European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00543.840.0322.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 15.741,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 1.321,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist unter anderem Eigentümerin von 114/895 Miteigentumsanteilen an der Liegenschaft EZ 1172 II KG ***** verbunden mit dem Wohnungseigentum an einer Wohnung im ersten Stock des Hauses *****, sowie 11/895, 10/895 und 4/895 Miteigentumsanteilen, verbunden mit dem Wohnungseigentum an drei Garagen. Auf diesen Miteigentumsanteilen ist das Vorkaufsrecht für die Ehegatten Viktor und Elisabeth E***** (Klägerin) einverleibt. Die Beklagte hat mit Elfriede R***** bezüglich der erwähnten Miteigentumsanteile einen Kaufvertrag abgeschlossen, dessen Inhalt von der Klägerin wiedergegeben wurde und dessen Punkt XI lautet: „Die mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages verbundenen Kosten und Gebühren, einschließlich der Grunderwerbssteuer, werden von der Käuferin als Auftraggeberin allein entrichtet.“ Punkt XIII lautet: „Die mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung und allen dazu erforderlichen Schritten, insbesondere zur Abgabe von Abgabenerklärungen, zur Empfangnahme von Gebührenbescheiden und Grundbuchsbeschlüssen, wird von den Vertragsteilen Herr Dr. Walter H***** … bevollmächtigt und beauftragt.“ Außerdem ist im Punkt VI festgehalten, dass die im Kaufvertrag genannte Wohnung an Frau Dr. Kristina R***** vermietet ist und die Käuferin diese wie bisher als Mieterin in der Eigentumswohnung belassen werde.
Mit Schreiben vom 5. 10. 1982 übermittelte der Beklagtenvertreter der Klägerin und ihrem Ehegatten je einen Kaufvertragsentwurf zur Ausübung des Vorkaufsrechts innerhalb von 30 Tagen. Der Gatte der Klägerin hat sein Vorkaufsrecht nicht ausgeübt. Die Klägerin teilte dem Beklagtenvertreter mit Einschreibbrief vom 2. 11. 1982 mit, dass sie das Vorkaufsrecht in Anspruch nehme, fügte diesem Schreiben jedoch den Zusatz bei: „Da Frau Dr. Kristina R***** nicht im Haus ***** gewohnt hat, bitte ich Frau Dr. Elfriede R***** die Wohnung ihrer Mutter zu räumen. Ich kaufe die Wohnung zu dem Zweck, um sie an eine Familie zu vergeben, die mir dafür behilflich ist, sich um meinen verhaltensgestörten Sohn zu kümmern.“ Am 3. 11. 1982 begab sich die Klägerin zum Beklagtenvertreter. Dieser erklärte ihr, sie habe den Kaufvertrag nicht zu den bekanntgegebenen Bedingungen angenommen, weil die Aufrechterhaltung des erwähnten Mietvertrags das Hauptmotiv des Ankaufs der Wohnung durch Dr. Elfriede R***** sei. Die Beklagte erklärte jedoch, dass sie dieses Mietrecht nicht anerkennen und einen Räumungsprozess bezüglich der Wohnung führen werde. Weiter weigerte sie sich, die Kosten Dris. H***** zu übernehmen. Auch diesbezüglich verwies die Dr. H***** darauf, dass diese Weigerung den Bestimmungen des Kaufvertrags widerspräche. Die Klägerin unterschrieb sohin den Kaufvertrag mit dem Zusatz: „Die Unkosten an Dr. H***** kann ich nicht übernehmen.“ Der Beklagtenvertreter wies die Klägerin nochmals darauf hin, dass sie mit der Unterfertigung des Kaufvertrags Dr. R***** als Mieterin anerkenne, doch erklärte die Klägerin, dies nicht zur Kenntnis zu nehmen, worauf Dr. H***** erwiderte, diesfalls könne er die Annahme des Vorkaufsrechts nicht entgegennehmen. In der Folge kam es beim Richter des Landesgerichts Innsbruck Dr. Groschup zu einem Vermittlungsgespräch, in dessen Verlauf die Beklagte wieder erklärte, die Kosten Dris. H***** nicht übernehmen zu können. Dieses Gespräch endete ohne Ergebnis.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, einen Kaufvertrag zu unterfertigen, der sich wörtlich mit dem ihr übermittelten Kaufvertrag mit Dr. R***** deckte, in dem allerdings Punkt XIII fehlt.
Während das Erstgericht dem Klagebegehren mit der Begründung stattgab, durch die Unterfertigung des Vertrags habe sich die Klägerin dessen Bestimmungen unterworfen und lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Lösung des Mietverhältnisses Dris. R***** anstreben werde, und bei Punkt XIII handle es sich um keine wesentliche Kaufvertragsbestimmung, wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteigt. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, sowohl bei der Vereinbarung bezüglich des Mietrechts als auch bei Punkt XIII handle es sich um Bestimmungen wesentlichen Inhalts. Es könne nicht nur die formelle Unterfertigung des Kaufvertrags durch die Beklagte in Betracht gezogen werden. Vielmehr stelle diese Unterfertigung mit dem sonstigen Verhalten der Beklagten eine Einheit dar. Aus diesem Verhalten ergebe sich aber eindeutig, dass die Beklagte nicht gewillt sei, dem Vertrag in den beiden genannten Punkten zu entsprechen. Demnach sei der Vertrag nicht vorbehaltslos angenommen worden, sodass nicht von einer wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts ausgegangen werden könne. Im Übrigen würde auch eine wirksame Annahme des Vertrags das Leistungsbegehren nicht rechtfertigen, weil durch diese Annahme bereits der Vertrag zustandegekommen wäre. Die Klägerin könnte diesfalls nur auf Feststellung des Bestehens dieses Vertrags klagen.
Die von der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird in Wahrheit nur die rechtliche Wartung des Verhaltens der Beklagten durch das Berufungsgericht bekämpft. Eine Aktenwidrigkeit und eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Grundsätzlich hat der Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht derart auszuüben, dass er in den Vertrag, der mit einem anderen geschlossen werden soll, ohne jede Abänderung eintritt. Allerdings lässt § 1077 ABGB diesbezüglich Einschränkungen zu. So kann von vorgesehenen unwesentlichen Nebenleistungen, von denen anzunehmen ist, dass der Vertrag zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten auch ohne sie zustandegekommen wäre, dann abgegangen werden, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts für den Berechtigten unerfüllbar wäre und auch nicht durch einen Schätzwert ausgeglichen werden kann ( Bydlinski in Klang 2 IV/2, 868). Da allerdings die Möglichkeit bestünde, durch die Erklärung von Nebenleistungen zu Hauptleistungen die Bestimmung des § 1077 ABGB zu umgehen, hat die Lehre und Rechtsprechung weitere Einschränkungen gemacht. Unwesentliche Nebenleistungen, bei denen anzunehmen ist, dass der Verpflichtete den Kaufvertrag mit dem Drittkäufer auch ohne sie abgeschlossen hätte, hindern die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht ( Aicher in Rummel Rdz 4, 5 zu § 1077, SZ 26/293, RZ 1965, 100 ua). Unverbindlich kann aber aus diesem Gesichtspunkt nur eine wegen der drohenden Ausübung des Vorkaufsrechts gewählte Klausel sein, die im Rahmen des Drittkaufs weder dem Drittkäufer noch dem Verpflichteten irgendwie geartete Vorteile bringt. Dem Verpflichteten soll nämlich nicht die Möglichkeit gegeben werden, die Ausübung des Vorkaufsrechts dadurch zu behindern, dass er für den Berechtigten nur mit unverhältnismäßigen Nachteilen verbundene Klauseln einfügt, die ihm persönlich keine Vorteile bringen können. Solche Bestimmungen, die also den einzigen Zweck der Behinderung der Ausübung des Vorkaufsrechts haben, sollen nicht wirksam sein.
Die erwähnten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall schon im Hinblick auf Punkt XIII des Vertragsentwurfs mit Elfriede R***** nicht gegeben. Dieser Punkt soll eindeutig die Interessen der Verpflichteten, also der Beklagten, schützen. Jener Vertrag, der letzten Endes den Verkauf der Liegenschaftsanteile bewirken sollte, war bereits vom Beklagtenvertreter verfasst worden, sodass für die Vertragsverfassung bereits Kosten aufgelaufen waren. Es lag nun im Interesse der Beklagten, als der Auftraggeberin zur Verfassung des Vertrags, die ohne entsprechende Vereinbarung sie treffenden Kosten auf den Käufer der Liegenschaftsanteile zu überwälzen. Diesem Ziel dient Punkt XIII des Kaufvertrags. Würde dieser Punkt entfallen und würde man dem Käufer die Möglichkeit einräumen, den Vertrag durch einen anderen Verfasser herstellen zu lassen, müsste die Beklagte damit rechnen, dass ihr Vertreter, der die Urkunde über den Verkauf in ihrem Auftrag errichtet hatte, die hiefür aufgelaufenen Kosten von der Beklagten verlangen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bereit gewesen wäre, den Vertrag auch bei Wegfall des Punktes XIII abzuschließen, weil dieser Punkt eindeutig nicht nur den Zweck hatte, dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung seines Rechts zu erschweren, sondern vielmehr die Beklagte vor Nachteilen zu schützen. Aus diesem Grund führt die Weigerung der Klägerin, diesen Punkt zu genehmigen dazu, dass ihre sonstige Vertragsunterfertigung nicht als wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts gewertet werden kann. Hiebei ist es richtig, dass die bereits ursprünglich gemachte Weigerung für die Wertung der Vertragsunterfertigung berücksichtigt werden muss. Dazu kommt, dass der Punkt XIII im Klagebegehren nicht aufscheint, sodass in einem nicht unwesentlichen Punkt eine Abweichung gegenüber jenem Vertrag vorliegt, der mit dem Dritten abgeschlossen werden sollte.
Da sohin schon die Weigerung, in Punkt XIII des Vertrags einzutreten, die Annahme einer wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin ausschließt, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, inwieweit die Erklärungen der Klägerin bezüglich des im Vertrag erwähnten Mietrechts ihrem Begehren entgegenstehen und ob das Klagebegehren formell in Ordnung ist bzw vom Gericht geändert werden könnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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