OGH 7Ob536/94

OGH7Ob536/9423.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Bertram J.M*****, vertreten durch Dr.Karl Weingarten, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Walter S*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 892.627,64 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 7. Oktober 1993, GZ 15 R 221/92-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 26.Mai 1992, GZ 6 Cg 271/89-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Untergerichte werden - mit Ausnahme der Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens - aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 28.2.1986 stellte der Beklagte beim Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds den Antrag auf Bewilligung einer Förderung für umfangreiche Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten an seinem Haus in ***** Wien, ***** Am 26.2.1987 schloß er mit dem Kläger einen Ziviltechnikervertrag, in dem unter anderem folgendes vereinbart wurde:

"IV. Übertragene Leistungen.

Der Ziviltechniker wird mit der Erbringung nachstehender Leistungen beauftragt:

1. Büroleistung.

Das Ausbauverhältnis wird mit 90 : 100 festgelegt:

a) Bestandaufnahme/Vorentwurf 10 %

b) Entwurf 15 %

c) Einreichung 10 %

d) Kostenberechnungsgrundlage 15 %

e) Ausführungs- und Detailzeichnungen 35 %

f) künstlerische, technische und geschäftliche Leitung 15 %.

2. Örtliche Bauaufsicht laut GOA 33 lit.b.

Die Honorierung bzw. Vergebührung der Leistungen erfolgt, sofern im Vertrag nichts anders vereinbart, einvernehmlich nach der GOA (Gebührenordnung für Architekten Teil A).

Berechnungsgrundlage sind die tatsächlichen Herstellungskosten, welche vom Stadterneuerungsfonds anerkannt werden.

Der Anspruch auf Akontozahlungen folgt dem Fortschritt absolvierter Büroleistungen. Die Abrechnung der Büroleistungen erfolgt nach Schlichtungsstellen-Entscheid. Die erste Honorarteilzahlung für Vorentwurf und Entwurf erfolgt nach Empfehlung des Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds nach Einreichung des Sanierungskonzeptes. Die Zahlungsfristen für Honorarnoten sind 30 Tage. Bis zu dieser Empfehlung arbeitet der Architekt auf sein Risiko. Im Ablehnungsfall erfolgt also keine Honorierung..."

Der Kläger erstellte ein Sanierungskonzept und Einreichpläne. Mit Schreiben vom 4.12.1987 erklärte der Beklagte, daß er den Vertrag als beendet betrachte, wenn der Kläger nicht spätestens bis 11.12.1987 seine Bereitschaft erkläre, die vom Beklagten gewünschten Änderungen der Einreichpläne ohne Mehrkosten durchzuführen. Der Kläger verwies auf sein Recht, bei einem ohne wichtigen Grund erfolgten Rücktritt vom Vertrag 50 % der Gebühr für die noch nicht erbrachten Leistungen zu verlangen (dies ist in Punkt VII. des Ziviltechnikervertrages so geregelt) und legte Rechnung über insgesamt S 1,268.002,41. Nach Weigerung des Beklagten, diesen Betrag zu zahlen, brachte der Kläger am 21.1.1988 die Klage ein. Am 15.3.1988 kam es in der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beklagten zu einer Vereinbarung über die weitere Vorgangsweise. Es wurde Ruhen des Verfahrens vereinbart. Die strittigen Punkte über die Zahlung wurden geregelt und neue Termine für die Erstellung der Einreichpläne und Ausschreibungsunterlagen festgesetzt. Der Streit über die Kosten des Klägers wurde im wesentlichen in seinem Sinn erledigt. Die Erstellung der Auswechslungspläne und die aufgrund der Änderungswünsche des Beklagten erforderlichen Arbeiten des Klägers sollten gesondert nach der GOA honoriert werden.

Nach fristgerechter Erstellung der Ausschreibungsunterlagen wurde die Ausschreibung am 19.5.1988 veröffentlicht. Nach Prüfung der Anbote durch den Fonds, den Kläger und einen vom Fonds bestellten Prüfer erging am 31.8.1988 der Vergabevorschlag. Die vom Fonds im Vergabevorschlag anerkannte Baukostensumme beträgt S 20,797.023,--. Im Herbst 1988 trat der Beklagte mit der Firma E***** in Verbindung, die zunächst nicht Bestbieter war, aber dem Beklagten zusicherte, in alle Billigstbieterpreise einzutreten. In der Folge kam es beim Fonds wegen des weitgehenden Verbrauches der Förderungsmittel zu Verzögerungen mit der Zusicherung der Förderungsdarlehen. Dies nahm der Beklagte vordergründig zum Anlaß, den Vertrag mit dem Kläger mit Schreiben vom 28.4.1989 aufzulösen. Der tatsächliche Grund für die Vertragsauflösung war jedoch die Absicht des Beklagten, die Arbeiten mit der Firma E***** durchzuführen, die dann auch den Auftrag hiezu erhielt. Der beim Fonds anhängige Akt wurde schließlich "außer Evidenz gestellt".

Die Büroleistungen des Klägers sind gemäß der GOA als mit 67,5 % erbracht anzusehen. Bei einer Bemessungsgrundlage von S 20.797.023,-- entspricht dies einem Nettohonorar von S 887.109,47. Die Honorarsumme für die nicht erbrachten Teilleistungen (32,5 % Büroleistung und örtliche Bauaufsicht) würde S 1,229.891,87 netto betragen. Die Hälfte hievon ergibt S 614.945,--. Der Beklagte hat bisher Teilzahlungen von insgesamt S 758.199,-- geleistet.

Der Kläger begehrte zuletzt S 892.627,64 sA an offenem Honorar, das ihm aufgrund des Ziviltechnikervertrages vom 26.2.1987 zustehe. Da der Beklagte grundlos vom Vertrag zurückgetreten sei, seien auch die noch nicht erbrachten Leistungen vereinbarungsgemäß zu honorieren. Die Verfahrensverzögerungen beim Stadterneuerungsfonds seien auf die Handlungsweise des Beklagten zurückzuführen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein, daß der Kläger die Verzögerungen beim Fonds zu vertreten habe, weshalb der Vertrag aus wichtigem Grund aufgelöst worden sei. Bemessungsgrundlage für das Honorar des Klägers seien nach dem Vertrag die tatsächlichen Herstellungskosten. Diese hätten - ohne Inanspruchnahme von Förderungsmitteln - nur S 14,365.233,07 betragen. Der Kläger habe die Arbeiten überhöht, nämlich mit S 22,460.785,-- ausgeschrieben, weil die Ausmaße nicht gestimmt hätten. Der Fonds habe eine Summe von S 19,643.933,99 ermittelt.

Das Erstgericht gab der Klage - mit Ausnahme eines 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens - statt. Der Beklagte habe den Ziviltechnikervertrag ohne wichtigen Grund vorzeitig aufgelöst, sodaß der Kläger neben dem Anspruch auf Honorierung der bereits erbrachten Leistungen auch Anspruch auf 50 % der vollen Vergütung für die ihm übertragenen, aber noch nicht erbrachten Leistungen habe. Als Bemessungsgrundlage sei hiebei von jenem Betrag auszugehen, den der Fonds unter Berücksichtigung der Anbote der Bestbieter als Vergabesumme errechnet habe, also von dem im Vergabevorschlag aufscheinenden Betrag von S 20,797.023,--. Unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlungen sei daher noch der Klagsbetrag offen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß seitens des Beklagten kein wichtiger Grund für die Vertragsauflösung vorgelegen sei. Der Beklagte habe vielmehr seine Mitwirkungspflicht als Auftraggeber verletzt, indem er die Durchführung der Arbeiten mit Förderungsmitteln durch Säumigkeit und schließlich durch schlüssigen Verzicht auf die Förderungsmittel vereitelt habe. Eine Vertragsauslegung gemäß § 914 ABGB komme nicht in Betracht, weil ohnehin feststehe, was die Parteien in diesem Fall gewollt hätten. Das Unterbleiben der Ausführung eines Werkvertrages aus Umständen, die der Besteller zu vertreten habe, führe nicht zu einer Vertragsauslegung, sondern zu den Folgen des § 1168 ABGB. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil in erster Linie Beweisfragen und nicht Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung zu lösen gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Unterinstanzen berechtigt.

Daß dem Kläger auch 50 % des vollen Honorars für die vom Auftrag umfaßten, aber infolge Vertragsauflösung nicht mehr erbrachten Teilleistungen zustehen, wird vom Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen. Dies gilt auch für den grundsätzlichen Berechnungsmodus des Honorars. Strittig ist nur mehr die Frage, von welcher Bemessungsgrundlage bei Berechnung des Honorars des Klägers auszugehen ist.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, daß gemäß dem Ziviltechnikervertrag lediglich der Betrag von S 14,365.000,-- zugrundezulegen sei, während der Kläger der betreffenden Vertragsbestimmung entnehmen will, daß von der vom Fonds anerkannten Baukostensumme von S 20,797.023,-- auszugehen sei.

Die strittige Passage im Punkt IV.2. des Ziviltechnikervertrages vom 26.2.1987 ("Berechnungsgrundlage sind die tatsächlichen Herstellungskosten, welche vom Stadterneuerungsfonds anerkannt werden") sagt aus objektiver Sicht nichts darüber aus, welche Berechnungsgrundlage in dem hier eingetretenen Fall heranzuziehen ist, daß die Sanierungsarbeiten am Haus des Beklagten letztlich ohne Inanspruchnahme der Förderung durchgeführt wurden. Diese Frage ist auch in den anderen Vertragspunkten nicht eindeutig geregelt. Die gewählte Formulierung spricht zwar dafür, daß die vom Stadterneuerungsfonds anerkannten Kosten jedenfalls die Höchstgrenze für die Bemessungsgrundlage darstellen sollten. Im vorliegenden Fall wurde aber behauptet, daß die tatsächlichen Herstellungskosten - die vom Stadterneuerungsfonds gar nicht mehr zu überprüfen waren - wesentlich niedriger gewesen seien.

Die bisherigen Feststellungen geben keinen Hinweis darauf, ob die Parteien diesen Fall bedacht haben und wonach sich nach ihrem Willen in einem solchen Fall der Honoraranspruch des Klägers richten sollte. Die Parteien haben hiezu in erster Instanz auch kein verwertbares Vorbringen erstattet, obgleich ihre divergierende Auffassung über die Bemessungsgrundlage in ihrem Vorbringen in der Tagsatzung vom 16.4.1991 anklingt. Da das Ziel der Auslegung zunächst die Feststellung des Parteiwillens ist (§ 914 ABGB), wird diese Frage mit den Parteien zu erörtern sein (§ 182 ZPO). Hiebei werden jene Urkunden, in denen die während der Anhängigkeit dieses Verfahrens getroffene weitere Vereinbarung vom 15.3.1988 festgehalten ist (Beilagen 1 und N), miteinzubeziehen sein, weil darin eine Honorarabrechnung der Büroleistung des Klägers "auf Basis der Schlichtungsstellenentscheidung (Herstellungsssumme)" vorgesehen ist (vgl. Beilagen 1/16 und N/XII). In diesem Zusammenhang wird auch festzustellen sein, welche Summe die Schlichtungsstelle für die vorgesehenen Arbeiten veranschlagt hat (vgl. Beilagen 4 und 5) und warum diese allenfalls von der vom Fonds veranschlagten Summe abweicht. Des weiteren wird auf die im 5.Absatz des Punktes IV. des Ziviltechnikervertrages vom 26.2.1987 enthaltene Regelung Bedacht zu nehmen sein, die im bisherigen Verfahren und in den Feststellungen ebenfalls keine Berücksichtigung fand, obwohl sie sich mit der Frage der Bemessungsgrundlage, wenn auch nur im Zusammenhang mit den "Nebenkosten", befaßt ("Nebenkosten werden nach § 18 der GOA verrechnet. Als Maximalsumme gilt die im Sanierungskonzept angeführte Pauschale, die vom Stadterneuerungsfonds anerkannt wird").

Es wird weiters zu prüfen sein, ob die Behauptung des Beklagten, daß die tatsächlichen Baukosten S 14,365.233,07 betrugen, überhaupt richtig ist. Die Feststellungen der Untergerichte lassen dies offen. Das Erstgericht hat sich damit begnügt, auf die diesbezüglichen Angaben des Beklagten zu verweisen. Sollte sich ergeben, daß tatsächlich eine ins Gewicht fallende Differenz zwischen der vom Stadterneuerungsfonds veranschlagten Summe und der letztlich verbauten Summe vorliegt, wird zu klären sein, worauf dieser Umstand zurückzuführen ist. Denn bei der Frage, welcher Betrag als Bemessungsgrundlage für das Honorar des Klägers zu dienen hat, ist es auch von Bedeutung, ob dem Kläger eine erkennbare Fehlkalkulation unterlaufen ist, wie im Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung vom 16.4.1991 (AS 147 f) behauptet wurde (und worauf die Aussage der Zeugin Monika S***** in AS 154 hindeutet, daß die Ausmaße in den Ausschreibungen nicht gestimmt hätten), oder ob die Differenz etwa auf dem Umstand beruht, daß zunächst vorgesehene Arbeiten nicht durchgeführt wurden. Diese Feststellungen werden insbesondere dann erforderlich sein, wenn sich durch den Versuch, den Parteiwillen zu erforschen, kein eindeutiger Sinn ermitteln läßt, weil dann unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen ist, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (vgl. zur Vertragsauslegung Koziol-Welser I9, 91 ff; Rummel in Rummel2 I, Rz 4 ff zu § 914 ABGB).

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß die vom Erstgericht herangezogene Bemessungsgrundlage zu hoch angesetzt wurde, wird - nach dem bisherigen, nicht weiter bekämpften Schema - eine Neuberechnung des Honorars auf der allenfalls geänderten Bemessungsgrundlage durchzuführen und zu prüfen sein, ob bzw. inwieweit der dann ermittelte Honorarbetrag durch die geleisteten Teilzahlungen des Beklagten abgedeckt wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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