Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 9.234,27 (darin S 1.534,04 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die drei Kläger und der Beklagte sind Geschwister. Ihre Mutter Leopoldine S*** ist am 2. August 1984 verstorben. Sie war verwitwet und hinterließ neben den Streitteilen noch weitere vier Kinder, und zwar Leopoldine L***, Marianna K***,
Hedwig K*** und Johann S***. Im Verlassenschaftsverfahren wurde eine von der Erblasserin eigenhändig verfaßte und unterschriebene letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 kundgemacht, durch die zwei ältere letztwillige Anordnungen der Erblasserin aufgehoben wurden und die folgenden Wortlaut hat:
"Mein letzter Wille am 10.8.1983
Ich Unterfertigte verfüge mit diesem eigenhändig geschriebenen Testament, daß (ich) im Falle meines Ablebens mein Besitz in Mitterberg 10, Gemeinde Rüstorf, Grundbuch Mitterberg Stürzenbarthaus am Berg, meinem Sohn Franz S***, geboren am 30.10.1933, als Erben für mein Gut einsetze. Er muß den Geschwistern S 30.000,-- zahlen. Johann und Alois haben die S 30.000,-- schon erhalten. Alois ist sonst noch mehr schuldig. Schuldschein liegt auf. Das Geld soll zum Begräbnis, heilige Messen und gute Werke genommen werden.
Das Haus darf auf keinen Fall verkauft werden.
Sollte mein Erbe Franz aus irgendwelchem Grund das Haus nicht antreten wollen, so setze ich als Ersatzerbin meine Tochter Marianne K***, geboren am 11.7.1939, Pfaffenberg, mit den gleichen Bedingungen ein.
Das ist mein Testament und mein Wille."
Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung wurde der Nachlaß inventarisiert und geschätzt. Folgende Aktive wurden festgehalten:
1.) Barschaft S 4.000,--
2.) Spareinlagen:
a) Sparbuch bei der Sparkasse der
Stadt Schwanenstadt Nr. 0010-3521521
Guthaben S 240.660,02
b) Sparbuch bei der Sparkasse Schwanen-
stadt
Guthaben S 78.370,91
3.) Guthaben aus einer Versicherung S 475,--
4.) Forderungen:
a) gegen den erblasserischen Sohn
Alois S*** S 70.000,--
b) gegen den erblasserischen Sohn
Dr. Josef S*** S 3.000,--
5.) Fahrnisse S 14.000,--
6.) diverses Zubehör S 1.350,--
7.) Holz- und Kohlevorräte S 4.000,--
8.) Kleidung und Wäsche S 300,--
S 416.155,93
9.) Liegenschaft EZ 77 Grundbuch Mitter-
berg "Stürzenbarthaus Am Berg Nr. 10
zu Mitterberg", steuerlicher Einheits-
wert S 8.000,--, Verkehrswert S 771.500,--
Summe Nachlaßaktiva S 1,187.655,93.
Johann S*** hatte mit Notariatsakt vom 20. Dezember 1982 für sich und seine Nachkommenschaft auf jedwedes ihm gegenüber seiner Mutter zukommendes Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet. Die übrigen sieben Kinder der Erblasserin gaben im Verlassenschaftsverfahren Erbserklärungen ab. Der Beklagte stellte sich nach entsprechender Belehrung durch das Abhandlungsgericht schließlich auf den Standpunkt, die letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 stelle ein Testament dar, und gab am 3. Dezember 1986 die unbedingte Erbserklärung auf Grund dieses Testamentes ab. Während Leopoldine L***, Hedwig K*** und Maria
K*** erklärten, diese Erbserklärung ihres Bruders
"anzunehmen", hielten die Kläger die von ihnen auf Grund des Gesetzes zu einem Siebentel des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen aufrecht. Das Verlassenschaftsgericht nahm die vom Beklagten auf Grund des Testaments zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung an und wies gemäß § 125 AußStrG den auf Grund des Gesetzes erklärten Erben im Erbsrechtsstreit die Klägerrolle zu. Mit der am 15. Jänner 1987 eingelangten Klage begehrten die drei Kläger die Feststellungen
1.) die letztwillige Anordnung der Erblasserin vom 10. August 1983 stelle ein Kodizill und kein Testament dar,
2.) die unbedingte Erbserklärung des Beklagten vom 3. Dezember 1986 als Alleinerbe sei zurückzuweisen; hingegen bestünden die bedingten Erbserklärungen der Kläger auf Grund des Gesetzes zu je einem Siebentel des Nachlasses zu Recht.
Die Kläger brachten vor, die letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 enthalte keine Erbseinsetzung und sei deshalb als Kodizill zu qualifizieren. Die Liegenschaft mit einem Einheitswert von S 8.000,-- stelle nicht den wesentlichsten Teil des Nachlasses dar, da weitere Nachlaßaktiva von insgesamt S 397.505,93 vorhanden seien.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Willenserklärung der Erblasserin vom 10. August 1983 sei als Testament anzusehen, weil die Erblasserin darin über den wesentlichen Teil des Nachlasses verfügt habe. Nach den Schätzungsgutachten im Abhandlungsverfahren habe die Liegenschaft einen Verkehrswert von S 771.500,-- bzw. S 881.410,--.
Das Erstgericht gab der Klage im Punkt 1 statt: Das Begehren Punkt 2 wies es - unangefochten - ab. Es traf unter anderem noch folgende Feststellung:
Bei Errichtung der letztwilligen Verfügung vom 10. August 1983 war es nicht der Wille der Erblasserin, den Beklagten zum Alleinerben ihres gesamten Vermögens einzusetzen, sondern lediglich, eine Verfügung über ihr landwirtschaftliches Anwesen zu treffen. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 könne nach ihrem Wortlaut sowohl ein Testament als auch ein Kodizill sein. Zweifellos stelle der Hof den Hauptteil des Nachlaßvermögens dar. Eine Verfügung über den Hauptteil des Vermögens sei jedoch nur ein Indiz für eine gewollte Erbseinsetzung. Entscheidend sei der Wille des Erblassers. Zu seiner Erforschung seien nicht nur die letztwillige Anordnung selbst, sondern auch andere Umstände heranzuziehen, wie etwa sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des Erblassers. Der so ermittelte Wille des Erblassers sei dann insoweit zu berücksichtigen, als sich dafür aus Inhalt und Wortlaut der letztwilligen Anordnung Anhaltspunkte fänden. Es sei nicht entscheidend, daß die Erblasserin den Beklagten in ihrer letztwilligen Verfügung als Erben bezeichnet habe, weil Erblassern die Unterscheidung zwischen Testament und Kodizill oft nicht geläufig sei. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß die Erblasserin nicht eine Erbeinsetzung des Beklagten, sondern eine gezielte Anordnung über ihr Anwesen habe treffen wollen. Der ermittelte Wille der Erblasserin finde in dem Inhalt der Verfügung Deckung. Die letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 stelle daher ein Kodizill dar.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteige. Es ging von den unangefochten gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes aus und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung sei in einem Fall wie dem vorliegenden zugleich Rechts- und Tatfrage. Der rechtlichen Seite gehöre es an, ob die Urkunde die Auslegung als Kodizill oder als Testament zulasse. Was die Erblasserin bei Errichtung der Urkunde gewollt habe, sei eine der Vergangenheit angehörende Tatsache. Die letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 könne nach ihrem Inhalt sowohl als Testament, als auch als Kodizill angesehen werden. Da das Erstgericht jedoch festgestellt habe, daß es nicht der Wille der Erblasserin gewesen sei, den Beklagten als Alleinerben ihres gesamten Vermögens einzusetzen, sei die genannte Urkunde als Kodizill zu qualifizieren. Wohl stelle das landwirtschaftliche Anwesen der Erblasserin einen ganz wesentlichen Teil des Nachlasses dar: Es sei jedoch daneben auch noch weiteres Vermögen der Erblasserin vorhanden. Werde jemand nur mit einzelnen Sachen bedacht, heiße das Zugedachte, mag sein Wert auch den größten Teil der Verlassenschaft ausmachen, gemäß § 535 ABGB ein Vermächtnis und sei derjenige, dem es hinterlassen werde, nicht als Erbe, sondern nur als Vermächtnisnehmer anzusehen. Im Zweifel sei daher in der Hinterlassung einzelner Sachen ein Vermächtnis zu erblicken. Der Beklagte bekämpft das Urteil der zweiten Instanz mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte weist auch in der Revision darauf hin, daß die Erblasserin die letztwillige Anordnung vom 10. August 1983 als "Testament" und ihn, den Beklagten, als "Erben" bezeichnet, und angeordnet habe, daß der Beklagte an seine Geschwister einen Bargeldbetrag von je S 30.000,-- auszuzahlen habe. Die dem Beklagten hinterlassene Liegenschaft stelle den weitaus überwiegenden Inhalt des Nachlasses dar. Die Zuwendung bestimmter Nachlaßgegenstände stelle eine Erbeinsetzung dar, wenn es sich hiebei um den wesentlichen Teil des Nachlasses handle.
Wie aber bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, sind die Bezeichnungen einer letztwilligen Verfügung als "Testament" und des Begünstigten als "Erben" nicht von ausschlaggebender Bedeutung, mögen derartige Wendungen auch Indizien für die Einsetzung eines Erben sein (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 535). Denn der Unterschied zwischen Erbfolge und Vermächtnis ist dem durchschnittlichen Erblasser fremd (Welser aaO Rdz 6). Entscheidend ist der Wille des Testators (Welser aaO), soferne er durch den Wortlaut der letztwilligen Verfügung gedeckt wird (1 Ob 583/77 ua). Der Wille der Mutter der Streitteile aber war, wie das Erstgericht unbekämpft festgestellt hat, nicht darauf gerichtet, den Beklagten zum Alleinerben ihres gesamten Vermögens einzusetzen, sondern ging nur dahin, eine Verfügung über ihr landwirtschaftliches Anwesen zu treffen. Die Feststellung des Willens des Erblassers ist grundsätzlich Tatfrage und nicht revisibel (Welser aaO Rdz 11 zu § 553), wie auch sonst die Feststellung des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins einer bestimmten Absicht dessen, der eine Willenserklärung abgibt, eine im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbare Tatfrage ist (JBl 1983, 444, Fasching IV 333).
Zwar darf, wie schon gesagt, der Absicht des Testators nur
gefolgt werden, wenn sie einen Anhaltspunkt im Wortlaut der
letztwilligen Verfügung selbst findet, weil sonst die
Formvorschriften übergangen würden (Welser aaO Rdz 9 zu § 553). Dies
trifft hier aber durchaus zu. Der Umstand, daß dem Beklagten die
Zahlung von Barlegaten an seine Geschwister aufgetragen wurde, steht
dem nicht entgegen; weil auch ein Vermächtnisnehmer durch ein Legat
(Untervermächtnis, Sublegat) belastet werden kann (§§ 649, 650 ABGB;
Welser aaO Rdz 1 zu § 649 und Rdz 1 zu § 650). Auch die Benennung
einer "Ersatzerbin" zwingt nicht zu entgegenstehenden
Schlußfolgerungen; ergibt sich doch aus § 652 ABGB, daß an die
Stelle eines Vermächtnisnehmers ein Ersatzvermächtnisnehmer treten
kann. Der Umstand, daß die hinterlassene Liegenschaft den
wesentlichen Teil des Nachlasses darstellt, könnte zwar die Annahme
rechtfertigen, die letztwillige Verfügung vom 10. August 1983 sei
tatsächlich als Testament anzusehen und der Beklagte sei tatsächlich
Erbe (SZ 35/92 uva). Eine letztwillige Verfügung über den
wesentlichen Teil des Nachlasses muß deshalb aber noch kein
Testament sein, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 535 ABGB
ergibt ("Wird jemandem .... eine einzelne Sache .... zugedacht, so
heißt das Zugedachte, obschon dessen Wert den größten Teil der
Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis (Legat) und derjenige, dem
es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur als ein
Vermächtnisnehmer (Legatar) zu betrachten").
Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen ist nicht gegeben. Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung erfolgt nach den §§ 41, 50 ZPO. Maßgebend für die Kostenberechnung ist allerdings die Bewerbung des Streitgegenstandes in der Klage (S 195.000,--).
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