OGH 7Ob357/62

OGH7Ob357/6223.1.1963

SZ 36/11

Normen

ABGB §916 (2)
ABGB §1078
ABGB §916 (2)
ABGB §1078

 

Spruch:

Freundschaftskauf löst Vorkaufsrecht nicht aus.

Entscheidung vom 23. Jänner 1963, 7 Ob 357/62.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Beklagte hat mit Übergabsvertrag vom 14. November 1961 zwei Liegenschaften im Einheitswert von 577.000 S an H. Sch. übergeben. Die Klägerin, der an diesen Liegenschaften mit Ausnahme einiger Parzellen das Vorkaufsrecht zusteht, hat, nachdem sie am 14. Dezember 1961 von der Übergabe erfahren hat, ihr Vorkaufsrecht geltend gemacht und den Beklagten aufgefordert, den Vertrag in gleicher Form mit ihr abzuschließen. Der Beklagte weigerte sich, mit der Klägerin einen solchen Vertrag zu schließen, und löste im Einverständnis mit H. Sch. den Übergabsvertrag am 18. Dezember 1961 wieder auf. Die Klägerin begehrte nunmehr auf Grund ihres Vorkaufsrechtes vom Beklagten die Einwilligung in den Abschluß eines Kaufvertrages mit ihr zu den mit H. Sch. vereinbarten Bedingungen.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, weil es sich nach seiner Ansicht bei dem Vertrag um eine von einem Kaufvertrag abweichende Veräußerung handelt, die das Vorkaufsrecht der Klägerin nicht ausgelöst habe. Der festgestellte wahre Wille des Beklagten und des Sch. bei Vertragserrichtung sei auf eine Schenkung gerichtet gewesen. Daß der Beklagte seine Liegenschaften dem H. Sch. nicht verkauft, sondern im wesentlichen verschenkt habe, ergebe sich aus dem Inhalt des Übergabsvertrages und aus dem vereinbarten Übergabspreis. Denn dieser betrage, abgesehen von dem wahren Willen der Vertragsteile, weniger als ein Fünftel des Verkehrswertes der im Übergabsvertrag angeführten Grundstücke. Es handle sich daher um eine gemischte Schenkung, um einen Glücksvertrag oder Rentenvertrag.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Ausgehend von den erstrichterlichen Feststellungen, nimmt das Berufungsgericht an, daß hier ein Scheinvertrag beabsichtigt und der Parteiwille auf ein im wesentlichen unentgeltliches Geschäft gerichtet war. Das überwiegende Element der Schenkung gehe aber auch mit Rücksicht auf das Verhältnis des wahren Wertes der Liegenschaft von rund 2.9 Millionen Schilling zum Übergabspreis von 577.000 S hervor. Das Motiv für die Unentgeltlichkeit sei die Freundschaft zwischen den Vertragspartnern gewesen. Es ist dem Vertrag zu entnehmen, daß es sich um die Überlassung zu einem besonders billigen, weil unter dem wahren Wert liegenden Preis handelt, und dies mußte insbesondere die Klägerin erkennen, da sie die Liegenschaft kannte und daher auch erkennen mußte, daß es sich um eine Überlassung weit unter dem wahren Wert handelte, wie dies häufig bei einer bäuerlichen Gutsübergabe zwischen Verwandten vorkommt. Der Vertrag nenne sich auch Übergabsvertrag und nicht Kaufvertrag. Liegt aber kein reiner Kaufvertrag vor, sondern ein sogenannter Freundschaftskauf, dann werde das Recht des Vorkaufsberechtigten zur Einlösung der Sache nicht ausgelöst. Die Veräußerung einer Liegenschaft durch Tausch, Schenkung, Vermächtnis, Ehepakte, löse das Vorkaufsrecht nicht aus. Dies gelte auch, wenn der Veräußerungsvertrag neben einer Kaufvereinbarung Elemente der Unentgeltlichkeit enthalte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Revision wird der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht. Die Klägerin bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, wonach es sich hier um einen Freundschaftskauf gehandelt habe. Sie meint, daß auf den wahren Willen der abschließenden Parteien deshalb nicht zurückgegriffen werden könne, weil nach den getroffenen Feststellungen der Beklagte mit H. Sch. einen Schenkungsvertrag geschlossen habe und diesen als Kaufvertrag tarnte. Es liege daher ein Scheinvertrag vor, wobei ihr als Dritte nach § 916 (2) ABGB. das verdeckte Geschäft nicht entgegengesetzt werden könne. Aus dem schriftlichen, zum Schein abgeschlossenen Vertrag allein aber ergebe sich keineswegs, daß es sich um einen Freundschaftskauf handle.

Damit gibt die Klägerin zunächst die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen, mit der Lehre und Rechtsprechung übereinstimmenden Rechtsansicht zu, daß der sogenannte Freundschaftskauf nicht als Kauf anzusehen ist, der ein vereinbartes Vorkaufsrecht auszulösen vermag, sondern als andere Veräußerungsart im Sinne des § 1078 ABGB. betrachtet werden muß. Dieser Ansicht tritt auch der Oberste Gerichtshof bei. Es handelt sich beim sogenannten Freundschaftskauf um eine aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen zusammengesetzte Veräußerung, um einen Vertrag eigener Art, der im ABGB. nicht geregelt ist. Der Kaufpreis wird in diesem Falle im Einverständnis der Parteien derart festgesetzt, daß er nicht die volle Gegenleistung für die Übertragung der Sache darstellt, die Parteien sich vielmehr einig sind, daß es sich teilweise um eine unentgeltliche Zuwendung handelt (in diesem Sinne Krasnopolski III S. 388, Klang[1] zu § 1078 ABGB., Zeiller zu § 1077, Ehrenzweig II/1 S. 420; RGZ. 101, 99). Entscheidend für die Beurteilung des Rechtsgeschäftes als Freundschaftskauf ist neben den objektiv zu beurteilenden einzelnen Vertragselementen vor allem die festgestellte Parteiabsicht. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes haben der Beklagte und H. Sch. einen Schenkungsvertrag beabsichtigt und einen Kaufpreis nur zum Schein aus gebührenrechtlichen Gründen vereinbart. In der Revision wird nun die Ansicht vertreten, daß auf die Parteienabsicht bei der Beurteilung des Scheingeschäftes nicht Rücksicht genommen werden kann, weil dieses Geschäft nicht der wahren Parteiabsicht entsprach. Es könne daher der Klägerin als Dritte gegenüber nur von dem vorliegenden Vertragstext selbst ausgegangen werden. Dieser enthalte aber eindeutig einen Kaufvertrag. Durch die vereinbarte lebenslängliche Rente erhalte der Vertrag den Charakter eines Glücksvertrages, so daß auch von einem auffallenden Mißverhältnis zwischen dem vereinbarten Preis und dem Wert der Liegenschaft nicht ausgegangen werden könne. Dieser Ansicht vermag der Oberste Gerichtshof aber nicht zuzustimmen. Wenn die Beklagte sich auf das zum Schein abgeschlossene Geschäft beruft, dann kann sie dessen Nichtigkeit nicht geltend machen. Das Geschäft ist ihr gegenüber so anzusehen als wäre es gültig zustandegekommen. Der Parteiwille ist dabei so weit zu berücksichtigen, als er in dem Vertrag seinen Niederschlag gefunden hat. Es können nur jene Vereinbarungen und die darauf gerichteten Absichten nicht berücksichtigt werden, die von dem Inhalt des schriftlichen Vertrages abweichen. Nach den erstrichterlichen Feststellungen betrifft dies nur die tatsächliche Zahlung der im schriftlichen Vertrag angeführten Monatsrente. Sie sollte nicht in der vollen ausgewiesenen Höhe tatsächlich bezahlt werden, sondern jeweils in der Höhe, die den gegebenen Bedürfnissen des Beklagten entsprach. Nur auf diese vom Vertrag abweichende Abrede kann sich der Beklagte der Klägerin gegenüber nicht berufen. Er kann sich aber wohl darauf berufen, daß der Vertrag auch mit Rücksicht auf den vereinbarten Preis als Freundschaftskauf zu werten ist, weil er damit die aus dem Vertrag erkennbare Absicht verfolgte, seinem Freunde eine unentgeltliche Zuwendung zu machen. Das Berufungsgericht hat aber mit Recht ausgeführt, daß mit Rücksicht auf das auffallende Mißverhältnis zwischen dem wahren Wert der Liegenschaft und dem Übergabspreis, der dem steuerlichen Einheitswert entsprach, jedermann erkennen mußte, daß es sich um die Überlassung um einen besonders billigen, weit unter dem wahren Wert liegenden Preis handelt, da der Einheitswert bekanntlich weit hinter dem wahren Wert zurückbleibt. Wenn zu diesem äußerlich erkennbaren Mißverhältnis zwischen Preis und Gegenstand nunmehr die Feststellung tritt, daß die Absicht der Parteien im wesentlichen auf eine Schenkung gerichtet war, die wieder ihren Grund in der langjährigen Freundschaft zwischen dem Beklagten und H. Sch. hatte, so erweist sich ohne Rücksichtnahme auf das verdeckte Geschäft auch der schriftliche Vertrag als Freundschaftskauf. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß bei einem Glücksvertrag von einem solchen auffallenden Mißverhältnis zwischen Preis und Gegenstand nicht gesprochen werden kann, weil das Lebensalter des Verkäufers nicht von vornherein abgeschätzt werden kann. Wenn auch der wahre Wert der Leibrente zu Gebührenzwecken nicht der ausschlaggebende Wert ist, so kann doch der Barwert einer Leibrente jederzeit errechnet werden. Daß der Barwert eine Leibrente für einen 84jährigen Mann aber ebenfalls weit unter dem Schätzwert der Liegenschaft liegt, ist augenfällig. Die Absicht der Vertragschließenden, wie sie von den Untergerichten festgestellt worden ist, findet daher auch in dem schriftlich abgeschlossenen Übergabsvertrag ihren eindeutigen Ausdruck.

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