OGH 7Ob511/86

OGH7Ob511/8616.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta di L***, Private, Graz, St. Georgen-Gasse 7, vertreten durch Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei S***, Betriebs- und Vermögensberatungsgesellschaft mbH, Graz, Hans Sachs-Gasse 4, vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 440.201,90 s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 8.Mai 1985, GZ 3 R 144/85-31, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28.Dezember 1984, GZ 6 C 503/83-24, teilweise als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt an rückständigen Mietzins S 440.201,90 s.A. Das Erstgericht sprach aus, daß die Forderung der Klägerin mit S 186.997,-- s.A. zu Recht bestehe (Punkt 1 des Ersturteils) und die gegen die Klagsforderung eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe (Punkt 2 des Ersturteils). Es wies demgemäß das Mehrbegehren von S 253.204,90 s.A. ab (Punkt 3 des Ersturteils) und sprach der Klägerin S 186.997 samt stufenweisen Zinsen (Punkt 4 des Ersturteils) und Kosten (Punkt 5 des Ersturteils) zu. Die Klägerin erhob gegen den abweisenden Teil, die beklagte Partei gegen den Ausspruch über das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung und gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils Berufung.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Klägerin Folge. Es bestätigte das Ersturteil als Teilurteil hinsichtlich der Aussprüche gemäß der Punkte 1, 2 und 4 mit der Maßgabe, daß die Aufrechnungseinrede der beklagten Partei abgewiesen werde und hob im übrigen das Ersturteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Es sprach überdies aus, daß die Revision nicht zulässig ist.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes wurde von der beklagten Partei angefochten. Die beklagte Partei hält mit Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, den Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die Revision unzulässig sei, für verfehlt und erhob ordentliche Revision. Für den Fall, daß ihrem Standpunkt nicht gefolgt werde, erhob sie eine außerordentliche Revision.

Das Erstgericht wies mit dem mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 3.10.1985 (ON 34) die ordentliche Revision unter Hinweis auf den Ausspruch des Berufungsgerichtes zurück und legte die außerordentliche Revision gemäß § 508 Abs 2 ZPO dem Revisionsgericht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

Nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 sind bei der Anfechtung der Urteile der zweiten Instanz drei Bereiche zu unterscheiden: Der Bereich der absoluten Unzulässigkeit der Revision (§ 502 Abs2 und 3), der Bereich der absoluten Zulässigkeit (§ 502 Abs4 Z 2) und der Zwischenbereich (bei einem Streitwert zwischen S 15.000 bzw. S 60.000 und S 300.000). Nur für den letzteren Bereich hat das Berufungsgericht auszusprechen, ob die Revision nach § 502 Abs4 Z 1 ZPO zulässig ist (§ 500 Abs3). Je nach dem Inhalt dieses Ausspruches ist dann gegen die Entscheidung der zweiten Instanz die ordentliche Revision (Zulassungsrevision) oder die außerordentliche Revision zulässig (vgl.Fasching, LB Rdz 1857 f; Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Verfahren in ÖJZ 1983, 176). Dieser Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision ist für die Parteien und die Vorinstanzen bei der Beurteilung, ob eine ordentliche Revision zulässig ist, sowie bei der Behandlung einer Revision als ordentliche oder außerordentliche bindend. Im Bereich der absoluten Zulässigkeit der Revision, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 300.000 übersteigt (§ 502 Abs4 Z 2 ZPO) bedarf es keines Zulässigkeitsausspruches. Der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ist jener des gesamten Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne Rücksicht auf die Art der Entscheidung des Berufungsgerichtes (Fasching, aaO Rdz 1880 mwN). Wenn die Revision nach § 502 Abs4 Z 2 ZPO wegen Überschreitung der oberen Wertgrenze jedenfalls zulässig ist, kann ein Ausspruch der zweiten Instanz über die Zulässigkeit der Revision auch nicht gemäß § 500 Abs3 ZPO erfolgt sein. In diesem Fall ist der unrichtige Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision als nicht beigesetzt anzusehen (Petrasch, aaO 201; 1337 BlgNR 15.GP 20). Er kann auch für die Parteien und die Vorinstanzen bei der Beurteilung der Frage, ob eine ordentliche Revision zulässig ist, nicht bindend sein. Spricht das Berufungsgericht bei einem S 300.000 übersteigenden Streitwert - wie im vorliegenden Fall - irrtümlich aus, daß die Revision unzulässig ist, hat dieser Ausspruch daher nicht zur Folge, daß nunmehr anstelle der ordentlichen Revision (Vollrevision) eine außerordentliche Revision zulässig ist (1337 BlgNR 15.GP 20). Dies hat die Revisionswerberin richtig erkannt und gegen das Teilurteil der zweiten Instanz auch eine ordentliche Revision erhoben. Das Erstgericht hätte die Zustellung der Gleichschrift dieser Revision an den Revisionsgegner verfügen und sodann nach § 508 Abs1 ZPO vorgehen müssen. Es hat jedoch offensichtlich in irrtümlicher Annahme einer Bindung an den Ausspruch des Berufungsgerichtes mit Beschluß vom 3.10.1985 die Revision zurückgewiesen. Dieser Beschluß ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen, sodaß auf die ordentliche Revision nicht mehr einzugehen ist. Eine außerordentliche Revision war jedoch - entgegen der Meinung der Revisionswerberin - von Anfang an unzulässig. Diese Anfechtungsmöglichkeit konnte der beklagten Partei auch nicht durch den als nicht beigesetzt geltenden Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die Revision nicht zulässig ist, eröffnet werden. Demgemäß ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte