OGH 7Ob264/75

OGH7Ob264/7511.12.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni, Dr. Flick, Dr. Petrasch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*-AG., *, vertreten durch Dr. Thorwald Vogl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*, Angestellter *, vertreten durch Dr. Kurt Strizik und Dr. Ferdinand Weber, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen S 9.567,‑‑ samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 6. Oktober 1975, GZ. R 253/75‑11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Weitra vom 17. Juni 1975, GZ. C 3/75‑7, und das vorangegangene Verfahren als nichtig, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0070OB00264.75.1211.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Beklagte verschuldete am 16. 11. 1973 mit dem im Eigentum der Klägerin stehenden PKW Kennzeichen * einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug derart beschädigt wurde, daß dessen Instandsetzung einen Reparaturkostenaufwand von S 10.767,‑‑ erforderte, der von der Klägerin bestritten wurde.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung von S 9.567,‑‑ samt Anhang. Sie sei als Kaskoversicherer des vorgenannten Kraftfahrzeuges für dessen Reparaturkosten aufgekommen. Die Klägerin sei dem Beklagten gegenüber regreßberechtigt, weil dieser nach dem Unfall die Blutabnahme verweigert und daher eine Obliegenheitsverletzung nach Art. 6 Abs. 2 Z. 2 AKIB begangen habe. Darüberhinaus habe ihr der Beklagte auch nach allgemeinem Schadenersatzrecht Ersatz zu leisten. Er habe den Anspruch auch anerkannt und bereits eine Teilzahlung von S 1.200,‑‑ geleistet. Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet seinerseits, daß er im Zeitpunkte des Unfalles Dienstnehmer der Klägerin gewesen sei und den ihm von dieser zur Verfügung gestellten PKW als Dienstfahrzeug benützt habe. Er sei daher nicht als Mitversicherter des Kaskoversicherungsvertrages zu betrachten und daher auch nicht zur Erfüllung der sich aus diesem ergebenden Obliegenheiten verpflichtet. Die Klagsforderung habe er niemals anerkannt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war die Klägerin Eigentümerin (Halterin) und Kaskoversicherer des Unfallsfahrzeuges. Der Beklagte war im Zeitpunkte des Unfalles ihr Dienstnehmer und befand sich auf einer Dienstfahrt. Wegen des Unfalles wurde der Beklagte rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Beklagte weder Mitversicherter des Kaskoversicherungsvertrages gewesen sei noch Rechte aus diesem geltend mache. Der Klägerin gegenüber sei er daher zur Erfüllung von Obliegenheiten nicht verpflichtet gewesen. Die Klägerin könne daher aus der Verweigerung der Blutabnahme durch den Beklagten nach dem Unfall keine Regreßansprüche ableiten. Auch ein Anerkenntnis des Klagsanspruches durch den Beklagten sei nicht erfolgt.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurück. Es war der Auffassung, daß zur Entscheidung über den Klagsanspruch das Arbeitsgericht zuständig sei, weil ein Rechtsstreit aus unerlaubten Handlungen des Beklagten vorliege, die mit seinem Dienstverhältnis im Zusammenhang stünden.

Den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bekämpft der Beklagte mit Revisionsrekurs (richtig Rekurs). Er beantragt, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht eine (sachliche) Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Als aktenwidrig rügt der Rekurswerber die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß seine Dienstnehmereigenschaft unbestritten geblieben sei. Die Klägerin habe nämlich sein diesbezügliches Vorbringen ausdrücklich bestritten.

Der Rekurswerber übergeht jedoch völlig die unbekämpft gebliebene Feststellung des Erstgerichtes, daß er im Unfallszeitpunkte bei der Klägerin bedienstet gewesen ist. In ihrer Berufungsschrift hob überdies die Klägerin ausdrücklich hervor, daß der Beklagte ihr Dienstnehmer gewesen sei und ihm das Unfallsfahrzeug zum dienstlichen und privaten Gebrauch zur Verfügung gestanden ist. Bekämpft wurde von der Klägerin nur die erstgerichtliche Feststellung, daß sich der Unfall auf einer Dienstfahrt des Rekurswerbers ereignete. Dies ist aber, wie noch hervorzuheben sein wird, für die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes ohne Bedeutung. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor.

Dem Rekurswerber ist insofern beizupflichten, daß für die Beurteilung der Frage der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes im Normalfall die Klagsangaben maßgeblich sind. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur dann, wenn die die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes begründenden Tatsachen auch Anspruchsvoraussetzungen sind. Trifft dies nicht zu, so handelt es sich um reine Zuständigkeitsvoraussetzungen (Elemente der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit). In diesem Falle hängt die Entscheidung über die Frage der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes davon ab, welches Sachverhaltsbild sich nach den gewonnenen Verfahrensergebnissen darbietet (Fasching I, S. 261, Arb 9030, EvBl 1973/181, zuletzt 6 Ob 3/75). Hier wird aber die Ersatzpflicht des Beklagten nicht erst durch seine Dienstnehmereigenschaft begründet, sondern würde auch dann bestehen, wenn sich der Schaden nicht im Vermögen seiner Dienstgeberin sondern einer anderen Person, die ihm das Fahrzeug überlassen hatte ereignet hätte. Die Prüfung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes hat somit auf Grund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes zu erfolgen.

Ob die Klägerin für den in ihrem Eigentum, stehenden PKW bei ihr selbst rechtswirksam, eine Kaskoversicherung abschließen konnte, braucht hier nicht näher untersucht werden. Denn selbst wenn man dies bejahen würde, macht die Klägerin einen auf sie nach § 67 VersVG übergegangenen Schadenersatzanspruch des Versicherten im Regreßwege geltend. Bei der Kaskoversicherung ist nämlich das Interesse des Eigentümers an dem Sachwert des Fahrzeuges versichert (Stiefel-Wussow, Kraftfahrversicherung9 S. 504 f, ZVR 1961/317, 7 Ob 82/75). Der berechtigte Fahrer des versicherten Kraftfahrzeuges ist im Gegensatz zur Haftpflichtversicherung nicht Mitversicherter der Kaskoversicherung (Stiefel-Wussow, Kraftfahrversicherung9 S. 504 f, ZVR 1961/317, 7 Ob 82/75), sondern Dritter, gegen den vom Versicherer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 VersVG die auf ihn übergegangenen Schadenersatzansprüche des Versicherten im Regreßwege erhoben werden können (Stiefel-Wussow S. 607, VersR 1959/500, 1972/813 u.a.m.). Ist allerdings der berechtigte Lenker Dienstnehmer des Versicherungsnehmers so unterliegt der auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch des Versicherten (seines Dienstgebers) den Beschränkungen nach § 2 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fällt die Entscheidung über Regreßklagen des Versicherers gegen den angestellten Kraftfahrer des Versicherungsnehmers aus der mit seinem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehenden Beschädigung des ihm überlassenen Kraftfahrzeuges in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Der Umstand, daß der Anspruch des Dienstgebers erst im Wege der Legalzession des § 67 VersVG auf den Versicherer übergegangen ist, berührt die einmal begründete Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht, die sich nach § 1 Abs. 2 ArbGerG auch auf die Rechtsnachfolger erstreckt (VersR 1960/744, mit zustimmender Besprechung von Wahle, ZVR 1960/381, EvBl 1969/5 = Arb 8.539, vgl. auch Stiefel-Wussow S. 607). Auch im gegenständlichen Falle beschädigte der Rekurswerber den ihm von seiner Dienstgeberin (Klägerin) als Dienstfahrzeug überlassenen PKW. Der vom Rekurswerber im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung schuldhaft verursachte Schaden steht daher mit seinem Dienstverhältnis auch dann in einem Zusammenhang, wenn sich der Unfall nicht auf einer Dienstfahrt ereignet hat. Zur Entscheidung über den Klagsanspruch ist daher, wie das Rekursgericht richtig erkannte, das Arbeitsgericht zuständig. Der Rekurs des Beklagten erweist sich somit als nicht berechtigt.

Die Entscheidung über die Rekurskosten stützt sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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