European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00004.840.0216.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wieder hergestellt. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 6.514,22 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.280 S Barauslagen und 387,72 S Umsatzsteuer) sowie die mit 4.889,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 335,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger ist Eigentümer eines Wohnhauses in *****, für das er bei der Beklagten eine Gebäudeschutzversicherung abgeschlossen hat, die sowohl eine Leitungswasserschadenversicherung als auch eine Haushaltsversicherung umfasst. Für die Haushaltsversicherung ist folgende Obliegenheit vereinbart: „Es wird versicherungsgültig vereinbart, dass während der Zeit des Unbewohntseins des Gebäudes, in dem sich die versicherten Sachen befinden, in den Wintermonaten sämtliche Rohrleitungen und Wasserbehälter entleert gehalten werden“. Für die Leitungswasserschadenversicherung wurde folgende Obliegenheit vereinbart: „Für gute Instandhaltung der Wasserleitungsanlagen ist zu sorgen. Sollte das versicherte Gebäude während der Wintermonate unbewohnt und unbeaufsichtigt bleiben, sind solche Anlagen abzusperren und entleert zu halten. Sie verringern dadurch die Frostgefahr“. Der Kläger hat bei Abschluss des Versicherungsvertrags die Versicherungsvariante für unbewohnte bzw nicht ständig benützte Wohnobjekte gewählt. Er bewohnt nämlich das versicherte Haus nicht ständig, sondern kommt seit Herbst 1981 dorthin nur ca alle 14 Tage zu den Wochenenden. Im Hinblick auf die Distanz zu seinem Wohnort in ***** hat er von allem Anfang an seinen in Altmünster wohnenden Bruder ersucht, bei dem Haus nach dem Rechten zu sehen. Der Bruder des Klägers hat zwei bis dreimal pro Woche beim Haus vorbeigeschaut, ob alles in Ordnung ist. Während der Wintermonate hatte der Kläger die Heizung eingeschaltet und die Raumtemperatur auf ca 15°C gehalten. Im Jänner 1982 herrschten Temperaturen von mindetens 10°C minus. Vor Februar 1982 hat der Kläger das Haus letztmalig ca Mitte Jänner 1982 besucht. Anfang Februar 1982 fuhr seine Freundin nach *****, wobei sie im Haus feststellte, dass aufgrund eines Wasserrohrbruchs Wasser in großen Mengen ausgetreten war. Durch diesen Austritt sind erhebliche Schäden entstanden, bezüglich derer die Beklagte die Gewährung von Versicherungsschutz unter Hinweis auf die oben wiedergegebenen Obliegenheiten und deren Verletzung durch den Kläger verweigert. Während das Erstgericht das Klagebegehren auf Deckung aus der Versicherung mit der Begründung abwies, der Kläger habe eine Obliegenheitsverletzung begangen, weil er, obwohl das Haus im Winter nicht ständig bewohnt und beaufsichtigt gewesen sei, die Wasserleitungsanlagen nicht abgesperrt und entleert habe, gab das Berufungsgericht dem Begehren auf Feststellung der Deckung aus der Leitungswasserschadenversicherung mit der Begründung statt, das Erfordernis nach Beaufsichtigung des Hauses dürfe nicht überspannt werden. Die durch den Bruder des Klägers ausgeübte Beaufsichtigung sei ausreichend gewesen. Dagegen bestätigte es die Abweisung des Feststellungsbegehrens bezüglich der Hausratsversicherung mit der Begründung, in dieser bestehe die Obliegenheit, sämtliche wasserführenden Anlagen entleert zu halten, falls das Haus nicht bewohnt sei, ohne dass eine Einschränkung im Hinblick auf eine Beaufsichtigung gemacht worden sei. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S und der gesamte Streitgegenstand 300.000 S übersteigt. Außerdem erklärte es die Revision für zulässig. Die von der Beklagten gegen den abändernden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt. Auszugehen ist davon, dass das Gebäude in den Wintermonaten nicht ständig bewohnt war, insbesondere nicht in jenem Zeitraum, in dem es zu dem Wasserschaden gekommen ist. Fraglich kann daher nur sein, ob das Haus beaufsichtigt im Sinne der vereinbarten Obliegenheit war. Dem Berufungsgericht mag zugegeben werden, dass das Erfordernis der Beaufsichtigung nicht überspannt werden darf. Man wird also etwa nicht eine ständige Anwesenheit der Aufsichtsperson im Gebäude verlangen können. Andererseits kann aber der Sinn der vereinbarten Obliegenheit nicht außer Betracht gelassen werden. Abgesehen davon, dass dieser sowieso von Vornherein jedermann klar sein muss, wurde er noch durch den Hinweis auf die angestrebte Verringerung der Frostgefahr (gemeint jedenfalls der Gefahr von Schäden durch Frost) auf eine jeden Zweifel ausschließende Art verdeutlicht. Die Beaufsichtigung sollte also die Gefahr von Schäden durch Frost auf jenes Ausmaß verringern, das auch bei einem ständig bewohnten Gebäude nicht zu vermeiden ist. Natürlich wird auch in einem ständig bewohnten Gebäude nicht ununterbrochen eine Person im Haus sein oder die wasserführenden Anlagen einer ununterbrochenen Beobachtung unterziehen. Keinesfalls kann aber durch eine zwei- bis dreimal wöchentlich vorgenommene Kontrolle jene Beaufsichtigung erreicht werden, die das Maß einer Gefahr durch Frostschäden auf jenen Umfang einschränkt, der auch bei ständigem Bewohnen des Gebäudes gegeben ist. Ein nicht ständig bewohntes Gebäude, in dem lediglich eine Person nach ihrem Gutdünken zwei- bis dreimal in der Woche „nach dem Rechten sieht“, ist nicht beaufsichtigt im Sinne der vereinbarten Obliegenheit. Es ergibt sich sohin, dass der Kläger auch in der Leitungswasserschadenversicherung eine Obliegenheitsverletzung begangen hat, bezüglich derer unstrittig ist, dass sie zur Leistungsfreiheit der Beklagten führt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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