OGH 7Ob30/88

OGH7Ob30/8829.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***-H*** Gesellschaft mbH, Traunleiten 53, vertreten durch Dr. Ludwig Pramer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Linz, Untere Donaulände 36, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 310.000,-) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1988, GZ 2 R 49/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. November 1987, GZ 7 Cg 68/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 978,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat mit der beklagten Partei eine Handels- und Gewerbeversicherung abgeschlossen, die auch eine Betriebshaftpflichtversicherung umfaßt, der die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1978 und EHVB 1978) zugrunde liegen. Nach Abschnitt B Punkt 4 1.2 der EHVP 1978 erstreckt sich die Versicherung nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus der Durchführung von Abbruch-, Bau-, Reparatur- und Grabarbeiten an der versicherten Liegenschaft, wenn die Gesamtkosten des Bauvorhabens unter Einrechnung etwaiger Eigenleistungen S 100.000,- nicht überschreiten. Für solche Bauvorhaben sind Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Bauherr mitversichert. Im Jahre 1985 errichtete die klagende Partei auf ihrer Betriebsliegenschaft einen Werkstättenzubau, die Baubewilligung umfaßte jedoch auch eine Stützmauer und ein Gartenhaus. Die Gesamtkosten des ganzen Bauvorhabens betrugen mehr als S 7,000.000,-. Am 11. August 1985 stürzte Anton K*** über einen nur mit einer Holztür mangelhaft abgedeckten Kellerabgang und verletzte sich schwer. Anton K*** macht Schadenersatzansprüche gegen die klagende Partei geltend. Die klagende Partei begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei.

Die beklagte Partei beruft sich auf die Risikobeschränkung auf Bauvorhaben mit Gesamtkosten bis S 100.000,-.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war das Gartenhaus ohne Baubewilligung bereits drei Jahre vor Errichtung des Werkstättenzubaues errichtet worden. Insoweit liegt eine nachträgliche Baubewilligung vor. Von den Gesamtbaukosten entfallen allein auf den Werkstättenzubau rund S 7 Mill. Kleinere Arbeiten führten der Geschäftsführer der klagenden Partei Franz S***-H*** selbst durch. Im Zuge des Werkstättenzubaues wurde eine Geländeveränderung vorgenommen. Es wurde der vorhanden gewesene Zugangsweg zur Liegenschaft durch die Bauarbeiten verlegt. Es mußte ein neuer Zugang errichtet werden, und zwar ein Stiegenabgang von der hinteren Zufahrtsstraße zum Gartenhaus. Von diesem Zugang konnte man über einen Abgang in den Keller gehen. Aufgrund der eingetretenen Geländeveränderung mußte eine Veränderung des Kellerabganges dadurch vorgenommen werden, daß die den Kellerabgang sichernde Stützmauer einen halben Meter abgestemmt wurde. Das Abstemmen der Stützmauer hat Franz S***-H*** selbst vorgenommen. Aufgrund der Geländeveränderung, insbesondere aber durch das Abstemmen der den Kellerabgang sichernden Stützmauer, war der Kellerabgang nicht mehr ausreichend gesichert, sodaß Franz S***-H*** den Kellerabgang mit einer Holztür abdeckte. Diese Abdeckung war mangelhaft.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes liege ein einheitliches Bauvorhaben vor, zu dem auch die Arbeiten an der Stützmauer gehört hätten. Da die Gesamtkosten des einheitlichen Bauvorhabens S 100.000,- weit überschritten hätten, sei gemäß Abschnitt B Punkt 4 1.2 der EHVB 1978 Versicherungsschutz nicht zu gewähren. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Da sich die Höhe des vom Versicherer zu kalkulierenden Risikos nach dem Gesamtumfang des Bauvorhabens richte, komme es nicht darauf an, ob einzelne Teile des einheitlichen Bauprojektes für sich allein möglich wären. Entscheidend sei vielmehr, ob den betreffenden Arbeiten eine Gesamtplanung und eine sich daran anschließende Ausführung der Arbeiten zugrunde liege. Letzteres treffe hier zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Die klagende Partei hält an ihrer Ansicht fest, daß es sich im vorliegenden Fall bei der Verlegung des Zufahrtsweges und den dadurch bedingten Arbeiten an der Stützmauer um ein selbständiges Bauvorhaben gehandelt habe, dessen Kosten S 100.000,- nicht überschritten hätten und das mit dem übrigen Bauvorhaben, insbesondere der Errichtung eines Werkstättenzubaues nur in mittelbarem Zusammenhang stehe. Beide Bauvorhaben seien auch auf verschiedenen Grundstücken verwirklicht worden. Auf die einheitliche Planung und Baubewilligung könne es daher nicht ankommen. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist mit Bauvorhaben größeren Umfanges eine Vielzahl nicht überschaubarer und für den Versicherer kaum oder nur schwer kalkulierbarer Risken verbunden. Diese vom Versicherungsschutz auszuschließen, ist der Sinn der im Abschnitt B Punkt 4 1.2 der EHVB 1978 vorgesehenen Risikobeschränkung auf Bauvorhaben mit Gesamtbaukosten bis S 100.000,-. Eine Aufgliederung eines einheitlichen Bauvorhabens in einzelne Teile oder eine Aufteilung des einheitlichen Projektes in einzelne Etappen ist daher unzulässig (vgl. Achatz ua, Erläuterungen zu den Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen 1978 S. 151 und 1986 S. 173), weil dadurch der Zweck der Risikobeschränkung vereitelt würde. Welche baulichen Maßnahmen einem bestimmten Bauvorhaben zuzurechnen sind, richtet sich nach dem Bauziel des Bauherrn (der Errichtung von Anlagen des Hoch- und Tiefbaues, bzw im engeren Sinn der Errichtung von Gebäuden). Dazu gehören jedenfalls alle baulichen Maßnahmen, die für die Erreichung des erklärten Bauzieles notwendig oder eine notwendige Folge der Verwirklichung des Bauzieles sind. Im vorliegenden Fall war das Bauziel der klagenden Partei die Errichtung eines Werkstättenzubaues. Notwendige Folge der Verwirklichung dieses Bauzieles waren eine Geländeveränderung, die dadurch bedingte Verlegung des Zufahrtsweges und der teilweise Abbruch der Stützmauer. Die letztgenannten Arbeiten waren demnach nur Teil eines einheitlichen Bauvorhabens. Der gegenteilige Standpunkt der Revision, daß es sich bei diesen Arbeiten um ein gesondertes Bauvorhaben gehandelt habe, kann daher nicht geteilt werden. Zutreffend haben demnach die Vorinstanzen eine Deckungspflicht der beklagten Partei verneint.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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