Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.634,24 (darin S 439,04 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Wohnbaugenossenschaft ist Alleineigentümerin des Hauses Rathausplatz 1 in Attnang-Puchheim. Ihre Rechtsvorgängerin hat ca. 1950 unmittelbar nach Errichtung des Hauses dem früheren Gemeindearzt Dr. Alwin H*** im 1.Stock eine Arztordination (top.Nr. 4) im Ausmaß von 64 m2 und die daneben liegende Wohnung (top. Nr. 3) im Ausmaß von 80 m2 vermietet. Beide Bestandgegenstände wurden durch eine Verbindungstür verbunden. Zu diesen Mietgegenständen gehört noch ein Kellerraum und ein Dachbodenabteil. Mit seiner Pensionierung Ende Juni 1988 übertrug Dr. H*** dem Beklagten, der von der Gebietskrankenkassa seine Arztstelle erhalten hatte, die Benützung der beiden Bestandgegenstände. Der Beklagte war mit dem Vorschlag der klagenden Partei, die Nutzung an diesen beiden Bestandgegenständen nur bis zur Bezugsmöglichkeit einer Arztordination und einer Wohnung in einem zu erbauenden Haus in Attnang-Puchheim zwischen der Marktstraße und der Bundesstraße 1 zu begrenzen, nicht einverstanden. Die dort zu errichtende Ordination wäre nicht so zentral gelegen, als wie die von Dr. H*** übernommene. Der Beklagte erwarb den Patientenstock von Dr. H*** um S 500.000,-- und die in der Ordination verbliebenen Geräte um S 100.000,--. Dazu übernahm er noch von Dr. H*** die Bibliothek und einen Teil seiner Wohnungseinrichtung. Der Beklagte bezahlte der klagenden Partei einen Mitgliedsbeitrag, einen Baukostenzuschuß sowie eine Kaution von S 20.000,-- und begleicht auch die von der klagenden Partei als Benützungsentgelt gewerteten monatlichen Zahlungen.
Die klagende Partei stützt ihr Räumungsbegehren auf die Behauptung, daß der Beklagte die beiden Bestandobjekte titellos benütze. Es sei zwischen ihr und dem Beklagten zu keiner rechtsverbindlichen Einigung über einen abzuschließenden Nutzungsvertrag gekommen. Der Beklagte verweigere grundlos die Unterfertigung des von der klagenden Partei angebotenen Nutzungsvertrages, in dem ein Kündigungsrecht für die beiden Bestandgegenstände bei Bezugsmöglichkeit der zwei neuen gleichwertigen Bestandgegenstände im Haus, das zwischen der Marktstraße und der Bundesstraße 1 zu errichten sein wird, vorgesehen sei. Bestritten wurde, daß Wohnung und Ordination während der Bestanddauer Dris. H*** stets eine Einheit bildeten. Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, mit der klagenden Partei im Juni 1988 einen mündlichen Mietvertrag ohne die weiteren behaupteten Bedingungen abgeschlossen zu haben. Im übrigen seien die Bestandrechte an den beiden Mietobjekten gemäß § 12 Abs 3 MRG auf ihn übergegangen. Die beiden Bestandobjekte bildeten eine Einheit, die Wohnung sei für die Benützung der Ordination unbedingt erforderlich.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren hinsichtlich der Wohnung top.Nr. 3 im Haus Attnang-Puchheim, Rathausplatz 1, statt und wies das darüber hinausgehende Begehren auf Räumung der Ordination top.Nr. 4 (unbekämpft) ab. Es stellte den eingangs angeführten Sachverhalt fest. Rechtlich folgerte es, daß Dr. H*** mit der entgeltlichen Überlassung der Ordination sein Unternehmen veräußert habe und der Beklagte gemäß § 12 Abs 3 MRG neuer Bestandnehmer hinsichtlich dieses Bestandobjektes geworden sei. Dagegen stelle die benachbarte Wohnung top.Nr. 3 eine selbständige Einheit dar. Der Beklagte habe nicht beweisen können, daß es darüber konkludent zu einem Mietvertragsabschluß gekommen sei. Zufolge titelloser Benützung sei der Beklagte daher zur Räumung verpflichtet. Über Berufung der beklagten Partei, sohin nur gegen den stattgebenden Teil dieses Urteiles, änderte das Berufungsgericht diese Entscheidung dahin ab, daß es auch das Räumungsbegehren hinsichtlich der Wohnung (top.Nr. 3) abwies. Es stellte folgenden Sachverhalt ergänzend fest: Dr. H*** hat in der neben der Ordination gelegenen Wohnung stets gewohnt (Arztwohnung). Die Verbindungstür zwischen den beiden Mietobjekten wurde von Dr. H*** hergestellt. Er bezahlte aber den Mietzins und die Betriebskosten für die beiden Einheiten stets getrennt. Der Beklagte und Dr. H*** gingen bei ihrer Vereinbarung Ende Juni 1988 davon aus, daß der Beklagte beide Einheiten übernimmt. Der Beklagte hätte noch in der Umgebung, und zwar in Timelkam, ca. 10 km von Attnang-Puchheim entfernt, wohnen können. Ansonsten übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Es folgerte rechtlich, daß die Verwendung und vertragliche Widmung der vom Beklagten übernommenen Mietobjekte zu Geschäftszwecken erfolgt sei, weil diese Verwendung gegenüber jener zu Wohnzwecken bedeutend überwiege. Die beiden Einheiten seien in der Vergangenheit stets als Gemeindearztpraxis und Arztwohnung verwendet worden. Dafür spreche der sich aus der Verbindungstür zwischen den Mietobjekten ergebende äußere Anschein der Zusammengehörigkeit im Sinne einer betrieblichen Einheit. Damit seien die Voraussetzungen für den Übergang der Bestandrechte auf den Beklagten auch bezüglich der Wohnung gemäß § 12 Abs 3 MRG gegeben. Das Berufungsgericht bestimmte den Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, mit S 15.000 übersteigend und S 300.000 nicht übersteigend und ließ die Revision zu.
Gegen den abändernden Teil dieses Urteiles richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteiles, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Im Rahmen der allseitigen rechtlichen Überprüfung war aufzugreifen, daß die klagende Partei ihre Behauptung, das Bestandverhältnis mit Dr. H*** beendet zu haben, nicht beweisen konnte. Voraussetzung einer Klage wegen titelloser Benützung von Räumlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung das Recht des Hauseigentümers, jeden Dritten von einer Benützung auszuschließen. Dieses Recht des Hauseigentümers darf aber weder durch einen Mietvertrag noch durch eine andere obligatorische Vereinbarung beschränkt sein. Solange ein solches, das freie Eigentumsrecht beschränkendes Rechtsverhältnis aufrecht ist, kann der Vermieter nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen, die ihr Benützungsrecht aus dem Recht des Vertragspartners des Vermieters abzuleiten in der Lage sind und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen. Der Vermieter kann sich vor Beendigung dieses Vertragsverhältnisses nur an seinen Vertragspartner halten (vgl. MietSlg 34.042 f, 35.035 ua). Wie das Rechtsverhältnis des benützenden Dritten zum Mieter zu qualifizieren ist, ist dabei ohne Bedeutung (vgl. Spielbüchler in Rummel2 I zu § 366 ABGB, Rz 4 mwN sowie 5 Ob 34/83 und 1 Ob 507/84). Das Räumungsbebehren war daher schon aufgrund der Tatsache, daß dem Beklagten die Benützung der gegenständlichen Wohnung durch den Vertragspartner der klagenden Partei Dr. H*** überlassen worden ist, abzuweisen.
Ansonsten sei bemerkt, daß der erkennende Senat an der bisherigen Rechtsprechung, was unter einer Geschäftsräumlichkeit im Sinne des § 12 Abs 3 MRG zu verstehen ist, festhält (vgl. MietSlg XXXVIII/7 mwN, RdW 1986, 109, JBl 1988, 525, zuletzt 4 Ob 554/89). Der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes wäre daher dann beizupflichten, wenn die beiden Bestandobjekte bei ihrer Vermietung an Dr. H*** gemeinsam in der erkennbaren Absicht vermietet worden wären, daß damit die Voraussetzungen für eine Arztniederlassung zu schaffen sind oder daß eine solche Absprache in der Folge stattgefunden hat. Es müßte zwischen dem Bestandgeber und Dr. H*** ausdrücklich oder konkludent klargestellt worden sein, daß ihm die Wohnung dazuvermietet worden ist, um ihm die Ausübung seiner Ordination zu erleichtern oder ihn überhaupt dazu zu bewegen, sich dort niederzulassen. Richtig ist, daß der vorliegende äußere Tatbestand für eine solche einheitliche Vermietung zum Zweck der Ausübung einer Arztordination spricht. Tatsächlich müßte aber gemäß § 914 ABGB der Parteiwille im aufgezeigten Sinn erforscht werden, weil es auch durchaus möglich wäre, daß die Anmietung der Wohnung subjektiv aus anderen als den geschilderten Gründen erfolgt ist. Aus den bereits geschilderten Gründen war jedoch der Revision keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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