OGH 7Ob551/87

OGH7Ob551/8716.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P***, Angestellter, Bleiburg, Penk 64, vertreten durch Dr.Ulrich Polley und Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Richard T***, Alfa-Romeo-Fahrzeughandel, Klagenfurt, Waidmannsdorferstraße 195, vertreten durch Dr.Günther Schnitzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Herausgabe (Streitwert S 45.000,--) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5.Dezember 1986, GZ 5 R 178/86-10, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26.August 1986, 26 Cg 215/86-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Kläger kaufte am 15.Mai 1984 von Hans S***, Alfa-Romeo-Autohändler und Inhaber einer Vertragswerkstätte in Bleiburg, einen PKW der Marke Alfa-Romeo, und zwar einen Vorführwagen. Er bezahlte hiefür am 18.Mai 1984 S 108.000,-- und gab einen PKW BMW in Zahlung.

Ende März 1986 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß dieses Fahrzeug auf Grund eines mit Hans S*** vereinbarten Eigentumsvorbehaltes nach wie vor im Eigentum des Beklagten stehe. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Herausgabe des Typenscheins des gekauften PKW's und bringt vor, er habe den PKW gutgläubig von einem befugten Gewerbsmann gekauft und daher Eigentum erworben. Der Kläger habe bei Vertragsabschluß Einsicht in den Typenschein verlangt, sei jedoch von Hans S*** damit vertröstet worden, daß der Typenschein verlegt sei. Trotz mehrfacher Urgenzen habe der Kläger die Urkunde in der Folge nicht erhalten. Der erworbene PKW sei praktisch neuwertig gewesen. Er habe einen Kilometerstand von

1.450 aufgewiesen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, dem Kläger komme guter Glaube nicht zu, da er zumindest leicht fahrlässig gehandelt habe. Der Kläger hätte von Hans S*** die Ausfolgung des Typenscheins begehren müssen. Es bestehe nach wie vor Eigentumsvorbehalt am Kaufgegenstand für den Beklagten. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß das dem Kläger verkaufte Fahrzeug nicht Eigentum des Hans S*** gewesen sei, weshalb Hans S*** dem Kläger bei Kaufvertragsabschluß den Typenschein nicht habe vorlegen können. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß der Kläger Eigentum iS des § 367 ABGB nicht erworben habe, da er nicht gutgläubig gewesen sei. Der Kläger hätte sich durch Einblick in den Typenschein von den Eigentumsverhältnissen überzeugen müssen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Zwar gehe die Rechtsprechung im Hinblick auf die zahlreichen Diebstähle, die täglich im In- und Ausland begangen würden, davon aus, daß sich Käufer von Gebrauchtwagen durch Einblick in den Typenschein über die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an dem Kraftfahrzeug überzeugen müssen, und daß der Käufer ohne Übergabe des Typenscheines nicht redlich handle. Nach den Behauptungen des Klägers handle es sich aber bei dem von ihm gekauften PKW um einen in einem Unternehmen, das sich mit dem Handel und der Reparatur der betreffenden Automarke befasse, angemeldeten und als Vorführwagen verwendeten PKW mit geringer Kilometerleistung. Das Erstgericht habe weder zum subjektiven Moment des Wissens des Klägers noch über die objektive Lage iS des § 368 ABGB Feststellungen getroffen, obwohl sich der vorliegende Sachverhalt von jenen Umständen sehr wesentlich unterscheide, die Gegenstand der angeführten Judikatur gewesen seien. Das Erstgericht werde Feststellungen hiezu nachzutragen haben. Der Rechtskraftvorbehalt sei auszusprechen gewesen, weil der Sachverhalt auch anders rechtlich beurteilt werden könne.

Der Beklagte bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt, ihn dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, der Kläger habe an dem PKW nicht gutgläubig Eigentum erwerben können, weil er nicht in den Typenschein Einsicht genommen habe und sich diesen nicht habe ausfolgen lassen.

Ob der Kläger Eigentum gutgläubig erwerben konnte, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache des Käufers eines Kraftwagens, sich durch Einsichtnahme in den Kraftfahrzeugbrief - Typenschein - von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers zu überzeugen (EvBl 1967/82 ua.). An die Erkundigungspflicht des Käufers sind besonders strenge Anforderungen dann zu stellen, wenn es sich um einen Gebrauchtwagen handelt, weil hier Diebstähle besonders häufig vorkommen (SZ 34/197). Immer aber ist es nach dem Einzelfall zu prüfen, ob die nach den besonderen Umständen erforderliche Sorgfalt verletzt wurde (7 Ob 562/82). Auch bei Anwendung eines strengen Maßstabes kann deshalb die Gutgläubigkeit des Käufers eines fabriksneuen Fahrzeuges, der einem autorisierten Händler den Kaufpreis bar bezahlt hat - auch wenn für einen Teil des Kaufpreises ein gebrauchter PKW des Käufers an Zahlungs statt gegeben wird - nicht allein aus dem Grunde verneint werden, weil er sich den Typenschein nicht vorweisen ließ. Dies gilt auch für einen vom Kfz-Händler benützten Vorführwagen. Denn bei einem Vorführwagen handelt es sich nicht um den Gebrauchtwagen eines Dritten, so daß bei dessen Erwerb die Rechtsgrundsätze für den Kauf eines Neuwagens anzuwenden sind (6 Ob 517/81, 7 Ob 562/82). Der Umstand, daß der Kläger nach seinen Behauptungen den PKW von einem Händler der betreffenden Fahrzeugtype als Vorführwagen mit einem ganz geringen Kilometerstand - so daß das Fahrzeug praktisch neuwertig war - gegen Barzahlung erworben hat, wobei ihm die Ausfolgung des Typenscheins erst für die "nächsten Tage" mit der Begründung zugesagt worden sei, er sei verlegt worden, ist vom Erstgericht nicht geprüft worden. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht dem Erstgericht eine nähere Klärung des Sachverhalts aufgetragen.

Der Rekurs des Beklagten erweist sich damit als unbegründet, so daß ihm ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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