OGH 7Ob259/07z

OGH7Ob259/07z12.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sp***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V*****-AG, ***** vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Juni 2007, GZ 4 R 210/06s-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. August 2006, GZ 40 Cg 122/05z-14, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Handelsgerichts Wien vom 16. August 2006, GZ 40 Cg 122/05z-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge geben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Planungsbüro für Sprinkler- und Brandschutzanlagen. Sie hat im Auftrag der Generalunternehmerin die Gesamtplanung der Sprinkleranlage für das Hotel H***** in W***** übernommen. Die R***** GmbH bewarb sich bei der Generalunternehmerin um die Ausführung dieser Sprinkleranlage. Für die Erstellung eines Kostenvoranschlags beauftragte die R***** GmbH ihrerseits die Klägerin mit der Erstellung eines Materialauszugs. Die R***** GmbH erhielt den Zuschlag. Bei der Erstellung des Materialauszugs war der Klägerin jedoch ein Fehler insoweit unterlaufen, als 612 Seitenwandsprinkler nicht aufschienen. Dadurch entstanden Mehrkosten von 82.620 EUR, die die R***** GmbH wegen einer mit der Generalunternehmerin getroffenen Pauschalpreisvereinbarung nicht auf diese überwälzen konnte und gegenüber der Klägerin als Vermögensschaden geltend machte.

Zwischen den Streitteilen besteht ein Haftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von befugten Technischen Büros (AHTB) zugrunde liegen. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 1

Gegenstand der Versicherung

1.1 Der Versicherer übernimmt es, die Folgen von Schadenersatzverpflichtungen aus Personenschäden und sonstigen Schäden zu tragen, die dem Versicherungsnehmer aus der in der Polizze bezeichneten beruflichen Tätigkeit (dem versicherten Risiko) aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen. In diesem Rahmen übernimmt der Versicherer auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Abwehr einer von einem Dritten ungerechtfertigterweise behaupteten Schadenersatzverpflichtung.

1.2 ....

2. Die Versicherung umfasst nach Maßgabe dieser Bedingungen alle jene Tätigkeiten, zu denen der Versicherungsnehmer aufgrund der für seinen Beruf (versichertes Risiko) bestehenden Gesetze, Verordnungen und behördlichen Vorschriften berechtigt ist und erstreckt sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die an dem Produkt bzw Werk oder einem Teil eines solchen selbst entstehen, das von einem Dritten aufgrund der das versicherte Risiko bildenden Tätigkeit des Versicherungsnehmers ausgeführt oder bearbeitet wird. ... Art 6

Ausschlüsse von Versicherungsschutz

1. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen ...

1.2 infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften, sowie infolge bewussten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten, ...

4. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen ...

4.6 aus der Überschreitung von Voranschlägen und Krediten sowie aus Einbußen bei Krediten oder Kapitalinvestitionen, aus der Anschaffung und Verwertung von Waren; ...

Art 8

Pflichten des Versicherungsnehmers im Versicherungsfalle; Verfahren,

Rückgriffsansprüche, Verwirkung der Leistung

...

1.6 Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unter Beachtung der Weisungen des Versicherers nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und alles zu tun, was zur Klarstellung des Schadenfalles dient, sofern ihm dabei nichts Unbilliges zugemutet wird. Er hat den Versicherer bei der Abwehr des Schadens sowie bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen, ihm ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten, alle Tatumstände, welche auf den Schadenfall Bezug haben, mitzuteilen und alle den Schadenfall betreffenden Schriftstücke sogleich einzusenden.

..."

Die Klägerin begehrt aufgrund dieses Haftpflichtversicherungsvertrags mit der am 27. 7. 2005 eingebrachten Klage die Gewährung von Deckungsschutz. Sie brachte im Wesentlichen vor, es habe sich um einen Planungsfehler gehandelt. In der Planungssoftware seien Symbole verwendet worden, die in der weiteren Bearbeitung nicht als Sprinkler erkannt worden seien, sodass im Materialauszug die Seitenwandsprinkler nicht berücksichtigt worden seien. Die Klägerin habe alle ihre die Sachverhaltsaufklärung betreffenden Obliegenheiten, soweit zumutbar, erfüllt. Selbst wenn dies nicht geschehen sein sollte, wäre dies weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewesen und eine allfällige Obliegenheitsverletzung hätte jedenfalls keinen Einfluss auf Schadensermittlung und Schadenshöhe gehabt. Ein Interessenkonflikt zwischen der Generalunternehmerin und der R***** GmbH habe nicht bestanden. Beide hätten ein übereinstimmendes Interesse an der Ermittlung der korrekten Zahl der erforderlichen und gesetzlich vorgeschriebenen Sprinkler gehabt. Im Zeitpunkt der Auftragserteilung der R***** GmbH an die Klägerin sei der Auftrag der Generalunternehmerin bereits abgeschlossen gewesen. Beide Unternehmen hätten jeweils Kenntnis vom Auftrag des anderen Unternehmens gehabt und keine Einwände erhoben. Der Materialauszug sei nicht nur für die Erstellung eines Kostenvoranschlags, sondern auch für die auf der Planung fußende Installation benötigt worden. Dagegen wandte die Beklagte insbesondere Deckungsausschluss nach Art 6.4.6 AHTB („Überschreitung von Kostenvoranschlägen") ein. Weiters habe die Klägerin durch Doppelvertretung (der Generalunternehmerin und der R***** GmbH als Subunternehmerin) einen Interessenkonflikt ausgelöst, der gemäß Art 6.1.2 AHTB in Verbindung mit § 3 Abs 3 und 4 der Standesregeln der technischen Büros zum Deckungsausschluss führe. Der Klägerin seien ferner grob fahrlässige Obliegenheitsverletzungen nach Art 8.1.6 AHTB anzulasten, indem sie widersprüchliche Angaben zur Entstehung des Fehlers gemacht habe, die sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht aufgeklärt habe. Sie habe Fragen des Sachverständigen nicht beantwortet und Unterlagen nicht übermittelt. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf noch folgende maßgebliche Feststellungen:

Das Ermitteln von Mengen als Grundlage für das Aufstellen von Leistungsverzeichnissen fällt in den Kernbereich der Tätigkeit technischer Büros und ist auch in deren Honorarrichtlinien als Grundleistung verzeichnet. Die Klägerin erstellte den Materialauszug mit Hilfe der Software „Sprinkler Professional" der Firma C***** GmbH auf Basis des für die Generalunternehmerin erstellten Planes. Die in diesem Programm vorhandenen Symbole für die Seitenwandsprinkler wurden dabei jedoch, weil sie aufwändig hätten bearbeitet werden müssen, nicht verwendet. Stattdessen bediente sich die Klägerin der Symbole des Softwareprogramms „A*****". Bei der Erstellung der Materialliste übernahm die „Sprinkler Professional"-Software jedoch nur ihre eigenen Symbole und nicht die des „A*****". Daher schienen die 612 Seitenwandsprinkler nicht im Materialauszug auf. Die hydraulische Berechnung der Sprinkleranlage konnte aber trotzdem korrekt durchgeführt werden.

Nach Schadensmeldung forderte die Beklagte mehrmals Unterlagen und Auskünfte von der Klägerin ein, die die Klägerin, soweit ihr diese zugänglich waren, vorlegte bzw erteilte. Ein von der Beklagten beauftragter Sachverständiger bestätigte den von der Klägerin dargestellten Sachverhalt. Die Beklagte beauftragte einen zweiten Sachverständigen, der von der Klägerin zusätzliche Auskünfte und Unterlagen verlangte, die die Klägerin zum Teil schon vorgelegt hatte. Der Geschäftsführer der Klägerin lud diesen Sachverständigen wiederholt zu einem Augenschein in die Räumlichkeiten der Klägerin ein. Der Sachverständige kam der Einladung nicht nach und urgierte die fehlenden Antworten auch nicht. Die Klägerin ließ einige Fragen, die auch ohne Augenschein hätten beantwortet werden können, unbeantwortet. Aufgrund dessen konnte der Sachverständige nicht wesentlich zur Sachverhaltsaufklärung beitragen, stellte jedoch fest, dass die Angaben der Klägerin, welche Software verwendet wurde, widersprüchlich seien.

Davon ausgehend verneinte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht den Ausschlusstatbestand des Art 6.4.6 AHTB. Dieser solle lediglich Schäden von der Versicherung ausschließen, die durch Übernahme berufsbildfremder Tätigkeiten durch den Versicherungsnehmer verursacht werden. Das wirtschaftliche Risiko, das mit den dort genannten Geschäften verbunden sei, solle von der Haftung ausgeschlossen werden. Das Risiko einer Kostenfehlkalkulation eines Auftrags solle beim Versicherungsnehmer bleiben und nicht auf den Versicherer überwälzt werden. Der Deckungsausschluss sei daher so zu interpretieren, dass nur Schäden aus Kostenvoranschlägen ausgenommen sein sollten, die der Versicherungsnehmer selbst erstellt habe. Die Tätigkeit der Klägerin sei jedoch eine reine Planungstätigkeit gewesen, auf deren Basis von der Geschädigten ein Kostenvoranschlag erstellt worden sei. Einen den Standesregeln für die Betreiber von technischen Büros widerstreitenden Interessenkonflikt bzw dessen bewusstes Eingehen verneinte das Erstgericht ebenso wie den (schon im Berufungsverfahren nicht mehr relevierten) Vorwurf der Verwendung von nicht lizensierter Software. Mit Rücksicht auf § 6 Abs 3 VersVG führte das Erstgericht aus, dass der Beklagten als Beweisführerin der Nachweis einer zumindest grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung nicht gelungen sei. Vielmehr habe festgestellt werden können, dass die Klägerin, soweit es ihr möglich gewesen sei, mit den Sachverständigen kooperiert habe und die geforderten Unterlagen, soweit vorhanden, vorgelegt habe, sodass sich die Beklagte auch aus diesem Grund nicht auf Leistungsfreiheit berufen könne. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht Folgendes (zusammengefasst) aus:

Im Rahmen der Vorbereitung der Vergabe (Ausschreibung) zähle zu den Grundleistungen technischer Büros die Ermittlung von Mengen als Grundlage für das Aufstellen von Leistungsverzeichnissen in Abstimmung mit Beiträgen anderer an der Planung fachlich Beteiligter. Dass die Mengenermittlung hier nicht im Auftrag des Generalunternehmers als Grundlage für die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses, sondern im Auftrag eines potenziellen Bieters für die Erstellung von dessen Kostenvoranschlag gemacht worden sei, ändere nichts daran, dass es sich dabei um eine Leistung im Rahmen der versicherten beruflichen Tätigkeit (Planung von Brandbekämpfungsanlagen und Haustechnikanlagen) gehandelt habe, weil auch Leistungsverzeichnisse zunächst der Einholung von Angeboten, also von Kostenvoranschlägen, dienten. Die Klausel, wonach der Versicherungsschutz Ersatzansprüche aus der Überschreitung von „Vor- und Kostenanschlägen" nicht erfasse, könne nicht auf eine fehlerhafte Massenermittlung angewendet werden, wenn sie nicht im Zusammenhang mit einer eigenen (Kosten-)Kalkulation des Versicherungsnehmers erbracht werde. In jedem Fall finde die Klausel aber nur dann Anwendung, wenn Ursache der jeweiligen Überschreitung tatsächlich ein Rechenfehler sei. Kosten- oder Massenüberschreitungen, die aus Planungsfehlern resultierten, würden nicht vom Risikoausschluss erfasst. Der von der Beklagten relevierte Interessenskonflikt zwischen Bauherrn und Auftragnehmer sei nicht nachvollziehbar. Allerdings erweise sich die Berufung der Beklagten letztlich doch im Sinn des Aufhebungsantrags als berechtigt, weil sie auch den Einwand der Obliegenheitsverletzung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung erhoben habe und es in dieser Hinsicht einer Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage bedürfe, um eine abschließende rechtliche Beurteilung zu ermöglichen.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei und begründete dies damit, dass die hier relevanten Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung der Ausschlussklausel nach Art 6.4.6 AHTB noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen worden seien und in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgingen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richten sich die jeweils auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten (richtig) Rekurse (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) beider Parteien mit den Anträgen, das klagestattgebende Ersturteil wiederherzustellen (so die Klägerin) bzw das Klagebegehren abzuweisen (so die Beklagte); hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

In ihren jeweils als „Revisionsrekursbeantwortung" (richtig: Rekursbeantwortung) bezeichneten Gegenschriften beantragen die Parteien wechselseitig die Zurückweisung des jeweils gegnerischen Rechtsmittels mangels Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen (wegen fehlender erheblicher Rechtsfrage), in eventu, diesen keine Folge zu geben. In der Rekursbeantwortung der Klägerin wird überdies die Zurückweisung des gegnerischen Rekurses wegen fehlender formeller Beschwer beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig - die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen (wie hier) nicht bereits oberstgerichtliche Judikatur existiert, ist im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel (zuletzt 7 Ob 227/07v) -, jedoch nicht berechtigt.

Die fehlende formelle Beschwer der Beklagten leitet die Klägerin daraus ab, dass ja das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil aufgehoben habe. Dem ist zu erwidern, dass unter formeller Beschwer das Abweichen einer Entscheidung vom ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil verstanden wird (E. Kodek in Rechberger, ZPO³ Vor § 461 Rz 10; RIS-Justiz RS0041868; RS0043917). Dies trifft hier schon deshalb zu, weil die Beklagte in ihrer Berufung (primär) den Rechtsmittelantrag gestellt hatte, in Stattgebung ihres Rechtsmittels das Klagebegehren vollinhaltlich abzuweisen, und nur hilfsweise (also für den Fall, dass sich das Berufungsgericht hierüber meritorisch zu entscheiden nicht in der Lage sehen sollte) einen Aufhebungsantrag an das Prozessgericht erster Instanz stellte. Dadurch, dass das Berufungsgericht dem primär gestellten Abänderungsantrag nicht gefolgt ist, sondern das Verfahren nunmehr im Sinn der für entscheidungswesentlich erachteten Gründe - die freilich in den Rekursen beider Parteien bestritten werden - für ergänzungsbedürftig erachtete, ist (auch) die Beklagte formell beschwert und ihr Rechtsmittel daher (so wie jenes der Klägerin) inhaltlich zu behandeln.

Aufgrund des engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs werden beide Rekurse im Folgenden gemeinsam behandelt.

Das Berufungsgericht hat die maßgebliche versicherungsrechtliche Rechtslage richtig erkannt und auf den vorliegenden Sachverhalt auch korrekt zur Anwendung gebracht. Hierauf kann gemäß § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO verwiesen werden, sodass den Rechtsmitteln beider Parteien nur noch Folgendes entgegenzuhalten ist:

Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Die einzelnen Klauseln sind objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901; RS0112256; 7 Ob 227/07v), wobei stets der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0050063). Auslegungsbedürftig ist im vorliegenden Fall die Wortfolge „Überschreitung von Voranschlägen" in Art 6.4.6 der AHTB. Wie der deutsche Bundesgerichtshof bereits 1962 zu den insoweit inhaltsgleichen AVB für Haftpflichtversicherung von Architekten ausgeführt hat (VersR 1962, 462), macht der Versicherungsnehmer einen Kostenvoranschlag im Sinn dieser deutschen (vergleichbaren) Versicherungsbedingungen, „wenn er für seinen Auftraggeber künftig voraussichtlich entstehende Kosten veranschlagt", also einen eigenen Voranschlag im Rahmen eines von ihm übernommenen Werkvertrags erstellt. Die Beklagte stellt selbst an die Spitze ihrer Rechtsrüge, dass die Klägerin im vorliegenden Fall gerade keinen Kostenvoranschlag, sondern einen „Plan zur Ausführung der Sprinkleranlage" erstellt hat; einen Kostenvoranschlag hat vielmehr insoweit (allein) die Mitbieterin R***** GmbH erstellt, sich hiezu freilich des (falschen) Materialauszugs der Klägerin bedient. Sollten auch solche (Werk-)Leistungen vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, so hätte dies in den maßgeblichen AHTB unmissverständlich klargestellt werden müssen; Gleiches wäre erforderlich (gewesen), sollten auch Schadenersatzforderungen für die Überschreitung von Voranschlägen nicht bloß eines Versicherungsnehmers selbst, sondern darüber hinaus auch von dessen (unmittelbaren) Vertragspartnern erfasst werden. Auch insoweit liegt weder eine ausdrückliche noch sonst klare (zusätzliche) Versicherungsvereinbarung vor. Solche haben die Parteien des vorliegenden Falls weder getroffen noch ist eine solche Ausschlusserweiterung für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer im Sinn der einleitend wiedergegebenen Auslegungsgrundsätze der §§ 914, 915 ABGB aus den AHTB abzuleiten. Auch wenn die Versicherer mit derartigen (nach vergleichbarer deutscher Versicherungslage) „Massen- und Kostenklauseln" regelmäßig das Risiko von Manipulationsgefahren ausschließen wollen, die im kalkulatorischen Bereich liegen (ausführlich Garbes, Die Haftpflichtversicherung der Architekten/Ingenieure² [2004] Rn 69 ff; Schmalzl/Krause-Allenstein, Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und Bauunternehmers² [2006] Rn 557 ff; Gräfe/Brügge, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung [2006] Rn 104 ff), so betrifft dies doch - jedenfalls nach dem hier zur Beurteilung anstehenden Klauselwortlaut - bloß eigene Manipulationsgefahren. Dass die Klägerin in diesem Sinn mit ihrer Vertragspartnerin R***** GmbH zum Nachteil der beklagten Versicherung zusammengewirkt hätte (in welchem Sinn offenbar der auch im Rekurs der Beklagten wiederholte Vorwurf eines „Interessenkonflikts" zwischen Generalunternehmer und Bieterin zu verstehen ist), wurde weder behauptet noch ergeben sich dafür aus dem Sachverhalt irgendwelche Anhaltspunkte. Ein „bewusster Verstoß gegen Standesvorschriften" ist nicht zu erkennen. Auch auf den „aus Vorsichtsgründen" geltend gemachten Feststellungsmangel zur Preiseinsetzung in den Materialauszug durch R***** GmbH kommt es damit nicht weiter an.

Es ist daher das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts zu billigen.

Soweit die Klägerin in ihrem Rekurs geltend macht, die Berufungsentscheidung sei damit bereits im Sinn einer vollständigen Klagestattgebung abzuändern, weil auch zum Einwand der Obliegenheitsverletzung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung bereits Spruchreife vorliege, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Wenn auch das Erstgericht - nach ihrer Formulierung im Rechtsmittel „disloziert" - im Schlussabsatz seiner rechtlichen Beurteilung „feststellen konnte", dass die Klägerin „soweit ihr möglich mit den Sachverständigen kooperiert hat und die geforderten Unterlagen, soweit vorhanden, vorgelegt hatte", so steht dies in einem bisher unaufgeklärt gebliebenen Widerspruch zur (weiteren) Feststellung des Ersturteils, wonach die Klägerin „einige Fragen (des Sachverständigen) ... unbeantwortet ließ", weshalb der Sachverständige „nicht wesentlich zur Sachverhaltsaufklärung beitragen konnte", sondern lediglich festzustellen in der Lage war, „dass die Angaben der klagenden Partei, welche Software verwendet wurde, widersprüchlich seien". Wenn das Berufungsgericht sich damit außerstande sah, klar und eindeutig aus den Feststellungen des Ersturteils entnehmen zu können, von welcher Sachverhaltsgrundlage bei der Frage einer Obliegenheitsverletzung letztlich auszugehen ist, so kann dies nicht beanstandet werden. Ein Eingriff in die von den Vorinstanzen zu ermittelnden Tatsachengrundlagen steht dem Obersten Gerichtshof nicht zu. Darüber hinaus kann auch hier auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts (§§ 510 Abs 3, 528a ZPO) verwiesen werden.

Beiden Rekursen ist damit nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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