OGH 7Ob501/90

OGH7Ob501/908.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M. S***,

Baugesellschaft mbH & Co KG, St. Georgen i.A., Attergauerstraße 4, vertreten durch Dr. Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Dr. Stefan H***, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen S 485.377 und Feststellung (Feststellungsinteresse S 100.000, Gesamtstreitwert daher S 585.377), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 20. September 1989, GZ 2 R 31/89-16, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 2. November 1989, GZ 5 Cg 405/87-9, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 34.171,20 (darin S 5.695,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 14.644,80 (darin S 2.440,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Herbert I*** wurde zu S 62/85 des Kreisgerichtes Wels der Konkurs eröffnet und Dr. Alois N*** zum Masseverwalter bestellt. Dieser trat dem zu E 4008/85 beim Bezirksgericht Frankenmarkt hinsichtlich der dem Gemeinschuldner gehörenden Liegenschaft EZ 367 der KG Attersee anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren bei und beantragte nach dessen Einstellung mangels Anbotes die kridamäßige Versteigerung. In der Versteigerungstagsatzung vom 25.November 1986 schritt der beklagte Kanzleipartner des Masseverwalters als Vertreter der betreibenden Partei ein. Es wurde ein Schreiben des Rechtsvertreters der Firma Segelservice Attersee Anton S*** Gesellschaft mbH verlesen, in welchem dieser auf ein aufrechtes und unbefristetes Mietverhältnis seiner Mandantin auf der zu versteigernden Liegenschaft hinwies (vgl. ON 53 in E 4008/85 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt). Der Beklagte gab dazu an, daß der Masseverwalter der Firma Segelservice Attersee Anton S*** Gesellschaft mbH lediglich die Einlagerung von Bootszubehör, Bootsteilen, Surfbrettern etc. bis zum rechtskräftigen Zuschlag der Liegenschaft im Versteigerungsverfahren gestattet habe und daher kein unbefristetes Mietverhältnis vorliege. Daraufhin wurde die Liegenschaft der klagenden Partei (als einzigem Bieter zum geringsten Gebot) um S 4,600.000 zugeschlagen (ON 58 in E 4008/85 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt).

Das in der Folge vom Masseverwalter Dr. N*** gegen die Firma Segelservice Attersee Anton S*** GesmbH eingeleitete Räumungsverfahren wurde hinsichtlich der auf der rechten Hälfte der Liegenschaft stehenden Betriebshalle mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 19.Februar 1987 zu 2 C 3/87-5 mit der Begründung abgewiesen, daß darüber zwischen dem Masseverwalter und der genannten Firma ein unbefristeter Mietvertrag geschlossen worden sei.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Bezahlung von S 485.377 sA sowie gegenüber ihm die Feststellung, daß er ihr für alle zukünftigen Schäden, die auf die Erteilung der unrichtigen Auskunft in der Versteigerungstagsatzung vom 25.November 1986 zurückzuführen sind, zu haften habe. Sie brachte vor, der Beklagte habe ihrem Geschäftsführer bei der Versteigerungstagsatzung auf die Frage, ob das von der Firma Segelservice Attersee Anton S*** GesmbH behauptete vom Masseverwalter oder vom Beklagten eingeräumte Mietrecht bestehe, erklärt, daß die dieser Firma vom Masseverwalter eingeräumte Befugnis am Tag der Versteigerung erlösche, obwohl ihm bekannt sein mußte, daß die von ihm mit der Fa. Segelservice Anton S*** Gesellschaft mbH getroffene mündliche Vereinbarung als unbefristeter Mietvertrag zu werten sei. Aufgrund dieser unrichtigen Auskunft habe die klagende Partei dann die Liegenschaft ersteigert. Die klagende Partei habe ihre Absicht, die Liegenschaft ab 1. Dezember 1986 um ein monatliches Entgelt von S 37.441 zu vermieten, nicht verwirklichen können und habe daher bis 30.November 1987 einen Mietzinsentgang von S 449.328 erlitten. Der klagenden Partei sei auch die Einrichtung eines Bauhofes auf der ersteigerten Liegenschaft von der Firma Segelservice Attersee Anton S*** GesmbH verwehrt worden, wodurch ihr ein weiterer Schaden von S 44.299 erwachsen sei. Davon seien die von S*** bezahlten Mietzinse in Abzug zu bringen. Da nicht absehbar sei, wann die Firma S*** die Liegenschaft räume, werde das Feststellungsbegehren erhoben.

Der Beklagte beantragt Klagsabweisung. Er wendete zunächst seine mangelnde Passivlegitimation ein, weil er bei der Versteigerungstagsatzung nur im Auftrag des Masseverwalters eingeschritten sei und alle seine von ihm gesetzten Handlungen allein diesem zuzurechnen seien. Der klagenden Partei sei aber schon vor der Ersteigerung bekannt gewesen, daß hinsichtlich der Mietfreiheit des zu ersteigernden Objektes verschiedene Standpunkte vorgetragen werden. Im übrigen wurde auch das Klagebegehren der Höhe nach bestritten.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, daß der Beklagte die inkriminierte Behauptung nicht wissentlich falsch erhoben habe, vielmehr habe er bei der Versteigerungstagsatzung nur auftragsgemäß für den Masseverwalter gehandelt. Eine solche Vertretung sei zulässig. Demnach habe der Beklagte die von der klagenden Partei als falsche Auskunft bezeichnete Stellungnahme nicht im eigenen, sondern in jenem des Masseverwalters abgegeben. Darüber hinaus stehe der Masseverwalter mit dem Ersteher einer kridamäßig versteigerten Liegenschaft in keiner schuldrechtlichen Sonderbeziehung. Der Ersteher gehöre nicht zum geschützten Kreis der Beteiligten im Sinne des § 81 Abs 3 KO. Das Berufungsgericht hob über Berufung der klagenden Partei dieses Urteil mit dem angefochtenen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es folgerte rechtlich, daß der Substitut des Masseverwalters, der selbst Rechtsanwalt sei, nicht zu dessen Erfüllungsgehilfen werde, sondern eigenverantwortlicher Geschäftsbesorger sei. Der Masseverwalter hafte daher nur für die Auswahl des Substituten nach § 1315 ABGB, nicht aber nach § 1313 a ABGB. Der Beklagte hafte daher für eine unrichtige Auskunftserteilung gegenüber einem Dritten mit derselben Sorgfaltspflicht, mit der sein Gewaltgeber zu haften hätte, hätte er das Geschäft selbst besorgt. Neben der speziell geregelten Haftung des Masseverwalters gegenüber dem geschützten Personenkreis des § 81 Abs 3 KO bestehe auch eine Haftung gegenüber Kaufinteressenten oder sonstigen Vertragspartnern nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts. Gegenüber solchen Personen treffe auch den Masseverwalter eine Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht über die Beschaffenheit des in Aussicht genommenen Leistungsgegenstandes. Die kridamäßige Versteigerung einer Liegenschaft sei ihrem Wesen nach nur als qualifizierte Art der Veräußerung durch den Masseverwalter zu bewerten. Diesen treffe daher gegenüber dem Kaufinteressenten eine wahrheitsgemäße Auskunftspflicht. Die Haftungsfolgen nach § 1300 ABGB träfen auch einen "Quasi-Hoheitsträger", wie es der Masseverwalter sei. Das Erstgericht habe daher im fortgesetzten Verfahren über den Einwand des Beklagten, der klagenden Partei sei bereits vor Ersteigerung erkennbar gewesen, daß über die Anmietung der Halle verschiedene Rechtsstandpunkte eingenommen werden, zu erkennen und allenfalls ein Mitverschulden der klagenden Partei daraus abzuleiten. Im übrigen sei das Verfahren weder zur Schadenshöhe noch zum Feststellungsinteresse spruchreif. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Die klagende Partei beantragt, diesem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Unterinstanzen haben zutreffend erkannt, daß der Masseverwalter, obwohl er sein Amt persönlich auszuüben hat, auch dann, wenn er Rechtsanwalt ist, von der Substitutionsbefugnis nach den §§ 15 RAO und 31 ZPO Gebrauch machen kann (vgl. Bartsch-Pollak3, I, 403 Anm. 9 II, 329 Anm. 5 ff, Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht, 165 f). Die von Petschek-Reimer-Schiemer geforderte Beschränkung dieser Befugnis auf den Anwaltsprozeß kann aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden. Durch die Beauftragung eines Substituten könnten nur die dadurch verursachten Prozeßkosten Gegenstand einer Haftung des Masseverwalters für unnötig verursachte Schmälerung der Masse werden (vgl. Bartsch-Pollak aaO). Der in Lehre und Rechtsprechung zum Teil kontroversiell beantworteten Frage über die Abgrenzung des Erfüllungsgehilfen vom Substituten (vgl. Strasser in Rummel2 zu § 1010 ABGB Rz 2 bis 6 mwN) kommt nur für die Beurteilung der Haftung zwischen Auftraggeber, seinem Vollmachtnehmer und dem Substituten bzw. Unterbeauftragten Bedeutung zu. Sie ist aber für die Beurteilung der Haftung des Substituten gegenüber einem Dritten ohne Belang. § 1017 Satz 1und 2 ABGB regelt die regelmäßigen Wirkungen der sogenannten direkten Stellvertretung (vgl. Strasser aaO zu § 1002 ABGB Rz 43 ff). Folge der direkten Stellvertretung ist, daß der Geschäftsherr unmittelbar Partei des vom Vertreter vorgenommenen Ausführungsgeschäfts wird, gleichgültig, ob es sich dabei um ein einseitiges oder zweiseitiges Rechtsgeschäft handelt. Der Vertreter selbst wird durch sein vertretungsweises Handeln dem Dritten gegenüber grundsätzlich nicht berechtigt oder verpflichtet, d.h. es entsteht zwischen ihm und dem Dritten kein Rechtsverhältnis (vgl. VR 1987, 101). So ist zB die Obliegenheitsverletzung durch den zur Abwicklung eines Versicherungsverhältnisses Bevollmächtigten dem Versicherungsnehmer zuzurechnen (vgl. SZ 53/100). Desgleichen ist dem Vertretenen das Wissen um rechtserhebliche Vorgänge, das der Vertreter im Zuge des vertretungsweisen Handelns erlangt, zuzurechnen (vgl. VwSlg. 11.127 A = Arb. 10.295). Voraussetzung dieser Rechtsfolge ist, daß der Geschäftsbesorger als direkter Stellvertreter fungiert und agiert (vgl. Strasser aaO zu § 1017 Rz 3). Eine vertragliche Haftung des Beklagten ist daher zu verneinen. Eine Haftung des beklagten Vertreters des Masseverwalters gegenüber der klagenden Partei könnte sich - vorausgesetzt, man sieht sie in ihrer Bieterfunktion als künftigen Vertragspartner der Masse an - nur aus einem deliktischen Handeln oder Vorsatz ergeben. Dieser Grundsatz gilt nur bei Schutzgesetzverletzungen durch den Vertreter oder in den Fällen nicht, in denen das Verschulden des Vertreters dem Vertretenen nicht zugerechnet werden kann (vgl. SZ 56/135 = JBl 1984, 669 = RdW 1984, 40 = NZ 1984, 60 mwN). Die klagende Partei hat aber weder behauptet noch bewiesen, daß die inkriminierte Behauptung des Beklagten in der Meistbotsversteigerungstagsatzung von ihm frei erfunden worden wäre, vielmehr wäre aufgrund der Sachlage davon auszugehen, daß der Beklagte nur eine ihm vom Masseverwalter erteilte Information, wie die eines Mandanten vorgetragen hat.

Die klagende Partei zählt auch nicht zum Kreis der vom Masseverwalter zu schützenden Beteiligten im Sinne des § 81 Abs 2 und 3 KO, weil dazu nur die Konkursgläubiger, Personen, denen ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht zusteht (vgl. SZ 29/82, EvBl 1966/119, EvBl 1970/333), weiters Anfechtungsgläubiger und Garanten im Zwangsausgleichsverfahren zählen (vgl. Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht, 171). Die kridamäßige Versteigerung einer Liegenschaft dient zwar der Veräußerung des unbeweglichen Konkursvermögens, sie ist aber dennoch ein Exekutionsverfahren im Sinne der EO, wie sich aus § 119 Abs 2 KO ergibt. Dem Masseverwalter kommt daher, sieht man von den ihm speziell eingeräumten Dispositionsbefugnissen ähnlich einer betreibenden Partei ab, kein Einfluß auf die dem Exekutionsrichter allein vorbehaltene Verfahrensabwicklung zu. Gleich ob man die vom Berufungsgericht nicht geteilte Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes, daß die Beratung derjenigen Personen, die Gegenstände aus der Konkursmasse kaufen, nicht zu den Amtspflichten des Masseverwalters gehört, übernimmt (so SZ 28/305) oder nicht, kommt man daher zum Ergebnis, daß die kridamäßige Versteigerung nicht einem Freihandverkauf des Masseverwalters gleichgehalten werden kann und daher eine Prozeßbehauptung des Masseverwalters in der Versteigerungstagsatzung, sofern sie nicht in Irreführungsabsicht erfolgt oder das Ergebnis einer mutwilligen Prozeßführung ist, solange darin kein Zugeständnis oder eine Garantiezusage zu erblicken ist, keine Beratung im Sinne des § 1300 ABGB darstellt. Durch die, wie sich später herausstellte, unrichtige Behauptung des Beklagten über die Bestandfreiheit der zu ersteigernden Liegenschaft wurde die klagende Partei auch in keinem absolut geschützten Recht, sondern an ihrem Vermögen verletzt. Da die klagende Partei nicht beweisen konnte, daß diese Vermögensminderung auf eine vorsätzliche, gegen ein Schutzgesetz bzw. gegen eine vorvertragliche Sorgfaltspflicht verstoßende Handlungsweise des Beklagten zurückzuführen ist, reicht die dann - eine Feststellung, daß der Beklagte mit der inkriminierten Behauptung nur auftragsgemäß eine Information des Masseverwalters weitergeleitet hat, fehlt - allenfalls verbleibende fahrlässige Herbeiführung eines Vermögensschadens durch den Beklagten nicht zur Begründung des Anspruches der klagenden Partei aus (vgl. Koziol2, Haftpflichtrecht II, 20 ff mwN). Es war daher gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO in der Sache selbst durch Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteiles zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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