OGH 7Ob51/62

OGH7Ob51/6231.1.1962

SZ 35/19

Normen

Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §79 (1)
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §79 (1)

 

Spruch:

Nur beim Ausbleiben des Klägers von der ersten zur mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tagsatzung kann nach § 79 (1) der 1. DvzEheG. vorgegangen werden.

Entscheidung vom 31. Jänner 1962, 7 Ob 51/62.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

In der seit 30. November 1957 anhängigen Ehescheidungssache hat der Kläger eine der fortgesetzten Streitverhandlungen unbesucht gelassen. Bei der von der beklagten Partei allein besuchten Tagsatzung vom 10. Jänner 1961 stellte die beklagte Partei den Antrag, die Klage gemäß § 79 (1) der 1. DVzEheG. als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen zu erklären.

Das Erstgericht gab diesem Antrag statt.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. In Anlehnung an die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien EvBl. 1949 Nr. 584 und die Ausführungen Schwinds im Kommentar zum österreichischen Eherecht S. 319 vertritt das Rekursgericht die Meinung, daß die Bestimmung des § 79 (1) der zitierten Verordnung nur auf das Ausbleiben von der ersten zur mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tagsatzung, nicht aber auf das Ausbleiben von der fortgesetzten Streitverhandlung bezogen werden könne. Da die mündliche Streitverhandlung ein einheitliches Ganzes darstelle, auch wenn sie vertagt werde, sei der Kläger "zur mündlichen Verhandlung" erschienen, wenn er die erste Streitverhandlung besucht habe. In diesem Falle kämen Säumnisfolgen nicht mehr in Betracht. Es bestehe auch kein Grund, den Kläger im Scheidungsverfahren so viel ungünstiger zu stellen wie in einem anderen Rechtsstreit, wo die Versäumung einer späteren Verhandlung nur bedeutet, daß ein Urteil nach § 399 ZPO. gefällt werden könne, was in der Regel nicht zu erheblichen Nachteilen für den Kläger führt, weil auf den Inhalt der Klage und sein Vorbringen Bedacht genommen werden muß. Wollte man die erwähnte Gesetzesstelle so auslegen, wie es das Erstgericht tat, so würde dies nicht bloß zu einer grundlosen und sachlich nicht begrundeten Klagsrücknahme führen, die das gesamte bisherige Verfahren gegenstandslos mache, sondern insbesondere auch den Kläger gegenüber dem gewöhnlichen Streitverfahren in der Kostenentscheidung unerträglich belasten. Auch ein Vergleich mit der deutschen Zivilprozeßordnung, der die Bestimmung des § 79 (1) der zitierten Verordnung entstammt, spreche gegen die Auslegung durch das Erstgericht. Im deutschen Prozeßrecht gelte die entsprechende Bestimmung (§ 635 DZPO.) nur für das Ehenichtigkeitsverfahren, nicht aber für das Scheidungsverfahren. In diesem findet § 330 DZPO. Anwendung, der zwar ein Versäumungsurteil bei einmaligem Nichterscheinen des Klägers bei einer Streitverhandlung kennt, das aber durch die Institution des Einspruchs (§ 338 DZPO.), der keine Wiedereinsetzungsgrunde enthalten muß, völlig entschärft sei. Es genüge daher, daß der Kläger, wie Schwind ausführt, durch das Erscheinen bei der ersten Streitverhandlung seinen Willen zur Durchführung des Verfahrens bekundet habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof schließt sich den in Lehre und Rechtsprechung angeführten Erwägungen an, daß nur beim Ausbleiben des Klägers von der ersten zur mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tagsatzung Antrag nach § 79 (1) 1. DVzEG. gestellt werden kann. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der mündlichen Streitverhandlung. Zerfällt diese in mehrere Tagsatzungen, so gilt das einmal geschehene Parteivorbringen ohne Wiederholung (§§ 138, 193 (2) ZPO.). Das gilt auch im Falle einer Neudurchführung infolge Richterwechsels (§§ 412 (2), 215 ZPO.). Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Streitverhandlung bleibt daher auch bei Säumnis einer späteren fortgesetzten Tagsatzung beachtlich. Einem Antrag nach § 79 (1) 1. DVzEheG. kann nicht mehr stattgegeben werden. Nur eine solche Auslegung wird dem Wortlaut dieser Bestimmung im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensvorschriften in Ehesachen gerecht, insbesondere der Vorschrift des § 9 der Vdg. vom 9. Dezember 1897, RGBl. Nr. 283, wonach die Fällung eines Versäumnisurteiles nicht stattfindet. Auf die andersgeartete Regelung im deutschen Recht kann deshalb nicht Bedacht genommen werden. Auch der Hinweis, daß es sich um eine Bestimmung des "favor matrimonii" handelt, ist unrichtig, weil dies auch bei der Bestimmung des § 635 DZPO., an die sich die Bestimmung des § 79 (1) hält, nicht der Fall ist. Die dort nur für das Nichtigkeitsverfahren geltende Bestimmung war gerade deshalb notwendig, um in Abweichung von der Bestimmung des § 330 DZPO. die Rechtskraft eines abweislichen Versäumungsurteiles bei vorliegender Nichtigkeit zu verhindern.

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