Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.094,- (darin S 849,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit notariellem Übergabsvertrag vom 14. Juni 1975 wurde der
Beklagten und ihrem noch 1975 verstorbenen Ehegatten die
Dienstbarkeit der Wohnung an der EZ 3 KG B***** mit dem Haus
B***** wie folgt eingeräumt: "Die Übergeber .... bedingen sich
auf Lebensdauer zur ungeteilten Hand, also ungeschmälert auch
nach dem Ableben eines Teiles von ihnen, folgendes, am Tag der
Übergabe beginnendes Ausgedinge aus, und zwar: .... c) Zum
Wohnen, Benützen und Gebrauch in den vertragsgegenständlichen
Wohn- und Wirtschaftsgebäuden .... d) An Rechten: .... den
uneingeschränkten Empfang von Besuchern und deren gelegentliche
Nächtigung, ihre Kinder samt Familie auch auf mehrere Wochen;
e) .... Bei Bedarf die Wartung und Pflege, wozu dann insbesondere
das Zubereiten der Speisen, das Reinigen und Instandhalten der
Kleidung, das Waschen, Bügeln und Flicken der Wäsche und das
Reinemachen und Zusammenräumen der Wohnräume gehört, mit der
Berechtigung, falls diese Wartung und Pflege in den ausbedungenen
Räumen aber nicht richtig oder überhaupt nicht erbracht wird, auf
Kosten der Übernehmer bzw deren Rechtsnachfolger eine Pflegerin,
Wäscherin oder Bedienerin, je nach Bedarf aufzunehmen". Die
Klägerin, die Schwiegertochter der Beklagten, erwarb in dem gegen
ihren Ehegatten geführten Zwangsversteigerungsverfahren zu
E 5010/88 des Bezirksgerichtes Z***** die genannte Liegenschaft
am 11. Juli 1989 durch Zuschlag. Die Beklagte bewohnt die vom
Wohnungsrecht umfaßten Räume seit 1976 gemeinsam mit ihrem
Lebensgefährten Johann G*****. Die Beklagte konnte im Zeitpunkt
des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung auf Grund ihres
schlechten Gesundheitszustandes nur mehr leichteste Hausarbeiten
verrichten, mit von jemandem anderen herbeigebrachten
Nahrungsmitteln kochen, kleine Wäsche waschen und die
Körperpflege verrichten. Schwere Hausarbeiten sind ihr nicht mehr
möglich, sie kann auch keine längeren Wegstrecken, zB zum
Einkaufen, zurücklegen. Auch Johann G***** ist in keinem guten
körperlichen Zustand und kann der Beklagten nur bei leichten
Handgriffen helfen. Er erledigt für sie Telefonate, kocht für sie
Tee, bringt ihr Medikamente und reinigt sie, wenn sie bettlägrig
ist. Er ist der Beklagten als Lebensgefährte ein wichtiger
psychischer Beistand.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die Gestattung eines weiteren Bewohnens des Hauses durch Johann G***** zu unterlassen. Das ständige Wohnen Johann G***** sei eine unzulässige Ausdehnung des ihr eingeräumten Wohnrechtes. G***** sei der Lebensgefährte der Klägerin und keine Pflegeperson, sondern bedürfe selbst der Pflege.
Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung; sie gestand zu, mit G***** seit 1976 in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zu leben. Weder ihr Sohn noch die Klägerin seien der im Übergabsvertrag vorgesehenen Wartung und Pflege ihrer Person nachgekommen; diese besorge ihr Lebensgefährte, soweit es ihm zumutbar sei. Sie bedürfe der ständigen Pflege und Betreuung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe G***** bei sich als Lebensgefährten aufgenommen, als sie noch nicht pflegebedürftig gewesen sei; G***** sei auf Grund seines eigenen schlechten Gesundheitszustandes für ihre Pflege ungeeignet. Der geltend gemachte Bedarf nach einer Pflegeperson sei nur eine Schutzbehauptung für die Aufnahme eines Lebensgefährten. Die Klägerin müsse die sich aus den Versteigerungsbedingungen nicht ersichtliche Ausweitung der Dienstbarkeit durch den Dienstbarkeitsberechtigten in Form der Aufnahme eines Lebensgefährten nicht dulden.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinne ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und erklärte die Revision für zulässig. Nach dem Übergabsvertrag sei der Beklagten und ihrem damals noch lebenden Ehegatten ein Wohnungsgebrauchsrecht im Sinne des § 521 erster Fall ABGB zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses nach den üblichen Verhältnissen eingeräumt worden. Dazu zähle aber nach der heutigen Lebensauffassung auch das Recht des nunmehr verwitweten Teiles, einen Lebensgefährten in die Wohnung aufzunehmen. Es liege keine unzulässige Ausweitung der Servitut vor.
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Frage, ob derjenige, dem ein dingliches Wohnungsrecht
zusteht, einen Lebensgefährten in die Wohnung aufnehmen darf,
wurde von der Judikatur bisher nicht generell beantwortet. Danach
sei insbesondere die Absicht der Parteien entscheidend. Hatten
die Parteien offenbar die Möglichkeit, der Berechtigte werde eine
Lebensgemeinschaft eingehen, nicht bedacht, könne die Erforschung
des Parteiwillens zu diesem Thema zu keiner Lösung führen. Neben
dem Wortlaut der Vereinbarung komme aber auch dem Zweck des
Übergabsvertrages und der vorgesehenen Einräumung von
Wohnungsrechten wesentliche Bedeutung zu. Bei Einräumung eines
Ausgedinges aus Anlaß der Liegenschaftsübergabe an ein Kind sei
grundsätzlich der Schluß zulässig, daß im Übergabszeitpunkt ein
gutes Einvernehmen herrschte und daß den Übergebern mit dem
Ausgedinge eine Wohnmöglichkeit geschaffen werden sollte, die ihnen eine Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses auf die Art ermögliche, wie es den üblichen Verhältnissen entspreche. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, einen Ehegatten oder Lebensgefährten in die Ausgedingswohnung aufzunehmen (vgl zuletzt
MietSlg 36.038 = EFSlg 45.948, 45.949 mwN). Dieser Rechtsansicht tritt der erkennende Senat in der Hauptsache bei. Die in der vorzitierten Entscheidung gemachte Einschränkung, die Aufnahme eines Lebensgefährten in die Ausgedingswohnung sei nur auf Grund der Umstände des besonderen Einzelfalles berechtigt, ist jedoch derart zu modifizieren, daß ein solches Recht grundsätzlich besteht, wenn nicht berechtigte Umstände gegen die Person des Lebensgefährten bestehen oder wenn sich aus dem Vertrag (Parteienabsicht) nicht eindeutig ergibt, daß aus besonderen Gründen ausnahmsweise die Aufnahme eines Lebensgefährten ausgeschlossen werden sollte. Der Gesetzgeber hat nämlich in den letzten Jahren weitgehende Angleichungen der Stellung des Lebensgefährten an die des Ehegatten vorgenommen. Es ist daher der Schluß gerechtfertigt, daß es sich bei der Berechtigung eine Lebensgemeinschaft einzugehen um ein Persönlichkeitsrecht des Berechtigten handelt. Dies führt aber im allgemeinen dazu, daß die Aufnahme eines Lebensgefährten in die Ausgedingswohnung nur dann ausgeschlossen werden kann, wenn die Parteienabsicht feststeht, die Wohnung nur solange zu belassen, als der Berechtigte ohne Dauergefährten (Ehegatten oder Lebensgefährten) bleibt (vgl WoBl 1989/249). Natürlich gilt das Recht des Ausgedingsberechtigten, eine Person in die Ausgedingswohnung aufzunehmen, nicht für nur scheinbare Lebensgefährten, also wenn nur eine flüchtige Bekanntschaft vorliegt, und zu vermuten ist, daß einer Person mit der Möglichkeit des Wohnens nur eine Gefälligkeit gewährt werden soll. Damit würde tatsächlich eine unzulässige Ausweitung des Wohnrechtes gegenüber dem Eigentümer geschaffen werden. Da im vorliegenden Fall Johann G***** seit vielen Jahren unbestrittenermaßen Lebensgefährte der Beklagten ist, treffen diese Überlegungen auf ihn nicht zu. Gegen seine Person wurde nichts vorgebracht. Daß nach dem Parteiwillen die Aufnahme eines Lebenspartners nicht ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich hier schon aus dem Umstand, daß die Wohnung ursprüngich einem Ehepaar überlassen worden war.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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