OGH 7Ob42/94

OGH7Ob42/9422.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Werner W*****, vertreten durch Dr.Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versicherungsdeckung (Streitwert S 150.000,-- sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. September 1994, GZ 3 R 221/93-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27. September 1993, GZ 28 Cg 305/93-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1965/82) zugrunde. Deren Art.6 Abs.5 bestimmt, daß der Versicherte alles zu vermeiden hat, wodurch unnötig die Kosten erhöht oder ihre Erstattung durch die Gegenseite erschwert werden könnten. Vertragsgemäß ist auch Rechtsschutz für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten zu gewähren. Der Kläger beabsichtigte, gegen seinen früheren Dienstgeber, die V***** AG, eine Klage sowohl auf Leistung von nicht bezahlten Valorisierungsbeträgen einer vertraglich zuerkannten Mietaufwandsentschädigung für den Zeitraum November 1991 bis März 1993 im Ausmaß von S 12.484,-- als auch auf Feststellung, daß dieser auch in Zukunft zur Zahlung der Valorisierungsbeträge verpflichtet sei, einzubringen. Den Feststellungsanspruch bewertete der Kläger im Klagsentwurf mit S 100.000,--. In ihrem Schreiben vom 19.4.1993 verwies die Beklagte auf Art.6 Abs.5 der ARB 1965/82 und schlug vor, das Feststellungsbegehren mit S 60.000,-- zu bewerten. Der Kläger brachte in der Folge dennoch die Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien mit einem Streitwert von S 100.000,-- für das Feststellungsbegehren ein.

Im gegenständlichen Verfahren begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, in dem vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien gegen die V***** AG geführten Verfahren wegen 1. Leistung, Streitwert S 12.484,-- sA, und 2. Feststellung, Streitwert S 100.000,--, Gesamtstreitwert S 112.484,-- sA, aufgrund des aufrechten Versicherungsverhältnisses aus der Rechtsschutzversicherung Deckung zu gewähren. Er habe Anspruch darauf, den Streitwert so festzusetzen, wie er dem tatsächlichen Wert und der Wichtigkeit der Angelegenheit entspreche. Die Bewertung des Interesses mit S 100.000,-- sei auch in dem Umstand begründet, daß der ehemalige Dienstgeber ihm angeboten habe, für die Mietaufwandsentschädigung eine Gesamtabfindung von S 400.000,-- zu leisten.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, dem Kläger sei durch ihr Begehren auf Herabsetzung des Feststellungsstreitwertes auf S 60.000,-- kein rechtlicher oder prozessualer Nachteil erwachsen. Eine analoge Anwendung des § 9 RATG auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ergebe einen Streitwert von S 26.460,-- für das Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Versicherungsnehmer stehe es, wie sich aus Art.6 Abs.5 der ARB iVm der allgemeinen Obliegenheit des Versicherungsnehmers, auch die Interessen des Versicherers zu wahren, soweit dies ohne Beeinträchtigung der eigenen Rechtssphäre möglich sei, ergebe, nicht frei, unter Berufung auf § 56 JN das Feststellungsbegehren beliebig hoch zu bewerten. Im vorliegenden Fall sei für die Feststellungsklage ohne Rücksicht auf den Streitwert das Arbeits- und Sozialgericht Wien zuständig, weshalb keine prozessualen Nachteile mit einer Bewertung des Feststellungsinteresses mit S 60.000,-- verbunden gewesen wären. § 58 Abs.1 JN bzw § 9 RATG könnten zwar auch nicht analog angewendet werden, weil der Valorisierungsbetrag in keiner gleichbleibenden Geldsumme bestehe, doch lasse sich aus den zitierten Normen ein Ansatzpunkt dafür gewinnen, mit welchen Streitwerten der Gesetzgeber einen Rechtsstreit bewertet haben wolle.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstandes als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es teilte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Dem Erstgericht könne lediglich bei der Annahme der Unanwendbarkeit des § 58 Abs.1 JN auf das gegenständliche Feststellungsbegehren nicht gefolgt werden, da diese Norm nicht darauf abstelle, ob die wiederkehrenden Leistungen stets in gleichbleibender Höhe oder, etwa aufgrund einer Wertsicherung, in Zukunft in veränderlicher Höhe anfallen. Richtigerweise wäre daher dem Feststellungsbegehren ein Streitwert vom Dreifachen der Jahresleistung zugrundezulegen gewesen; dieser aber erreiche nicht den von der Beklagten gewünschten Feststellungsstreitwert von S 60.000,--.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsschutzversicherung soll den Versicherungsnehmer instandsetzen, sein rechtliches Interesse wahrzunehmen, indem sie für die Kosten des Rechtsschutzes eintritt und deren Risiko durch Beistellung des Rechtsanwaltes auf Rechnung des Versicherers abnimmt (vgl SZ 46/125, VersR 1975, 195, zuletzt VersR 1990, 1040). Der Oberste Gerichtshof hat zu 7 Ob 22/85 (= SZ 58/118) zu Art.7 Abs.6 lit.b ARB, der ebenfalls eine "Abstimmungsobliegenheit" (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung5, Rz 19 zu § 15) normiert, ausgesprochen, daß die Forderung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer, weniger als dieser vorhat einzuklagen, dann unbillig ist, wenn dem Versicherungsnehmer dadurch Rechtsnachteile entstehen können. Dieser Grundsatz hat auch für die in Art.6 Abs.5 ARB 1965/82 normierte weitere Abstimmungsobliegenheit zu gelten, da beide Bestimmungen der Vermeidung unnötiger Kosten dienen (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 459). Diese Vertragsbestimmungen stellen eine auf die spezifischen Bedürfnisse der Rechtsschutzversicherung zugeschnittene Ausprägung der an sich schon nach § 62 VersVG bestehenden Schadensminderungsobliegenheit des Versicherungsnehmers dar, die entstehenden Rechtskosten so gering wie möglich zu halten. Er darf das legitime Interesse des Versicherers und der versicherten Gemeinschaft, nur die notwendigen Kosten einer Interessenwahrnehmung übernehmen zu müssen, nicht durch eigenmächtiges Handeln durchkreuzen. Allerdings gilt dieser Grundsatz nur, soweit hiedurch nicht vorrangige Interessen des Versicherungsnehmers an umfassender Klärung seines Rechtsfalles oder baldiger Durchsetzung seiner Ansprüche unbillig beeinträchtigt werden (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung5 § 15 Rz 12 und 19). Im Gegensatz zu dem der Entscheidung 7 Ob 22/85 zugrundeliegenden Sachverhalt konnte dem Kläger eine Bewertung des Feststellungsbegehrens mit S 60.000,-- anstelle des begehrten Feststellungsinteresses von S 100.000,-- keine Nachteile mit sich bringen und war daher nicht unbillig. Sieht man davon ab, daß das arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren, in dem der Anspruch des Klägers gegen seinen Dienstgeber geltend gemacht worden ist, ohnedies keine Zweiteilung der ersten Instanz in bezirks- und landesgerichtliches Verfahren und einen weitergehenden Rechtsmittelzug als die ZPO vorsieht, läßt eine Bewertung des Feststellungsbegehrens mit S 60.000,-- dem Kläger gemäß § 502 Abs.2 ZPO die gleichen Revisionsmöglichkeiten wie eine Bewertung mit S 100.000,-- zu. Der Kläger hat daher mit seinem trotzdem mit S 100.000,-- bewerteten Feststellungsbegehren gegen die ihn nach Art.6 Abs.5 ARB 1965/82 treffende Obliegenheit vorsätzlich verstoßen und hat damit bewußt in Kauf genommen, daß die beklagte Versicherung für ihn mehr an Prozeßkosten zu ersetzen hat, als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen eine Deckungsverpflichtung der Beklagten für die vom Kläger begehrte Klagsführung abgelehnt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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