Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:
"Dem mj. Gerald B***** werden Unterhaltsvorschüsse
1. für die Zeit vom 1. Mai 1991 bis 31. August 1991 in monatlicher Höhe von S 1.335,-- und
2. für die Zeit vom 1. September 1991 bis 30. April 1992 in monatlicher Höhe von S 700,--
gewährt; das Mehrbegehren von
1. monatlich S 1.650,-- für die Zeit vom 1. Mai 1991 bis 31. August 1991 und von
2. monatlich S 2.285,-- für die Zeit vom 1. September 1991 bis 30. April 1992
wird abgewiesen.
Die Änderung der Auszahlungsanordnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der mj. Kinder Gerald, geboren am 1. Juni 1975, und Regina B*****, geboren am 22. Juni 1977, wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 9. Mai 1983 geschieden. Die Obsorge für beide Kinder wurde mit dem pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich vom gleichen Tag der Mutter übertragen; der Vater verpflichtete sich zu monatlichen Unterhaltsleistungen von je S 2.000.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 17. Oktober 1983 wurde das Bezirksjugendamt für den 13. und 14. Bezirk zum besonderen Sachwalter der Kinder zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen bestellt.
Mit pflegschaftsgerichtlich genehmigtem Vergleich vom 9. Oktober 1984 kamen die Eltern überein, daß die Obsorge für die beiden mj. Kinder in Hinkunft allein dem Vater zustehe (in dessen Haushalt sich die Kinder bereits seit 7. September 1984 tatsächlich befanden). Mit Beschluß vom 15. Mai 1987 wurde die Mutter für die Zeit ab 15. Jänner 1987 zu Unterhaltsleistungen an die Kinder verpflichtet, und zwar ab 23. Juni 1987 in der Höhe von je S 1.370 monatlich. Der von der Mutter zu leistende Unterhalt wurde mit Beschluß vom 3. März 1989 auf je S 1.850,-- monatlich erhöht.
Am 5. Mai 1991 wurde über den Vater mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen §§ 207 Abs 1, 212 Abs 1 und 105 Abs 1 StGB die Untersuchungshaft verhängt. Die Obsorge für beide Kinder wurde aus diesem Grund mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9. Juli 1991 dem Vater entzogen und der Mutter übertragen, in deren Haushalt sie sich seit 7. Mai 1991 befinden.
Über Antrag des Bezirksjugendamtes für den 13./14. Bezirk wurde mit Beschlüssen des Erstgerichtes vom 31. Juli 1991 beiden Kindern für die Zeit vom 1. Mai 1991 bis 30. April 1992 ein monatlicher Unterhaltsvorschuß gemäß § 4 Z 3 UVG gewährt, und zwar dem mj. Gerald - die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses an die mj. Regina ist unbekämpft geblieben - iS des § 6 Abs 2 Z 3 UVG in der Höhe von drei Viertel des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 Buchstabe c bb erster Fall § 108 f ASVG, das sind S 2.985,--.
über Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien änderte die zweite Instanz diesen Beschluß dahin ab, daß dem mj. Gerald unter Abweisung des Mehrbegehrens Unterhaltsvorschüsse für sie Zeit vom 1. Mai 1991 bis 30. April 1992 von monatlich S 700,-- gewährt werden; das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der in einem Zwischenverfahren eingeholten Auskunft des Dienstgebers des Minderjährigen betrage dessen Eigeneinkommen als Installateurlehrling seit 6. August 1990 netto S 2.834,--, 14 x jährlich, im zweiten Lehrjahr ab 6. August 1991 netto S 4.578,--, 14 x jährlich, sohin im Durchschnitt S 5.341,--. Mit diesem Einkommen könne der Minderjährige nicht als selbsterhaltungsfähig angesehen werden. Auch die Mindestpensionshöhe, die als Richtschnur für die Beurteilung, ob Selbsterhaltungsfähigkeit anzunehmen sei, dienen könne, liege über dem Eigeneinkommen des Minderjährigen. Anhaltspunkte für das vom Vater zuletzt erzielte Einkommen seien nicht aktenkundig; doch erscheine angesichts des Eigeneinkommens des Minderjährigen ein restlicher Unterhaltsanspruch von S 700,-- monatlich angemessen. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur behandelten Frage uneinheitlich sei.
Das Amt für Jugend und Familie für den 13. und 14. Bezirk wendet sich gegen den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, ihn dahin abzuändern, daß der monatliche Unterhaltsvorschuß für die Zeit vom 1. Mai 1991 bis 31. August 1991 S 2.985,--, für die Zeit ab 1. September 1991 S 1.700-- betrage.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zu dem behandelten Sachverhalt (§ 7 Abs 1 Z 2 UVG) nicht vorliegt; er ist auch teilweise berechtigt.
Gemäß § 4 Z 3 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Gemäß § 6 Abs 2 Z 3 UVG sind in diesem Fall - vorbehaltlich des § 7 UVG - einem Kind ab Vollendung des 14. Lebensjahres drei Viertel des in § 6 Abs 1 festgesetzten Höchstbetrages (Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 Buchstabe c bb erster Fall ASVG, vervielfacht mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor, § 108 f ASVG) - das sind derzeit S 2.985,-- - zu gewähren. Nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen des § 4 Z 2 und 3 UVG das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.
In den EBzRV 276 BlgNR 15. GP 11 f zur Novelle BGBl. 1980/278, in der unter anderem die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 UVG eingeführt wurde, heißt es unter anderem: "...... Die Bestimmung (§ 7 Abs 1 in der vor der Novelle geltenden Fassung) ist nach ihrem Wortlaut nur auf Fälle anwendbar, in denen Grundlage der Bevorschussung ein Exekutionstitel ist, nicht also die Gewährung von Vorschüssen nach § 4 Z 2 und 3. Das ist zu Recht als Mangel angesehen worden. Das Gericht kann die Vorschüsse nur entweder in der vollen Höhe der Pauschalbeträge des § 6 Abs 2 gewähren oder sie versagen; die Möglichkeit einer Verminderung der Pauschalbeträge wegen teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes besteht nach herrschender Auffassung nicht. Dieses "Alles-oder-Nichts-Prinzip" ist unbefriedigend. Oft hat ein Minderjähriger ein Einkommen, das ihm die Befriedigung zumindest eines Teils seiner Bedürfnisse ermöglicht. Dann vermindert sich auch sein Unterhaltsanspruch. Es ist nicht sachgerecht, in diesen Fällen die vollen Pauschalbeträge des § 6 Abs 2 als Vorschuß zu gewähren. Der § 7 Abs 1 soll erweitert werden: Werden Vorschüsse nach § 4 Z 2 oder 3 gewährt, so soll das Gericht die Pauschalbeträge des § 6 insoweit herabsetzen können, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Es verringern sich also die Vorschüsse um die dem Kind anzurechnenden eigenen Einkünfte."
Da der Wortlaut und der Zweck des § 7 Abs 1 Z 1 UVG nicht ident mit § 7 Abs 1 Z 2 UVG ist, worauf die Entscheidung 4 Ob 549/91 ausdrücklich verweist, war diese Entscheidung für die Lösung des vorliegenden Falles nicht heranzuziehen.
Eigene Einkünfte eines Kindes sind bei der Bemessung des Richtsatzunterhaltes im Zweifelsfall auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil in natura erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen. In der Regel, wenn also nicht besondere Umstände ein anderes Verhältnis nahelegen, wird etwa die Hälfte des eigenen Einkommens dem betreuenden Elternteil und nur die andere Hälfte dem Geldunterhalt schuldenden Elternteil anzurechnen sein.
Die dem mj. Gerald anzurechnenden Einkünfte aus der Lehrlingsentschädigung betrugen demnach im ersten Lehrjahr, das ist bis August 1991, im monatlichen Durchschnitt rund S 1.650,-- und betragen nun im zweiten Lehrjahr rund S 2.670,--. Die Differenz auf den in § 6 Abs 2 Z 3 UVG genannten Betrag (der sich im Jahr 1991 mit S 2.985,-- errechnete), betrug daher bis August 1991 S 1.335,-- und würde seither S 315,-- betragen, also insoweit nicht einmal den von der zweiten Instanz zugesprochenen Betrag erreichen. Da allerdings das Rechtsmittel des besonderen Sachwalters des Kindes nicht zu einer Verschlechterung führen darf, hatte es für die Zeit nach dem August 1991 bei dem von der zweiten Instanz zugesprochenen Betrag zu verbleiben.
Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.
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