Rechtssatz
Der Oberste Gerichtshof legt dem Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
I. a) Sind Unterhaltsvorschüsse an minderjährige Kinder von Erwerbstätigen oder Arbeitslosen, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den österreichischen Rechtsvorschriften beziehen, nach dem österreichischen Bundesgesetz über die Gewährung von Vorschüssen auf den Unterhalt von Kindern (Unterhaltsvorschußgesetz 1985 - UVG BGBl 451 in der geltenden Fassung) Familienleistungen nach Art 4 Abs 1 lit h der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie der Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EWG) Nr 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 geänderten Fassung und gilt daher in einem solchen Fall auch Art 3 der Verordnung über die Gleichbehandlung?
b) Begründen Art 73 und 74 der genannten Verordnung Nr 1408/71 ein Recht des mit seiner Mutter in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden ehelichen Kindes eines in Österreich wohnhaften und in Österreich beschäftigten oder arbeitslosen Vaters, der Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach österreichischen Vorschriften bezieht, auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses nach dem in a) zitierten Unterhaltsvorschußgesetz?
II. Im Fall der Verneinung einer der zu I. formulierten Fragen:
a) Sind Unterhaltsvorschüsse nach dem in I a) zitierten Unterhaltsvorschußgesetz soziale Vergünstigungen im Sinn des Art 7 Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. Oktober 1968?
b) Stellt die Voraussetzung des inländischen Aufenthaltes des Kindes für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen eine verbotene einschränkende Bestimmung gemäß Art 3 Abs 1 zweiter Fall der Verordnung (EVG) Nr 1612/68 im Lichte des in Art 48 EGV für Arbeitnehmer verankerten Freizügigkeitsgebotes dar?
c) Begründen die Bestimmungen der Verordnung Nr 1612/68 ein Recht auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in der Person des Kindes von Arbeitnehmern?
Normen
EGV Maastricht Art177
EG Amsterdam Art234
UVG §2 Abs1
Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates 371R1408 Wanderarbeitnehmerverordnung
Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates 368R1612 Freizügigkeitsverordnung
7 Ob 39/02i | OGH | 13.03.2002 |
Vgl; Beisatz: Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat dazu mit Urteil vom 5.2.2002, C-255/99 , erkannt: a) Eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen Bundesgesetz über die Gewährung von Vorschüssen auf den Unterhalt von Kindern (Unterhaltsvorschussgesetz) von 1985 ist eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.Juni1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2.Dezember1996 geänderten und aktualisierten Fassung. b) Eine Person, die zumindest einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer ist, fällt als Familienangehöriger eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel2 Absatz1 in Verbindung mit Artikel1 Buchstabef Zifferi der Verordnung Nr.1408/71 in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verodnung. c) Die Artikel 73 und 74 der Verordnung Nr. 1408/71 sind so auszulegen, dass ein minderjähriges Kind, das zusammen mit dem sorgeberechtigten Elternteil in einem anderen als dem die Leistung erbringenden Mitgliedstaat wohnt und dessen anderer, zu Unterhaltszahlungen verpflichteter Elternteil in dem die Leistung erringenden Mitgliedstaat tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer ist, Anspruch auf eine Familienleistung wie den Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hat. (T1) |
Dokumentnummer
JJR_19990623_OGH0002_0070OB00348_98X0000_001
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