Spruch:
Das Begehren des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft auf Vorlage der Inventur, Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zur Prüfung und Mitunterfertigung gehört auf den Rechtsweg.
Entscheidung vom 19. Dezember 1962, 7 Ob 343/62.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Parteien und E. T. sind offene Gesellschafter der S. Ziegelwerke R. & E. T. Der Beklagte ist der geschäftsführende und vertretungsbefugte Gesellschafter. Der Kläger hat begehrt, der Beklagte sei schuldig, ihm die Inventur und Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft für das Jahr 1961 zur Prüfung und Mitunterfertigung vorzulegen. Der Beklagte hat die Unzulässigkeit des Rechtsweges eingewendet.
Das Prozeßgericht hat der Einrede stattgegeben und die klage unter Hinweis auf § 118 HGB. zurückgewiesen.
Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und dem Prozeßgericht aufgetragen, das Verfahren nach Rechtskraft der Entscheidung fortzusetzen. Nach Ansicht des Rekursgerichtes stützt sich der klägerische Anspruch nicht auf § 118 HGB., sondern auf § 120 HGB. in Verbindung mit § 41 HGB. Er sei deshalb im Rechtsweg geltend zu machen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Kläger macht kein Recht nach § 118 HGB. geltend, weil dort nur das Recht geregelt ist, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich zu unterrichten, die Handelsbücher und Papiere einzusehen und sich aus ihnen eine Bilanz anzufertigen. Der Kläger begehrt dagegen von dem Beklagten die Vorlage der Inventur, Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zur Prüfung und Mitunterzeichnung. Dieses Begehren ist durch die Bestimmung des § 118 HGB. nicht gedeckt. Es kann daher auch durch den Außerstreitrichter darüber nicht entschieden werden. Versagt aber für den geltend gemachten Anspruch der besondere Zuständigkeitsgrund, dann steht nur der Rechtsweg offen. Es kann auch der Meinung des Erstgerichtes nicht gefolgt werden, daß die Vorschrift des § 41 HGB. sich nur als Konsequenz aus den dem Gesellschafter zustehenden Rechten nach § 118 HGB. darstellt. § 41 ist eine Ordnungsvorschrift, die sich an die persönlich haftenden Gesellschafter richtet und mit deren Gesellschaftsrechten nach § 118 HGB. nichts zu tun hat. Ein Streit unter den Gesellschaftern über die gemeinsame Errichtung der Bilanz, die Unterfertigung derselben und in weiterer Folge über deren Richtigkeit gehört daher auf den Rechtsweg.
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