OGH 7Ob39/63

OGH7Ob39/6313.2.1963

SZ 36/25

Normen

ABGB §1017
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §10
VersVG §67
ABGB §1017
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §10
VersVG §67

 

Spruch:

Die Kenntnis des Versicherers (Bevollmächtigten, § 10 AKB.) ist der Kenntnis des Versicherungsnehmers (Vollmachtgebers) gleichzuhalten.

Entscheidung vom 13. Februar 1963, 7 Ob 39/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 18. August 1957 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der von Josef B. gelenkte und dem Johann B. gehörige Personenkraftwagen mit dem von A. A. jun. gelenkten und dem A. A. sen. gehörigen Personenkraftwagen zusammenstieß. Der Wagen des A. erlitt einen Totalschaden, wofür er von seiner Versicherungsanstalt, der klagenden Partei, auf Grund einer Vollkaskoversicherung einen Betrag von 24.833 S ausbezahlt erhielt. Bei dem Unfall wurden die Insassen beider Wagen, und zwar Josef B. (Zweitbeklagter), E. B., Ch. B., A. A. sen. und jun. und Anneliese A. mehr oder weniger schwer verletzt. Josef B. wurde deshalb nach § 335 StG. rechtskräftig verurteilt, A. A. jun. wurde freigesprochen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Versicherungsanstalt des A. A. sen. von den beiden Beklagten den Ersatz des auf Grund der Kaskoversicherung bezahlten Betrages von 24.833 S. Die Beklagten wendeten ein, in einem außergerichtlichen Vergleich seien zwischen ihnen und A. alle gegenseitigen Ansprüche bereinigt worden. Weiters wendeten sie ein Mitverschulden des A. A. jun. am Unfall ein und machten Gegenforderungen von 65.400 S geltend, die sich aus einer Schmerzensgeldforderung von 60.000 S der beim Unfall schwer verletzten Gattin des Zweitbeklagten, E. B. und einem dem Mitverschulden entsprechenden Anteil am Sachschaden des Personenkraftwagens des Erstbeklagten zusammensetzten. Die Angemessenheit des von der klagenden Partei an A. A. ausbezahlten Betrages bekämpften sie nicht.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung des Klagsbetrages und sprach aus, daß ihre Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen. Es stellte fest, die klagende Partei habe mit Schreiben vom 13. November 1958 die Versicherungsanstalt des Erstbeklagten ersucht, den von ihr an den Erstbeklagten bezahlten Betrag aus der Vollkaskoversicherung bis 31. Dezember 1958 in Deckung zu nehmen. Das Schreiben sei bei der Versicherungsanstalt des Erstbeklagten eingelangt, es sei ihm aber nicht entsprochen worden. In dem Rechtsstreit des A. A. jun. gegen die beiden Beklagten wegen Schadenersatz aus dem Verkehrsunfall sei zwischen den Streitteilen am 2. Mai 1959 ein außergerichtlicher Vergleich zustandegekommen, dem auch die anderen durch den Unfall Geschädigten beigetreten seien. Dadurch sollten alle wie immer gearteten Forderungen der Vergleichspartner gegeneinander, die sie aus welchem Titel immer im Zusammenhang mit dem Unfall geltend gemacht haben bzw. geltend machen könnten, sei es gegenwärtig oder in Zukunft, ein für allemal verglichen und bereinigt sein ... Auch E. B. sollte selbst dann keine Forderung mehr stellen können, wenn sich in Zukunft Schäden herausstellen sollten, die bei Vergleichsabschluß weder bekannt noch vorhanden waren. Der damalige Vertreter der Beklagten Dr. M. habe vor Vergleichsabschluß von der Versicherungsanstalt des Erstbeklagten die Ermächtigung zum Vergleich eingeholt, hiebei sei ihm nichts von der Versicherungsleistung der klagenden Partei an A. A. sen. mitgeteilt worden, obwohl diese der Versicherungsanstalt B. seit dem Schreiben vom 13. November 1958 bekannt gewesen sei. Den Beklagten und deren Anwalt gegenüber sei vor Abschluß des Vergleiches von einer Vollkaskoversicherung des A. A. sen. nichts erwähnt worden.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, durch die Zahlung des Versicherungsbetrages seitens der klagenden Partei an A. A. sei dessen Forderung gegen die Beklagten auf die klagende Partei übergegangen. Sie sei durch den Vergleich nicht berührt worden, weil der Versicherer der beklagten Partei vor Abschluß des Vergleiches von der Forderung der klagenden Partei aus der Kaskoversicherung in Kenntnis gesetzt worden sei und ihm daher der gute Glaube gefehlt habe. Dagegen sei die Gegenforderung der Beklagten durch den Vergleich bereinigt worden.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, daß das Wissen des Versicherers dem Wissen des Versicherten gleichzuhalten sei. Der geschlossene Vergleich hindere die klagende Partei nicht, sich an den Beklagten schadlos zu halten, da sie nicht Partnerin des Vergleiches gewesen sei. Hingegen könnten die Beklagten wegen des Vergleiches keine Forderungen mehr erheben. Es hob das Urteil des Erstgerichtes aber auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an dieses Gericht zurück, weil die Frage des Mitverschuldens des A. A. jun. am Unfall zu klären sei, worüber das Erstgericht keine Beweise aufgenommen und keine Feststellungen getroffen habe. Die bloße Verlesung des Strafaktes genüge hiezu nicht.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie bereits das Erstgericht ausgeführt hat, ging die Forderung des A. A. sen. gegen die beiden Beklagten auf Ersatz des ihm zugefügten Schadens durch die Zahlung seitens seiner Versicherungsanstalt an ihn gemäß § 67 VVG. auf diese über. Durch diese Zession entstand gemäß § 1395 ABGB. zwar keine neue Verbindlichkeit zwischen der klagenden Partei und B. und waren die Beklagten berechtigt, sich mit A. abzufinden, aber nur solange ihnen die Übernahme nicht bekannt war. Nachher konnten sie mit schuldbefreiender Wirkung nicht mehr an A. zahlen oder sich mit ihm abfinden. Die Untergerichte setzten nun den Zeitpunkt der Kenntnis der Zession an die klagende Partei mit November 1958 fest, weil sie die Kenntnis der Versicherungsanstalt des Johann B. der Kenntnis der Beklagten und deren Rechtsvertreter gleichstellten. Sie stützten sich hiebei auf § 10 AKB.

Es ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß aus diesen Bestimmungen ein Vollmachtsverhältnis zwischen Versichertem und Versicherer hervorgeht, wonach der Versicherer als bevollmächtigt gilt, alle ihm zur Befriedigung oder Abwehr der Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen der versicherten Person abzugeben. Aus dieser Vollmacht ergibt sich aber, daß der Versicherungsnehmer ähnlich wie bei einem sonstigen Bevollmächtigten die Erklärungen und die Kenntnis des Bevollmächtigten für und gegen sich gelten lassen muß, daß also die Kenntnis des Bevollmächtigten (Versicherers) der Kenntnis des Vollmachtgebers (Versicherungsnehmers) gleichzustellen ist (§ 1017 ABGB.), soweit es sich um Angelegenheiten handelt, die in die Versicherungspflicht fallen. Das war aber bei Abschluß des Vergleiches mit A. der Fall. Der damalige Vertreter der Beklagten hat sich auch vorher von der Versicherungsanstalt des Erstbeklagten Instruktionen und die Ermächtigung zum Vergleichsabschluß geholt. Es ist daher den Untergerichten beizustimmen, daß infolge der Kenntnis der Versicherungsanstalt des Erstbeklagten vom Übergang der Forderungen A. auf die klagende Partei die Beklagten nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an A. leisten und Vergleiche abschließen konnten. Die Forderung der klagenden Partei blieb ihnen gegenüber vielmehr bestehen. Der von den Beklagten im Rekurs gezogene Umkehrschluß ist irrig, denn es gilt auf Grund der genannten Bestimmungen des § 10 AKB. zwar der Versicherer zu diesen Handlungen namens des Versicherten bevollmächtigt, nicht aber umgekehrt der Versicherte für den Versicherer. Daher wurde in verschiedenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ausgesprochen, daß der Versicherer das Urteil in einem Haftpflichtprozeß nur dann gegen sich gelten lassen muß, wenn ihm Gelegenheit gegeben worden war, auf das Verfahren Einfluß zu nehmen.

Was den Zweitbeklagten anlangt, so gilt er als berechtigter Fahrer gemäß § 10 (1) AKB. als mitversichert. Es gilt für ihn daher ebenfalls das oben für den Erstbeklagten Gesagte, auch wenn er selbst nicht Vertragspartner des Versicherungsvertrages war (vgl. Stiefel - Wussow, Kraftfahrversicherung 5 S. 302).

Die Beklagten waren aber berechtigt, ihre eigenen Forderungen, soweit diese nicht ebenfalls auf dritte Personen übergegangen sind, zu vergleichen und auch darauf zu verzichten. Mit der Erklärung, daß durch den Vergleich alle wie immer gearteten Forderungen bereinigt sind, haben sie sich des Rechtes begeben, nunmehr darüber hinausgehende Forderungen einredeweise geltend zu machen. Da auch E. B. den Vergleich abgeschlossen hat, gilt das auch für sie. Es erübrigen sich daher Erörterungen darüber, ob die Abtretung ihrer Forderung an ihren Gatten rechtsgültig erfolgt ist.

Wohl können aber die Beklagten der klagenden Partei alle Einreden entgegenhalten, die sie dem ursprünglichen Gläubiger, also A. A. gegenüber, gehabt hätten. Dazu gehört die Einrede des Mitverschuldens des A. A. jun. am Unfall, auf welche Einrede sie beim Vergleich nicht verzichtet haben. Durch den Freispruch des A. A. jun. im Strafverfahren wurde diese Frage nicht für den Zivilrichter verbindlich gelöst. Das Erstgericht hätte darüber vielmehr Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Die bloße Verlesung des Strafaktes, wobei überdies die entsprechenden Feststellungen in dieser Richtung unterlassen wurden, genügt hier nicht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, weil dies dem Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens widerspricht. Die Aufhebung des Ersturteiles zur Klärung dieser Frage erfolgte überdies im Interesse der Beklagten. Sie können sich dadurch nicht beschwert erachten.

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