Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 13.1.1971 geborene Alexander B*** entstammt der Ehe des Dipl.Ing.Peter Otto B*** mit Susanne B***. Die Eltern leben seit 20.12.1984 ständig getrennt.
Das Erstgericht hat das Recht und die Pflicht, den Minderjährigen zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und ihn zu vertreten, der Mutter übertragen und dem Vater ein zeitlich bestimmtes Besuchsrecht eingeräumt. In seiner Begründung führte es aus, eine Beschränkung des Besuchsrechtes dahin, daß dem Vater verboten werde, den Minderjährigen zu Veranstaltungen der "Zeugen Jehovas" mitzunehmen, sei nicht gerechtfertigt, weil die Zielsetzungen dieser Religionsgemeinschaft weder gegen ein Gesetz noch gegen die guten Sitten verstoßen. Konkrete Umstände gravierender Natur für die Ablehnung der Mutter seien nicht vorgebracht worden. Es bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, daß durch den Besuch von Versammlungen der genannten Glaubensgemeinschaft das Wohl des Minderjährigen gefährdet werden könnte.
Das Rekursgericht hat, dem Antrag der Mutter entsprechend, dem Vater untersagt, bei Ausübung des Besuchsrechtes den Minderjährigen zu religiösen Veranstaltungen der "Zeugen Jehovas" mitzunehmen. Diese Entscheidung begründete es damit, daß sich der Minderjährige gegen den Besuch derartiger Veranstaltungen ausgesprochen hat. Darüber hinaus wäre es ein Eingriff in das Erziehungsrecht der Mutter, dem Vater gegen ihren Willen zu gestatten, den Minderjährigen zu Veranstaltungen mitzunehmen, von denen die Mutter einen negativen Einfluß auf den Minderjährigen befürchtet. Die Bekenntnisfreiheit des Minderjährigen schließe in sich noch nicht das Recht, gegen den Willen des Erziehungsberechtigten etwa an einem einwöchigen Kongreß der Zeugen Jehovas teilzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Vater gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Auszugehen ist davon, daß gemäß § 5 des Bundesgesetzes über die religiöse Kindererziehung 1985 BGBl. Nr.1955 dem Kind nach der Vollendung des 14.Lebensjahres die Entscheidung darüber zusteht, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Demnach hat das Kind mit Erreichung dieses Alters die Religionsmündigkeit erlangt. Bei religionsmündigen Kindern gibt es in der Religionsfrage keine gesetzliche Vertretung mehr (Pichler in Rummel, Rdz 7 zu den §§ 154, 154 a ABGB). Vielmehr können diese Kinder allein bestimmen, welchen religiösen Anschauungen sie anhängen. Dies führt aber notwendig dazu, daß es bei ihnen liegt, inwieweit sie religiöse Veranstaltungen besuchen wollen und welcher Religionsgemeinschaft sie diesbezüglich den Vorzug geben. Demnach kann der eine Elternteil nicht verlangen, daß der Minderjährige bestimmte religiöse Veranstaltungen besucht. Ein solches Verlangen, bestimmte religiöse Veranstaltungen zu besuchen, würde in Wahrheit eine § 5 des genannten Gesetzes widersprechende Bestimmung des Minderjährigen zu einem bestimmten religiösen Verhalten darstellen. Ob der Minderjährige religiöse Veranstaltungen besuchen will oder nicht, ist im Falle seiner Religionsmündigkeit ausschließlich seine Sache. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Minderjährige nach den getroffenen Feststellungen den Besuch von Veranstaltungen der Zeugen Jehovas nicht wünscht. Ein Versuch des Vaters, ihn zu derartigen Besuchen zu bestimmen, würde daher einen Eingriff in die Religionsmündigkeit des Minderjährigen bedeuten. Ein solcher Eingriff kann aber dem Vater untersagt werden, weil er durch seine Argumentation selbst zu erkennen gibt, daß er für sich das Recht zu einer dem Willen des Minderjährigen widersprechenden Einflußnahme für ein bestimmtes religiöses Bekenntnis in Anspruch nimmt. Im Ergebnis erweist sich sohin die Entscheidung des Rekursgerichtes als richtig.
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