. Gegen diese Umwandlung hatte der Kläger nichts einzuwenden. Es wurde von keinem der Teile damals daran gedacht, die Imbißstube auf eine Bar auszudehnen. Vielmehr war zwischen den Streitteilen klar, daß es sich um eine übliche Imbißstube handeln würde, die keinen Nachtbetrieb beinhaltet. An einen Animierbetrieb war nicht gedacht. Das Objekt Nr.1 wurde zunächst weiter als Schuranstalt und in der Folge als Lager benützt. Dazu hat der Kläger keine Zustimmung erteilt. Die Beklagte hat mit ihm diesbezüglich auch keine Rücksprache genommen.

Nach einer Beschädigung des Objektes IV faßte die Beklagte den Entschluß, es nach Durchführung der Renovierungsarbeiten in eine Bar bzw. in ein Pub umzuwandeln. An die Führung eines Bordells war nicht gedacht. Das Objekt Nr.1 wurde weiter als Lager belassen, in der Folge jedoch, ohne Rücksprache mit dem Kläger, in eine Wohnung mit Bad, WC und Zimmern umgebaut. Die Beklagte versuchte, den Kläger zur Zustimmung zur Umwandlung in eine Bar zu bewegen, doch kam es diesbezüglich zu keiner Einigung.

Mit Vertrag vom 10.1.1985 verkaufte die Beklagte, als Inhaberin des gastgewerblichen Unternehmens mit Standort Wien 6., Gumpendorferstraße 91 und Eigentümerin aller Einrichtungen, Maschinen, Betriebsmittel und des Inventars, das sich in den gewidmeten Räumlichkeiten top.Nr.1 und IV befindliche Unternehmen samt Inventar der Nebenintervenientin. Der Kaufpreis sollte in Raten bezahlt werden, wurde bisher jedoch nur zum Teil entrichtet. Nach Punkt V dieses Kaufvertrages verpflichtete sich die Beklagte "aus Anlaß dieser Unternehmensübertragung, die dem Unternehmen gewidmeten Mietrechte an diesem Mietgegenstand an den Nebenintervenienten nach endgültiger und vollständiger Bezahlung des Kaufpreises unverzüglich abzutreten und alle hiefür notwendigen Erklärungen gegenüber dem Hauseigentümer abzugeben".

Seit Anfang 1985 betrieb der Nebenintervenient im Bestandobjekt Nr.IV eine Bar mit Animierbetrieb, wobei er das Objekt Nr.1 als Bordell verwendete. Von außen war das Lokal Nr.IV durch eine rote Aufschrift "Bar" gekennzeichnet, die durch rote Leuchtschrift umrandet war. Das Objekt Nr.1 war durch eine goldene Türe gekennzeichnet und innen mit Plüsch ausgeschlagen sowie mit einer Bar und zwei Doppelbetten ausgestattet. Als die Beklagte vom Kläger unter Androhung der Kündigung aufgefordert wurde, den Bordellbetrieb abzustellen, verlangte sie dies von der Nebenintervenientin und zog ihr Ansuchen auf Änderung der Betriebsart des Gastgewerbes in eine Bar zurück. Die Nebenintervenientin reagierte auf dieses Verlangen nicht und beantragte beim Magistratischen Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk die Umwidmung des Gastgewerbes in einen Barbetrieb. Trotz ablehnender Stellungnahme des Klägers wurde diese Umwidmung behördlich genehmigt. Erst im Zuge des vorliegenden Kündigungsverfahrens wurde der Animier- und Bordellbetrieb in eine Grillimbißstube umgestellt. Die Wohnung Nr.1 wird nunmehr für Wohnzwecke verwendet.

Die Vorinstanzen haben die beiden auf § 30 Abs.2 Z 7 MRG gestützten Aufkündigungen bezüglich beider Objekte mit der Begründung für rechtswirksam erklärt, die nunmehrige Verwendung dieser Objekte könne nicht als eine der im Mietvertrag vereinbarten Verwendungsart gleichwertige angesehen werden. Maßgebend sei der Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung. Die Passivlegitimation der Beklagten sei zu bejahen, weil die Mietrechtsübertragung von der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises abhängig gemacht worden sei und die Nebenintervenientin den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt habe.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes bezüglich beider Bestandobjekte je 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten und von der Nebenintervenientin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, von der Beklagten auch wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, erhobenen Revisionen sind nicht gerechtfertigt.

Richtig ist, daß die Veräußerung eines Unternehmens gemäß § 12 Abs.3 MRG den Eintritt des Unternehmenserwerbers in das Mietverhältnis über die Geschäftsräume, in denen das Unternehmen betrieben wird, selbst gegen den Willen des bisherigen und des neuen Mieters bewirkt (Würth in Rummel Rz 7 zu § 12 MRG). Voraussetzung ist allerdings die Veräußerung eines lebenden Unternehmens und vor allem die Identität des veräußerten Unternehmens mit demjenigen, das der Erwerber betreibt.

Im vorliegenden Fall kann jedoch eine Prüfung der Frage, inwieweit tatsächlich die Veräußerung eines lebenden Unternehmens stattgefunden hat, auf sich beruhen. § 12 Abs.3 MRG hat nämlich den endgültigen Übergang des Unternehmens auf den Erwerber im Auge. Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, daß sogenannte gespaltene Schuldverhältnisse entstehen. Steht fest, daß sich der bisherige Mieter seines Unternehmens endgültig und unwiderruflich begeben hat, so soll er auch nicht die Mietrechte weiterhin behalten. Solange er dagegen noch die Möglichkeit hätte, die Übertragung des Unternehmens rückgängig zu machen, sind nach dem Sinn der zitierten Gesetzesstelle die Voraussetzungen für einen Mietrechtsübergang nicht gegeben. Für die Anwendbarkeit des § 12 Abs.3 MRG ist der Eigentümerwechsel entscheidend (MietSlg. 37.279). Bezüglich des behaupteten Eintrittes in die Mietrechte der Beklagten beruft sich die Nebenintervenientin ausschließlich auf den Kaufvertrag vom 3.1.1985 (Beilage ./B). Auch in ihrer Revision wird nur auf diesen Vertrag Bezug genommen. Hiebei identifiziert sich die Nebenintervenientin mit dem Inhalt dieses Vertrages. Nun ergibt sich aber aus dessen Punkt VII, daß der Verkäuferin das Eigentum am Kaufgegenstand bis zur Bezahlung des gesamten Kaufpreises einschließlich der Wertsicherungsbeträge vorbehalten bleibt. Das heißt, daß das Eigentum an dem Unternehmen vor endgültiger Bezahlung des Kaufpreises nicht an die Nebenintervenientin übergegangen sein kann. Nach den getroffenen Feststellungen hat aber die Nebenintervenientin bisher den vollen Kaufpreis nicht bezahlt. Sie ist daher nicht Eigentümerin des Unternehmens geworden, sodaß, wie bereits oben dargelegt wurde, die Voraussetzungen des § 12 Abs.3 MRG für einen Übergang der Mietrechte an sie nicht vorliegen. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen die Passivlegitimation der Beklagten bejaht.

Mit ihrer Mängelrüge macht die Beklagte in Wahrheit nur Feststellungsmängel geltend, weshalb diese Rüge ebenfalls der Rechtsrüge zuzuordnen ist.

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs.2 Z 7 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßig geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus (Würth in Rummel, Rz 34 zu § 30 MRG, MietSlg. 35.369 u.a.). Die Umwidmung von nur zur geschäftlichen Nutzung vermieteten Räumen in Räume, die überwiegend Wohnzwecken dienen, stellt den Kündigungsgrund dar (1 Ob 572/87, 4 Ob 537/87 u.a.). Dies zeigt aber, daß bezüglich des Objektes Nr.1 der Kündigungsgrund des § 30 Abs.2 Z 7 MRG auf jeden Fall gegeben ist, weil dieses Objekt für geschäftliche Zwecke vermietet wurde und derzeit als Wohnung verwendet wird. Die Argumentation der Nebenintervenientin, ihr Geschäftsführer benötige unbedingt Aufenthaltsräume, um seinen Betrieb im Objekt IV führen zu können, übersieht, daß ein Mieter, der Räume für geschäftliche Zwecke mietet, nicht berechtigt ist, diese Räume widmungswidrig zu verwenden, weshalb er auch nicht das Recht hat, sie als Wohnräume in einen anderen geschäftlichen Betrieb miteinzubeziehen. Da das Objekt Nr.1 nach wie vor als Wohnung verwendet wird, erübrigt sich diesbezüglich ein Eingehen auf die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Prüfung des Vorliegens des Kündigungsgrundes abzustellen ist. Bezüglich dieses Objektes hat sich nämlich die Situation zwischen der Einbringung der Kündigung und dem Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht entscheidend verändert. Das Objekt IV wurde zum Zeitpunkt der Einbringung der Kündigung und auch noch erhebliche Zeit danach auf eine Art verwendet, die mit der im Mietvertrag vereinbarten Verwendung nichts gemein hat. Die Revisionswerber können daher nicht ernsthaft bestreiten, daß zum Zeitpunkt der Aufkündigung der herangezogene Kündigungstatbetand erfüllt war. In Kündigungsstreitigkeiten ist jedoch die Zulässigkeit einer Aufkündigung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt ihrer Zustellung zu beurteilen. Nur ausnahmsweise kann etwa beim Wegfall des Kündigungsgrundes des Eigenbedarfes, von diesem Grundsatz abgegangen werden (Würth in Rummel Rz 5 zu § 33 MRG, MietSlg. 35.388, 28.395 u. .e. Insbesondere dort, wo nach dem Gesetz Entwicklungsprognosen zu stellen sind, wird der Entwicklung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz Rechnung getragen werden müssen. Verwendet jedoch ein Mieter die Bestandräumlichkeiten zu einem anderen als dem vereinbarten geschäftlichen Zweck, so ist hiefür der Zeitpunkt der Aufkündigung maßgebend. Nur zur Beurteilung des Mangels eines schutzwürdigen Interesses ist auch die Sachlage heranzuziehen, wie sie sich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergeben hat, soferne die Entwicklung Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Kündigungsgrund schon im Zeitpunkt der Aufkündigung gegeben war (6 Ob 661/87). Die Tatsache, daß die Nebenintervenientin unter dem Druck der Aufkündigung im Objekt IV nunmehr eine Tätigkeit entwickelt, die angeblich der im Mietvertrag vereinbarten geschäftlichen Tätigkeit entsprechen soll, läßt keinesfalls Rückschlüsse auf das Bestehen eines schutzwürdigen Interesses zum Zeitpunkt der Aufkündigung zu. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen auf die Entwicklung seit der Aufkündigung nicht Bedacht genommen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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