OGH 7Ob28/82

OGH7Ob28/8213.1.1983

SZ 56/5

Normen

BG über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer §2 Abs3
BG über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer §7
BG über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer §2 Abs3
BG über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer §7

 

Spruch:

Die Ansprüche nach dem BG über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, BGBl. 1977/322, sind von der Mahnung aller inzwischen bekannt gewordenen Schädiger abhängig

OGH 13. 1. 1983, 7 Ob 28/82 (OLG Wien 16 R 98/81; KG Krems 3 Cg 2/81)

Text

Andreas M hatte einen von ihm gekauften PKW der Marke Ford Cortina auf dem Anwesen der Eltern des Erstbeklagten eingestellt. Für das Fahrzeug bestand keine Haftpflichtversicherung; es war nicht zum Verkehr zugelassen. In der Nacht vom 4 zum 5. 10. 1980 nahmen die Beklagten das Fahrzeug ohne Willen des Andreas M in Betrieb. Der Zweitbeklagte startete es durch Kurzschließen der Zundung und lenkte es bis zum Tor des Anwesens der Eltern des Erstbeklagten. Von dort an übernahm der Erstbeklagte die Lenkung. Er war nicht im Besitz einer für das Fahrzeug vorgeschriebenen Lenkerberechtigung. Sein Blutalkoholgehalt betrug über 1.25 Promille. Der Zweitbeklagte wußte, daß der Erstbeklagte nur im Besitz einer Lenkerberechtigung für einen Traktor war und bei dem der Fahrt vorangegangenen Heurigenbesuch Wein getrunken hatte. Er nahm auch an, daß der Blutalkoholgehalt des Erstbeklagten über 0.8 Promille liegt. Der Erstbeklagte geriet mit dem PKW im Ortsgebiet von P in einer unübersichtlichen Rechtskurve infolge überhöhter Geschwindigkeit auf die linke Fahrbahnhälfte und stieß dort mit dem von Rosa S gelenkten PKW zusammen. Rosa S, die die Sicherheitsgurte nicht angelegt hatte, wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Die Beklagten begingen unmittelbar nach dem Unfall Fahrerflucht.

Der Erstbeklagte wurde vom Rechtsvertreter der Rosa S iS des § 2 Abs. 3 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer gemahnt. Der Erstbeklagte bezahlte zur teilweisen Befriedigung der Ansprüche der Rosa 20 000 S für Schmerzengeld. Eine Mahnung des Zweitbeklagten erfolgte nicht.

Rosa S machte beim klagenden Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs Ansprüche auf Bezahlung eines Schmerzengeldes, einer Verunstaltungsentschädigung und eines Verdienstentganges in Höhe von insgesamt rund 370 000 S geltend. Die klagende Partei leistete bisher eine Teilzahlung auf das begehrte Schmerzengeld von 50 000 S. Sie begehrt unter ausdrücklicher Berufung auf die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, insbesondere dessen § 7 über die Legalzession, den Ersatz des von ihr bezahlten Betrages und die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für allen Aufwand, den sie in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 5. 10. 1980 an Rosa S zu erbringen haben würde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Mahnung auch des Zweitbeklagten iS des § 2 Abs. 3 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, sei nicht erforderlich gewesen. Für den Eintritt der Legalzession nach § 7 dieses Gesetzes sei lediglich Voraussetzung, daß der Geschädigte vom Verband der Versicherungsunternehmungen Leistungen erhalten habe. Die Bestimmung des § 5 Abs. 1, wonach die Entschädigung ausschließlich durch eine einmalige Kapitalzahlung zu erfolgen habe, schließe bloß die Leistung einer Rente aus, nicht aber auch eine Teilzahlung auf einen Kapitalbetrag. Nach der im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 29. 7. 1977 kundgemachten Auslobung des Fachverbandes der Versicherungsunternehmungen umfaßten die Leistungen nach § 1 Abs. 2 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, auch das Schmerzengeld und die Verunstaltungsentschädigung. Da der gesamte Schaden der Rosa S, insbesondere ihr Verdienstentgang, noch nicht absehbar sei, müsse der klagenden Partei ein Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten zuerkannt werden. Die Nichtanlegung der Sicherheitsgurte durch Rosa S sei ihr als Mitverschulden anzulasten, das mit einen Drittel zu bewerten sei. Dies habe jedoch auf das Leistungsbegehren keinen Einfluß, weil auch unter Bedachtnahme auf die Mitverschuldensquote der Geschädigten deren Schmerzengeldanspruch jedenfalls höher sei als der Betrag von 50 000 S, den sie bisher als Schmerzengeld erhalten habe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Leistungsbegehren abwies. Den Ausspruch über die Haftung für künftige Aufwendungen änderte es dahin ab, daß es die Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle Leistungen feststellte, die die klagende Partei an Rosa S auf Grund des Verkehrsunfalles vom 5. 10. 1980 nach dem BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, und der Kundmachung des Bundesministeriums für Finanzen vom 25. 7. 1977, Zl. 90 0124/41- V/6/77, unter Bedachtnahme auf die erfolglose Mahnung der beklagten Parteien gemäß § 2 Abs. 3 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, und eines Mitverschuldens der Rosa S von 25% bei Leistungen aus dem Titel des Schmerzengeldes in Zukunft zu erbringen haben werde. Das Feststellungsmehrbegehren wies das Berufungsgericht ab. Aus § 2 Abs. 3 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, ergebe sich, daß der Geschädigte nur dann einen Anspruch gegen die klagende Partei habe, wenn er sämtliche zum Schadenersatz Verpflichtete gemahnt und ungeachtet dieser Mahnung keiner der Verpflichteten seinen Anspruch erfüllt habe. Im vorliegenden Fall hafte der Geschädigten nicht nur der Erstbeklagte, sondern auch der Zweitbeklagte nach den Bestimmungen der §§ 1295 ff. ABGB. Zwischen dem Kurzschließen der Zundung des PKW und dem eingetretenen Unfall bestehe sowohl ein Kausalzusammenhang iS der Adäquanztheorie als auch ein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Es hätte daher auch der Zweitbeklagte gemäß § 2 Abs. 3 des vorgenannten Gesetzes gemahnt werden müssen, um die Leistungspflicht der klagenden Partei zu begrunden. Da eine solche Mahnung nicht erfolgt sei, sei die klagende Partei nicht verpflichtet gewesen, an die Geschädigte Leistungen zu erbringen. Die Legalzession des § 7 setze voraus, daß die klagende Partei auf Grund einer sich aus den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer ergebenden rechtlichen Verpflichtung Leistungen an den Geschädigten erbracht habe. Das Feststellungsbegehren sei dagegen im eingeschränkten Umfang berechtigt. Das rechtliche Interesse iS des § 228 ZPO sei zu bejahen, wenn künftige Ersatzforderungen möglich seien oder wenn im Falle eines bedingten Rechtes oder Rechtsverhältnisses nur mehr der Eintritt der Bedingung offen stehe. Im vorliegenden Fall stehe fest, daß die klagende Partei nach dem Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer an die Geschädigte dann Leistungen zu erbringen habe, wenn die Geschädigte auch den Zweitbeklagten mahne und die Beklagten ihre Verbindlichkeit nicht erfüllten. Das Feststellungsbegehren sei zur Abwehr einer allfälligen Verjährungseinrede der Schädiger berechtigt, wobei die Bedingung in die stattgebende Entscheidung über das Feststellungsbegehren aufzunehmen sei. Es sei jedoch darauf Bedacht zu nehmen, daß Rosa S gegen die Pflicht zur Anlegung der Sicherheitsgurte verstoßen habe. Es treffe sie daher ein Mitverschulden, das mit 25% zu bewerten sei; dies sei im Spruch des Feststellungsurteiles zum Ausdruck zu bringen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der § 2 Abs. 1 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer sieht eine vom Fachverband der Versicherungsunternehmungen zu leistende Entschädigung für die Tötung, die Körperverletzung oder die Gesundheitsschädigung einer Person vor, die im Inland durch ein nach den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen versicherungspflichtiges Kraftfahrzeug verursacht wurden, wenn trotz bestehender Versicherungspflicht kein Versicherungsvertrag bestand, nicht binnen sechs Monaten nach dem Eintritt des Schadens eine zivilrechtlich haftpflichtige Person ermittelt werden konnte oder wenn das Kraftfahrzeug ohne Willen des Halters benützt worden ist und dieser gemäß § 6 EKHG von der Haftung befreit ist. Nach § 2 Abs. 3 ist eine Entschädigung insoweit zu leisten, als weder der zum Schadenersatz Verpflichtete noch eine andere Person, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, ihre Verbindlichkeit erfüllen, obwohl sie gemahnt worden sind.

Die einem Geschädigten nach dem BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, zustehenden Ansprüche sind subsidiärer Natur. Die Ersatzansprüche wurden bewußt gegenüber zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen bestimmten Einschränkungen unterworfen. Maßgebend hiefür war, daß die Belange von Verkehrsopfern grundsätzlich durch die Haftpflichtversicherung von Kraftfahrzeugen gewahrt sind. Soweit dieses System Lücken offen läßt, sollten durch das BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, die ärgsten Härten vermieden werden. Ein vollwertiger Versicherungsersatz war aber nicht beabsichtigt. Der subsidiäre Charakter wird auch damit gerechtfertigt, daß nicht in allen Schadensfällen eine Leistungspflicht einer zum Geschäftsbetrieb im Inland zugelassenen Versicherungsunternehmung besteht (506 BlgNR 14. GP 3 f.).

Der subsidiäre Charakter der Ansprüche nach dem BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, wird auch von der Revisionswerberin nicht in Abrede gestellt. Ihrem Verständnis der Subsidiarität lediglich unter dem Gesichtspunkt, daß ein Haftpflichtversicherer nicht in Anspruch genommen werden kann, steht jedoch der Wortlaut des § 2 Abs. 3 und der vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung verfolgte Zweck entgegen. Der durch den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer entstehende Aufwand soll nach der Anordnung des § 1 Abs. 3 letztlich von den zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung im Inland zugelassenen Versicherungsunternehmungen getragen werden. Dies aus der Erwägung, daß in der überwiegenden Zahl der Schadensfälle eine Leistungspflicht einer zum Geschäftsbetrieb im Inland zugelassenen Versicherungsunternehmung besteht, die jedoch nicht geltend gemacht werden kann. Dies ist aber nicht immer der Fall. Die Versicherungsunternehmungen haben somit auch für Risken aufzukommen, für deren Übernahme ihnen kein Anspruch auf eine Gegenleistung in Form der Versicherungsprämie zusteht. Dies soll ua. auch durch die Bestimmung des § 2 Abs. 3 ausgeglichen werden (vgl. 506 BlgNR 14. GP 4). Der Anspruch des Geschädigten gegen den Fachverband der Versicherungsunternehmungen soll gegenüber seinem Anspruch gegen den zum Schadenersatz Verpflichteten bzw. gegen eine andere Person, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, subsidiär sein. Die erfolglose Mahnung dieser Personen durch den Geschädigten ist daher Anspruchsvoraussetzung. Fehlt sie, besteht auch keine Leistungspflicht des Fachverbandes der Versicherungsunternehmungen. Kommen mehrere wenn auch solidarisch haftende Ersatzpflichtige in Betracht, müssen die in § 2 Abs. 3 genannten Voraussetzungen in Ansehung aller zum Ersatz verpflichteten Personen vorliegen. Der Hinweis der Revisionswerberin auf die damit verbundenen Risken des Geschädigten bei der Anspruchsverfolgung ist nicht stichhältig, weil dem Geschädigten auch außerhalb des Geltungsbereiches des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, eine Säumnis in der Anspruchsverfolgung zur Last fällt.

Die im § 7 vorgesehene Legalzession findet nur insoweit statt, als anspruchsberechtigten Personen ein Schaden ersetzt wurde. Fehlt die Anspruchsberechtigung mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3, kann die Legalzession nicht wirksam werden, auch wenn dem Geschädigten eine Leistung erbracht wurde. Der im Regreßweg in Anspruch genommene Schädiger kann dann geltend machen, daß die Voraussetzungen des gesetzlichen Forderungsüberganges nicht gegeben sind.

Der Meinung des Berufungsgerichtes, daß im vorliegenden Fall auch der Zweitbeklagte der Geschädigten zum Schadenersatz verpflichtet ist, wird im Revisionsverfahren nicht mehr entgegengetreten. Es genügt daher, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen. Da der Zweitbeklagte nicht gemahnt wurde, hat das Berufungsgericht zutreffend eine Leistungspflicht des Fachverbandes der Versicherungsunternehmungen und auch einen gesetzlichen Forderungsübergang verneint. Es wäre dann aber auch das Feststellungsbegehren abzuweisen gewesen. Dies kann aber nicht mehr aufgegriffen werden, weil die Beklagten das Urteil des Berufungsgerichtes nicht angefochten haben.

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß sich die klagende Partei ausdrücklich auf ihre Leistungspflicht nach dem BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, und die dort normierte Legalzession stützte. Macht die klagende Partei einen bestimmten Rechtsgrund ausdrücklich geltend, kann dem Klagebegehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgegeben werden (ZVR 1980/298; SZ 44/21; SZ 23/74 ua.).

Bei der dargestellten Rechtslage kann unerörtert bleiben, ob die klagende Partei überhaupt zur Geltendmachung von Regreßansprüchen gegen die Beklagten legitimiert wäre, weil die Leistungspflicht nach § 1 des BG vom 2. 6. 1977, BGBl. 322, den Fachverband der Versicherungsunternehmungen trifft, der gesetzliche Forderungsübergang daher nur auf diesen stattfinden könnte, eine vertragliche Forderungsabtretung an die klagende Partei aber nicht einmal behauptet wurde.

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