OGH 7Ob549/92

OGH7Ob549/9221.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Hannelore F*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, wider den Gegner der gefährdeten Partei Walter F*****, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wegen vorläufiger Unterhaltsleistung (Streitwert S 360.000), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1992, GZ R 115/92-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 2. Dezember 1991, GZ 1 C 74/91-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, die Entscheidung des Rekursgerichtes aufgehoben und diesem eine neue Entscheidung aufgetragen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen. Die Rekurskosten des Beklagten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde vom Bezirksgericht Eferding mit noch nicht rechtskräftigem Urteil aus dem überwiegenden Verschulden des Gegners der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter) geschieden. Dieser erhob nur gegen den Verschuldensausspruch Berufung und begehrte die Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden der gefährdeten Partei (im folgenden Klägerin). Das Berufungsverfahren ist noch anhängig. Die Klägerin ist seit Februar 1989 arbeitslos. Ihr Antrag auf Gewährung einer Frühpension wurde abgewiesen, sie kann noch leichte und schwere Arbeiten verrichten. Sie bezog (bis 17. März 1992) eine monatliche Notstandshilfe von S 7.200,--. Sonst verfügt sie über kein Einkommen. Ihre monatlichen Wohnkosten betragen S 2.360,--. Den Beklagten treffen neben der geltend gemachten Unterhaltsverpflichtung keine weiteren Sorgepflichten.

Der Beklagte ist Geschäftsführer der am 10. März 1987 gegründeten Firma Gerätetechnik F***** GesmbH. Gesellschafter sind sein Bruder, seine Tochter und der frühere Mitarbeiter Ing. G*****. Der Beklagte ist dort nur für 10 Stunden pro Woche gemeldet, arbeitet aber mehr. Laut Auskunft dieser Firma bezieht er incl. der Sonderzahlungen und des Naturalbezuges für einen PKW, der mit monatlich S 2.137,-- bewertet wird, ein monatliches Nettoeinkommen von S 6.283,24. In diesem Betrag sind aber nicht die Spesen und Taggelder für die Außentätigkeit des Beklagten enthalten. Der Beklagte ist über 5 Tage im Monat auswärts tätig. Die GesmbH bezahlt ihm auch die Miete und Betriebskosten für eine Wohnung in Marchtrenk. Der Beklagte wohnt allerdings bei seiner Lebensgefährtin in Linz. Er hat bei seinem Bruder Schulden in der Höhe von S 250.000,-- sowie bei der Raiffeisenkasse Marchtrenk im Zusammenhang mit der Finanzierung des Zwangsausgleiches über seine frühere Firma in Höhe von S 350.000,--, wofür auch die nunmehrige GesmbH als Bürgin haftet. Der Geschäftsgang der nunmehrigen GesmbH ist besser als in den Vorjahren, sie beschäftigt 20 Mitarbeiter.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten mit ihrer nach der Scheidung eingebrachten Klage einen monatlichen Unterhalt von S 10.000,-- ab 1. November 1991 und verband damit das vorliegende gleichlautende Provisorialbegehren. Der Beklagte beziehe als Geschäftsführer ein monatliches Nettoeinkommen von S 30.000,--.

Der Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus und brachte vor, daß die Klägerin monatlich S 5.000,-- an Sozialhilfe beziehe sowie 1991 S 168.000,-- aus Mitteln des Insolvenzausgleichsfonds erhalten habe. Der Beklagte verfüge nur über ein monatliches Bruttoeinkommen von S 7.000,--. Darüber hinaus erhalte er Reisespesen, er sei aber mit Schulden belastet.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 5.000,-- an die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Unterhaltsverfahrens und wies ihr Mehrbegehren ab. Es ging davon aus, daß der Beklagte sein wahres Einkommen verheimliche und daß er in Wirklichkeit mindestens das Vierfache des von ihm angegebenen Grundgehaltes, sohin monatlich S 25.000,-- unter Hinzurechnung der Verdienste aus den Außendiensten sohin monatlich S 30.000 verdiene. Sollte dies nicht der Fall sein, so wäre er auf ein erzielbares Einkommen in dieser Höhe anzuspannen. Stelle man dieses Einkommen des Beklagten jenem der Klägerin mit monatlich S 7.200,-- gegenüber, so ergebe sich auch unter Anwendung der Billigkeitsgrundsätze des § 68 EheG ein Unterhaltsanspruch der Klägerin in der Höhe von monatlich S 5.000,--.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen die Abweisung ihres Unterhaltsmehrbegehrens nicht Folge, wohl aber dem Rekurs des Beklagten und wies den Provisorialantrag der Klägerin zur Gänze ab. Es ließ den Revisionsrekurs zu. Es vertrat die Auffassung, daß bei einer Scheidung (dem Grunde nach) bei noch anhängiger Berufung über das Verschuldensausmaß kein auf § 66 EheG gestütztes Unterhaltsbegehren erlaubt sei. Einem Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG stehe die von der Klägerin bezogene Notstandshilfe von monatlich S 7.200,-- entgegen, mit der sie eine bescheidene Lebensführung finanzieren könne, mehr sehe § 68 EheG nicht vor.

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Scheidungsstreit zwischen den Streitteilen ist nur die Frage der allfälligen Gewichtung des Verschuldens der Klägerin zu klären. Hat, wie hier, der beklagte Ehemann den Ausspruch der Scheidung, der auch sein Verschulden voraussetzt, das seinen Behauptungen nach aber nur geringergradiger auszumitteln ist, nicht bekämpft, so ist das Urteil insoweit in Rechtskraft erwachsen. Ob dem klagenden Ehegatten, über dessen allfälliges Mitverschulden und dessen Gewichtung noch nicht abgesprochen ist, nach Rechtskraft des die Scheidung aus einem Verschulden des beklagten Ehegatten aussprechenden Urteiles für die Zeit ab Eintritt der Teilrechtskraft bis zur endgültigen Entscheidung über die Verschuldensfrage ein Unterhaltsanspruch zusteht und allenfalls nach welcher gesetzlicher Vorschrift, ist gesetzlich nicht geregelt. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, daß ein Ehegatte in einem solchen Fall jedenfalls einen provisorischen Unterhalt nach § 382 Z 8 lit. a EO begehren kann. Nach neuerer Rechtsprechung sind mit der partiellen Rechtskraft des die Scheidung aus einem Verschulden eines Ehegatten aussprechenden Urteils die beiderseitigen Rechte und Pflichten erloschen. Auch ein Unterhalt kann daher von diesem Zeitpunkt an nicht mehr nach den für die aufrechte Ehe geltenden gesetzlichen Bestimmungen verlangt werden. Es sind vielmehr die Bestimmungen der §§ 66 bis 68 EheG heranzuziehen. Angesichts des aber noch fehlenden abschließenden Verschuldensausspruches sind die anspruchsbegründenden Voraussetzungen im Rahmen des Provisorialverfahrens glaubhaft zu machen, wobei es genügt, daß die Scheidung der Ehe auch aus dem Verschulden des als unterhaltspflichtig in Anspruch genommenen Beklagten erfolgt ist (vgl. SZ 61/242 mwN). Ein auf die bezeichnete Art geschiedener Ehegatte hat einen provisorischen Unterhaltsanspruch, der nur mit einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden kann. Liegt ein (Teil-)Urteil von der Art des gegenständlichen vor, dann muß dies bei Bestimmung des vorläufigen Unterhalts gemäß § 382 Z 8a EO genügen, um die Bestimmung des § 66 EheG zugrundezulegen (vgl. JBl. 1984, 200).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes liegt daher kein von dem den Entscheidungen JBl. 1984, 198 sowie SZ 61/242 abweichender Sachverhalt vor. Das Rekursgericht hat es aber, ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht, unterlassen, die weiteren von den Streitteilen geltend gemachten Rechtsmittelgründe zu behandeln. Zunächst wäre der Klägerin beizupflichten, daß die Unterhaltspflicht des beklagten Ehegatten dem Anspruch der Klägerin auf Bezug einer Notstandshilfe vorgeht. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 33 Abs 2 lit. c AlVG (vgl. 4 Ob 522/88 = EFSlg. 57.259).

Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren auch über die Rüge des Beklagten, bei der Unterhaltsbemessung sei eine größere Geldzuwendung aus den Mitteln des Insolvenzausgleichsfonds an die Klägerin unberücksichtigt geblieben, ebenso abzusprechen haben wie über die weiteren Einwände zum Einkommen des Beklagten. Das Erstgericht hat in erster Linie das Einkommen des Beklagten nach § 273 ZPO geschätzt und erst in zweiter Linie im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt, auch wenn dieser nicht über dieses Einkommen verfüge, sei er auf einen Bezug in dieser Höhe anzuspannen. Das Rekursgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren über die Rüge gegen die der Einschätzung zugrundeliegende Beweiswürdigung des Erstgerichtes abzusprechen haben. Das Exekutions- hier im besonderen das Provisorialverfahren unterliegt nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht dem Unmittelbarkeitsgrundsatz. Das Rekursgericht ist daher in dieser Verfahrensart nicht an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes gebunden (vgl. MGA EO13 § 389/92). Dem Rekurs der Klägerin war daher Folge zu geben und das Verfahren in die Rekursinstanz aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO iVm § 393 EO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte