Spruch:
Unter den Voraussetzungen des § 1422 ABGB. erwirbt der Übernehmer die Forderung mit allen Einschränkungen, wie sie gegenüber dem Überträger bestanden haben.
Die Möglichkeit, daß dem bei der Mietkommission gestellten Antrag auf Herabsetzung des Mietzinses stattgegeben wird, ist kein Grund zum Gerichtserlag nach § 1425 ABGB.
Entscheidung vom 5. Februar 1958, 7 Ob 519/57.
I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin vereinbarte im Dezember 1952 mit der Geschäftsfrau Hedwig A., daß sie das von Hedwig A. gemietete Geschäftslokal mit den vorhandenen Einrichtungsgegenständen ab 1. Jänner 1953 auf die Dauer von zweieinhalb Jahren in Untermiete nehme; sie verpflichtete sich, ein monatliches Entgelt von 1000 S unwiderruflich an Rechtsanwalt Dr. H. zu bezahlen, damit er in die Lage versetzt werde, Verbindlichkeiten der Hedwig A. abzudecken. Die Klägerin zahlte das vereinbarte Entgelt bis zum März 1953, dann aber stellte sie gemäß § 14 MietG. den Antrag auf Festsetzung des gesetzlichen Untermietzinses für das in Bestand genommene Geschäftslokal und erlegte, da die Kreditgenossenschaft für Gewerbetreibende eine Pfändung und Überweisung der Bestandzinsforderung erwirkt hatte, alle weiteren Beträge gemäß § 1425 ABGB. zu Gericht. Das Verfahren vor der Mietkommission endete mit der Festsetzung eines wesentlich niedrigeren Mietzinses, so daß sich bei der Abrechnung ein Überschuß zugunsten der Klägerin ergab. Da sie die Zurückzahlung des Erlagsgegenstandes nicht erlangen konnte, erwirkte die Klägerin zunächst gegen Hedwig A. mit Versäumungsurteil vom 9. November 1953 die Einwilligung zur Ausfolgung. Von der Kreditgenossenschaft wurde die Einwilligung mit der Begründung abgelehnt, daß die Ansprüche gegen Hedwig A. auf Grund des Vertrages vom 22. Februar 1954 gemäß § 1423 ABGB. auf den Beklagten übertragen worden seien. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin nun vom Beklagten die Einwilligung zur Ausfolgung des bei Gericht noch erliegenden Betrages von 5940 S.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Es war der Meinung, daß der Beklagte zur Einwilligung nicht verpflichtet werden könne, weil an dem Tage, da die Abtretung der Rechte erfolgte, weder der Verpflichteten noch der Überweisungsgläubigerin Rechte auf den Erlagsgegenstand zugestanden seien und daher auch auf den Beklagten nicht übertragen werden konnten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens ab. Es stand auf dem Standpunkt, daß der Beklagte mit dem Vertrage vom 22. Februar 1954 an die Stelle der Kreditgenossenschaft in das mit Hedwig A. bestehende Rechtsverhältnis eingetreten sei und damit alle Rechte und Verbindlichkeiten übernommen habe, zu denen auch die Verpflichtung gehöre, der Ausfolgung des Erlagsgegenstandes an die Klägerin zuzustimmen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zur rechtlichen Beurteilung wird zunächst ausgeführt, daß das Klagebegehren verfehlt sei, weil die Klägerin wegen der Tilgungswirkung jedes rechtmäßigen Erlages nur Rückzahlung fordern könne. Wie der Erlagsantrag vom 9. April 1953 ergibt, hat die Klägerin die Beträge mit dem Hinweis zu Gericht erlegt, daß sie Bedenken gegen die Höhe des Zinses habe und daß sie aus dem Gründe der Pfändung und Überweisung der Zinsforderung an die Überweisungsgläubigerin zahlen solle. Es ist davon auszugehen, daß wichtige Gründe im Sinne des § 1425 ABGB. nicht vorgelegen sind. Der Umstand, daß der von der Klägerin bei der Mietkommission beantragten Mietzinsherabsetzung in Zukunft möglicherweise stattgegeben werden könnte, stellte sich ebensowenig als ein Zahlungshindernis dar wie die Überschuldung der Gläubigerin Hedwig A. Bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des Erlages ist von der Rechtslage im Zeitpunkt des Erlages auszugehen. Hätte die Mietkommission den vereinbarten Mietzins nicht herabgesetzt, wäre die Vermieterin berechtigt gewesen, ungeachtet des Erlages Zahlung zu begehren. Die Behauptung im Erlagsantrag, es hätten auch die Miteigentümer des Hauses, nämlich das Ehepaar Karl und Albine K., Ansprüche auf den Untermietzins erhoben, kann nur dahin verstanden werden, daß die Genannten wegen ihrer Hauptmietzinsforderung Ansprüche an Hedwig A. haben. Das ist aber weder ein Erlagsgrund nach § 1425 ABGB. noch ein solcher nach § 307 EO. Soweit also Hedwig A. als Erlagsgegnerin in Betracht kommt, kann der Erlag nicht als gerechtfertigt angesehen werden. Er ist es aber auch bezüglich der Kreditgenossenschaft nicht, da die Voraussetzungen des § 307 EO. nicht gegeben sind. Im Zeitpunkt, als der erste gerichtliche Erlag erfolgte, war die Kreditgenossenschaft bereits Überweisungsgläubigerin. Es hätte daher an sie mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt werden können und müssen (vgl. Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. II S. 965). Daher war es richtig, das Begehren auf die Einwilligung zur Ausfolgung abzustellen.
Hatte der Erlag mangels Rechtmäßigkeit keine schuldbefreiende Wirkung, ist auch der auf § 17 MietG. gestützten Einrede der Verjährung der Boden entzogen. Im übrigen wendet sich der Revisionswerber gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß mit der Abtretung aller aus dem Kreditverhältnis zustehenden Rechte und Verbindlichkeiten auch die Verpflichtung, der Ausfolgung zuzustimmen, auf ihn übergegangen sei. Die Ansicht des Berufungsgerichtes ist aber frei von Rechtsirrtum. Nach § 1394 ABGB. sind die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung dieselben. Diese Bestimmung gilt auch im Falle der Einlösung der Forderung, wie sie hier vorliegt. Unter den Voraussetzungen des § 1422 ABGB. erwirbt der Übernehmer die Forderung mit allen Einschränkungen, wie sie gegenüber dem Überträger bestanden haben. Stunde die Kreditgenossenschaft noch der Klägerin gegenüber, wäre sie verpflichtet, der Klägerin die Ausübung des Verfügungsrechtes über den Gelderlag zu ermöglichen. Diese Verpflichtung ist auf Grund der angeführten Vereinbarung vom 22. Februar 1954 auf den Beklagten übergegangen, mag auch im Zeitpunkt der Übertragung keine Forderung mehr bestanden haben.
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