OGH 7Ob546/84

OGH7Ob546/845.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Klaus O*****, und 2. Peter W*****, vertreten durch Dr. Peter Knirsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 624.812,91 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Jänner 1984, GZ 3 R 227/83‑13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. September 1983, GZ 19 Cg 12/83‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00546.840.0405.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 16.720 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 1.410,91 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger hatten von der I***** Magazin Verlag Gesellschaft mbH in der Bundesrepublik Deutschland den Auftrag zur Herstellung der deutschsprachigen Ausgabe einer Monatszeitschrift. Zur Deckung der Kosten war ein Akkreditiv der National P***** über 100.000 US‑Dollar bereitgestellt worden. Mit dem Druck beauftragten die Kläger die Beklagte. Da nach dem Druck mehrerer Nummern das erstellte Akkreditiv zur Deckung der Kosten nicht mehr ausreichte, kam es am 5. 6. 1981 zwischen den Streitteilen zu einem Übereinkommen, demzufolge die Beklagte dem deutschen Verlag gegenüber als Auftragnehmer auftreten sollte, die Beklagte die Gesamtherstellungskosten, unter Einschluss des Entgelts der Leistungen der Kläger, dem deutschen Verlag in Rechnung zu stellen hatte und die Kläger ihre für die Herstellung der Zeitschrift erbrachten Leistungen der Beklagten in Rechnung stellen sollten. In Durchführung dieser Vereinbarung stornierte die Beklagte ihre bisher den Klägern gelegten Rechnungen und legte dem deutschen Verlag unmittelbar Rechnung unter Einschluss der von den Klägern erbrachten Leistungen. Schon vor Abschluss dieser Vereinbarung hatte die Beklagte an die Ö***** AG den Antrag gestellt, die Garantie für die Herstellung des Magazins zu übernehmen. In diesem Antrag war bereits auf das zur Sicherung erstellte Akkreditiv verwiesen worden, obwohl die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Anspruch auf dieses Akkreditiv hatte. Erst in der Folge übertrugen die Kläger das Akkreditiv auf die Beklagte. Diese erhielt erst erheblich später Zahlung aufgrund des Akkreditivs, doch deckte die Zahlung die Kosten bei weitem nicht.

Die Übernahme der Garantie durch die Ö***** AG erfolgte unter Zugrundelegung ihrer Geschäftsbedingungen, denen zufolge der Bund Haftungen im Sinne des Ausfuhrförderungsgesetzes übernimmt, und die Ö***** AG ermächtigt ist, namens des Bundes alle Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, die sich aus der Übernahme der Haftung ergeben. Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen garantiert der Bund bis zu dem in seiner Garantieerklärung festgesetzten Betrag die Erfüllung der Verpflichtungen des ausländischen Vertragspartners aus Rechtsgeschäften in der Höhe, die der Garantienehmer dem Bund bekanntgegeben hat. Nach Z 2 der Geschäftsbedingungen garantiert der Bund bis zu dem in der Garantieerklärung festgelegten Betrag die Erfüllung der Verpflichtungen des ausländischen Vertragspartners aus Exportverträgen in der Höhe, die der Garantienehmer dem Bund bekanntgegeben hat.

Schon vor der Übernahme der erwähnten Garantie schlossen die Streitteile eine Vereinbarung über die Haftung der Beklagten für das Entgelt für die Arbeiten der Kläger. Die Beklagte ging dabei von der Vorstellung aus, dass sie das Risiko für die Herstellung und den Druck der Zeitschrift tragen wolle, die Kläger sollten das Risiko für ihre Leistungen tragen. Die Beklagte richtete dementsprechend am 10. 6. 1981 ein Schreiben an die Kläger, dessen Abs 6 lautet: „Für die Bezahlung Ihrer zukünftigen Rechnungen betreffend Ihre Leistungen am I*****‑Magazin Nr 7 werden wir vereinbarungsgemäß den Zahlungseingang seitens Deutschland berücksichtigen. Sollte I*****‑Deutschland aus irgendwelchen Gründen nicht bezahlen oder gar zahlungsunfähig werden, übernehmen wir für die von Ihnen an uns gelegten Rechnungen keinerlei Haftung. Wir wollen ausdrücklich festhalten, dass wir Ihre Rechnungen erst nach Zahlungseingang seitens I*****‑Deutschland anerkennen können“.

Die Kläger unterfertigten die ihnen übersandte Kopie des vorgenannten Schreibens und fügten auf dessen Rückseite folgende Erklärung an: „Ganz in unserem Sinne und gemäß unserer Absprache sind die auf der Vorderseite fixierten Punkte. Lediglich zu Abs 6 erlauben wir uns eine Präzisierung. Wir bitten Sie, die Rechnungen, die wir an Sie stellen, auf alle Fälle von der Richtigkeit her anzuerkennen. Dass die Zahlung der Rechnung erst erfolgen kann, wenn I***** bezahlt hat, bedarf keiner Erwähnung mehr.“

In der Folge trat Insolvenz der I*****‑Deutschland Gesellschaft mbH ein, weshalb die Ö***** AG in Erfüllung ihrer Garantieverpflichtung 1.923.267,60 S an die Beklagte überwies.

Die Kläger verlangen nach einer im Berufungsverfahrens erfolgten Klagseinschränkung 624.812,91 S sA, das ist ein Drittel des von der Kontrollbank AG an die Beklagte überwiesenen Betrags abzüglich eines Drittels der von der Beklagten für die Erlangung der Garantie aufgewendeten Kosten.

Die Beklagte bestritt zwar nicht die Höhe des begehrten Betrags, beantragte aber die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, sie habe den Klägern nur ein Drittel jener Eingänge zu zahlen, die aus Deutschland kommen.

Die Untergerichte haben dem Klagebegehren stattgegeben.

Die von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Z 2 ZPO ist nur dann gegeben, wenn bei der Sammlung des Prozessstoffes ein Verfahrensgesetz verletzt wurde und diese Gesetzesverletzung geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern (7 Ob 684/82, 7 Ob 684/77 ua). Eine unzureichende rechtliche Erörterung des festgestellten Sachverhalts bildet keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (6 Ob 790/78).

Die Beklagte rügt in der Revision lediglich, dass sich das Berufungsgericht nicht mit rechtlichen Erörterungen in der Berufung auseinandergesetzt habe. Im Übrigen sind auch die in der Berufung unter den Gründen unrichtige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung gemachten Ausführungen nur der Rechtsrüge zuzuordnen, weil in Wahrheit nicht Tatsachenfeststellungen, sondern aufgrund der getroffenen Feststellungen angestellte rechtliche Erwägungen bekämpft wurden.

In rechtlicher Hinsicht kann unerörtert bleiben, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Qualifizierung des Rechtsverhältnisses zwischen den Streitteilen als Gesellschaftsvertrag richtig ist oder nicht. Strittig ist lediglich die Auslegung des dem Wortlaut nach feststehenden Abs 6 der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung, wobei davon auszugehen ist, dass über den Urkundeninhalt hinaus keinerlei Beweismittel für die Auslegung des Parteiwillens heranzuziehen sind. Die Auslegung dieses Vertragspunkts ist daher eine Sache der rechtlichen Beurteilung. Für diese rechtliche Beurteilung spielt aber die Bezeichnung des Vertrags und dessen Einordnung unter eine gesetzliche Type keine Rolle, weil im Allgemeinen im Hinblick auf die im österreichischen Recht geltende Vertragsfreiheit ungeachtet des gewählten Vertragstypus einzelne Vertragsbestimmungen eine spezielle Auslegung für den Einzelfall erfahren können.

Geht man vom festgestellten Sachverhalt aus, kann der strittige Vertragspunkt nur im Sinne des klägerischen Standpunkts ausgelegt werden. Nach § 914 ABGB ist nämlich bei der Auslegung von Verträgen auf die Grundsätze des redlichen Verkehrs Bedacht zu nehmen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung eines Ausdrucks ist dieser so zu verstehen, wie ihn der Empfänger der Erklärung verstehen musste (RZ 1966, 148, MietSlg 30.125 ua). Nach dem Wortlaut des von der Beklagten an die Kläger gerichteten Schreibens vom 10. 6. 1981 (Beilage ./2), das die Grundlage für das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen bildete, hatte die Beklagte an die Kläger Zahlung nur nach Maßgabe des Zahlungseingangs seitens ihrer deutschen Auftraggeberin zu leisten. Tatsächlich hat sie aufgrund der von der Ö***** AG übernommenen Garantie Zahlung von dieser Institution erhalten. Nun steht aber fest, dass die Garantie für die Verpflichtungen des ausländischen Vertragspartners der Beklagten übernommen worden ist. Demnach müssen aufgrund der Garantie geleistete Zahlungen solchen des ausländischen Partners der Beklagten gleichgehalten werden. Ein unbefangener Leser des Schreibens der Beklagten an die Kläger vom 10. 6. 1981 kann dessen Abs 6 nicht dahin verstehen, dass der Ausdruck „Zahlungseingang seitens Deutschland ...“ rein geographisch gemeint war. Vielmehr musste er der Meinung sein, dass darunter jeder Zahlungseingang für den ausländischen Partner zu verstehen war. Andernfalls käme man zu dem unhaltbaren Ergebnis, dass die Beklagte Zahlungen an die Kläger auch dann nicht zu leisten gehabt hätte, wenn sich ihr ausländischer Partner zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines inländischen Instituts (etwa durch Hingabe einer Bankgarantie) bedient hätte. Die Zahlung der Ö***** AG zur teilweisen Abdeckung der Verpflichtungen des ausländischen Partners der Beklagten an diese kann aber gar nicht anders gewertet werden, als die Zahlung einer inländischen Institution im Auftrage des ausländischen Partners. Demnach war die strittige Vertragsbestimmung nur dahin auszulegen, dass die Zahlung durch die Ö***** AG die Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber den Klägern auslöste. Ein Vorbringen dahin, dass irgend welche zusätzliche Umstände eine andere Auslegung zwischen den Parteien ermöglicht hätten, wurde von der Beklagten nicht erstattet. Diese hat vielmehr ausdrücklich auf den bloßen Wortlaut ihres Schreibens verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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