Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 200.000,-- samt 4 % Zinsen seit 19.2.1990 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 92.544,60 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 23.100,-- Barauslagen und S 11.574,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Strittig ist, ob die beklagte Partei zum Rücktritt von dem mit der am 22.10.1989 verstorbenen Ehefrau des Klägers abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht berechtigt war.
Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem auf Zahlung der Versicherungssumme gerichteten Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen stellten der Kläger und seine Ehefrau am 27.8.1988 einen sogenannten Kombiantrag auf Abschluß einer Lebensversicherung. Das Antragsformular wurde in Anwesenheit des Versicherungsvertreters der beklagten Partei ausgefüllt, und es wurden von diesem die entsprechenden Kreuze in den dafür vorgesehenen Fragespalten gesetzt. Die entscheidungswesentlichen Fragen wurden von der Ehefrau des Klägers wie folgt beantwortet: Die Frage 7 nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden in den letzten 5 Jahren (zB Herz oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Gehirn, Rückenmark, Nerven, Sinnesorgane, Haut, Drüsen, Blut, Milz, Stoffwechselstörungen, Geschwülste, Rheumatismus, Wirbelsäule, Gelenke, Muskeln, Infektionskrankheiten, Allergien) wurde mit Ja beantwortet. Desgleichen die Frage 8, ob die Antragstellerin in den letzten 5 Jahren von Ärzten oder Heilpraktikern untersucht, beraten oder behandelt worden ist. Hiezu wurde zu den Detailfragen nach Art, Ausmaß, Verlauf und Folgen der Krankheit, Zeitraum, Krankenhäuser etc. angegeben: Magengeschwür - keine Operation - 7.1988, Landeskrankenhaus Steyr. Name und Anschrift des Arztes, der über die Gesundheitsverhältnisse am besten unterrichtet ist (Frage 6), wurden angegeben. Die Frage 19, ob die Antragstellerin sonstige Krankheiten, Gebrechen oder Beschwerden hat oder hatte, nach denen nicht ausdrücklich gefragt wurde, wurde mit Nein beantwortet. Der Kombiantrag wurde vom Kläger und seiner Ehefrau unterschrieben. Vor der Antragstellung befand sich die Ehefrau des Klägers vom 3.6.1988 bis 1.7.1988 in stationärer Behandlung des Landeskrankenhauses Steyr.
Bei der Aufnahme gab sie an, daß sie seit etwa 6 Jahren an einem
ulcus duodemi leide. In letzter Zeit seien starke Schmerzen
aufgetreten, im Bereich Oberbauchmitte, ausstrahlend nach links bis
zur Schulter. Die Zusammenfassung der Krankengeschichte über diesen
Krankenhausaufenthalt lautet: "Bei der Patientin ist seit längerer
Zeit ein ulcus duodemi bekannt. Jetzt kommt sie wegen
Oberbauchschmerzen ... In der Gastroskopie und im Magenröngten fand
sich ein sehr großes ulcus ventriculi an der kleinen Kurvatur. Die
histologische Untersuchung der Biopsien ergab keinen Anhaltspunkt für
Malignität.... Wegen Kopfschmerzen wurde ein Schädelröntgen
angefertigt, dabei zeigten sich mehrere etwa linsengroße, scharf
begrenzte rundliche Aufhellungsfiguren, osteolytischen Herden
entsprechend. Ätiologisch kommt ein Plasmozytom, eventuell auch
kleine osteolytische Metastasen in Betracht. Eine völlige
Durchuntersuchung wurde ausgeschlossen. Für ein Plasmozytom fand sich
im Sternalmark, in der Untersuchung des Harns und in der Immunologie
kein weiterer Hinweis. Die übrige Durchuntersuchung ergab keinen
Anhaltspunkt für einen Primärtumor. Eine gezielte Punktation konnte
wegen der Kleinheit der Herde nicht durchgeführt werden. Eine
Kontrollgastroskopie und ein Kontrollmagenröntgen vor der Entlassung
zeige das ulcus fast vollständig abgeheilt. Wegen der Schädelherde
haben wir vorläufig eine Observation beschlossen. Die Patientin wurde
... entlassen. Eine neuerliche stationäre Aufnahme zur
Kontrolluntersuchung der osteolytischen Herde im Bereich des Schädels
ist in drei Monaten vorgesehen." Die Kontrolluntersuchung wurde mit
der Ehefrau des Klägers im Krankenhaus vereinbart. Es wurde ihr von
den behandelnden Ärzten gesagt, daß sie in drei Monaten unbedingt
wieder in das Krankenhaus kommen müsse, daß sie etwas im Schädel
habe. Die Ehefrau des Klägers akzeptierte dies und führte auch ihre
Kopfschmerzen darauf zurück. Daß wegen der Schädelherde Krebsverdacht
besteht, wurde ihr nicht gesagt. Am 23.9.1988 verlangte die beklagte
Partei von der Hausärztin der Ehefrau des Klägers einen ärztlichen
Bericht, in dem das ulcus ventriculi und die Behandlungszeit mit III
87 angegeben wurden. Am 18.11.1988 stellte die beklagte Partei den
Versicherungsschein aus. Wann dieser den Versicherungsnehmern
ausgefolgt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die Ehefrau des
Klägers hielt den vereinbarten Termin für die Kontrolluntersuchung
nicht ein. Sie begab sich erst am 29.11.1988 wieder in das
Landeskrankenhaus Steyr, wo sie am 7.12.1988 operiert wurde. Der
Operationsbericht lautet (auszugsweise): "Nach Eröffnung des
Peritoneums reichlich Ascites, der abgesaugt wird. Es findet sich ein
Magencarcinom an der kleinen Kurvatur mit großen Drüsenpaketen,
außerdem ausgeprägte Netzmetastasen und faustgroße Metastasen in
beiden Ovarien...... Besonderheiten des Falles: Die Patientin war vor
einem halben Jahr wegen ulcus ventriculi durchuntersucht worden.
Zahlreiche Biopsien hatten damals nie Malignitätsverdacht gezeigt....
Schon damals bestand der Verdacht auf Knochenmetastasen im
Schädeldach.......". Jetzt wurde aus dem abermals vorhandenen ulcus
ventriculi das Carcinom bioptisch diagnostiziert, außerdem zeigte die gynäkologische Untersuchung bereits die Ovarialmetastasen. Die Ehefrau des Klägers wurde am 23.12.1988 entlassen, in der Folge ambulant chemotherapeutisch behandelt. Am 7.8.1989 wurde sie neuerlich in das Landeskrankenhaus aufgenommen und am 8.8.1989 neuerlich operiert. Von ihrem Tod erhielt die beklagte Partei am 31.10.1989 erstmals Kenntnis. Daraufhin forderte sie am 2.11.1989 beim Landeskrankenhaus Steyr die entsprechenden Krankengeschichten an, die bei ihr nach mehrmaligen Urgenzen am 13.12.1989 einlangten. Mit Schreiben vom 2.1.1990 erklärte sie den Rücktritt vom Versicherungsvertrag.
Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß nach § 16 Abs.3 VersVG der Rücktritt des Versicherers wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ausgeschlossen sei, wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist. Ein Versicherungsnehmer sei dann entschuldigt, wenn er einen an sich erheblichen Umstand für unerheblich zu halten berechtigt gewesen sei. Weder der Kläger noch seine Ehefrau hätten Kenntnis von der letztlich zum Tod führenden Krankheit gehabt. Die Ehefrau des Klägers habe sich wegen des Magengeschwürs in Krankenhausbehandlung begeben und dort auch über Kopfschmerzen geklagt, weshalb sie auch durchuntersucht worden sei. Wenn ihr von den Ärzten gesagt worden sei, daß sie etwas im Schädel habe, weise dies auf keine besondere Ernstlichkeit der Erkrankung hin. Die Ehefrau des Klägers habe ohne weiteres der Meinung sein können, daß die Kontrolluntersuchung im Zusammenhang mit dem Magengeschwür stehe. Dies umso mehr, als sie über den Krebsverdacht nicht aufgeklärt worden sei. Mangels Verschuldens der Versicherungsnehmerin sei daher die beklagte Partei nicht zum Rücktritt berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig ist. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei Beurteilung der Frage, wann der Versicherungsnehmer bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht entschuldigt ist, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht.
Die Revision ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Versicherungsnehmer hat bei der Schließung des Vertrags alle ihm
bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind,
dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die
geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag
überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen
Einfluß auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer
ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als
erheblich (§ 16 Abs.1 VersVG). Für die Übernahme der Gefahr
erhebliche Umstände können auch subjektive Umstände sein, die die
Entstehung von ersatzpflichtigen Schäden mehr oder weniger
wahrscheinlich machen, auch Tatsachen, die auf Umstände dieser Art
hindeuten oder zu ihrer Feststellung führen könnten, sogenannte
indizierende Umstände. Dazu gehören namentlich in der
Lebensversicherung symptomatische Beschwerden (Prölss-Martin, VVG24
165 f mwN). Feststeht, daß die Ehefrau des Klägers bei ihrem
Krankenhausaufenthalt unmittelbar vor Antragstellung wegen ihrer
Kopfschmerzen einer gesonderten Untersuchung unterzogen wurde und daß
ihr von den behandelnden Ärzten gesagt wurde, sie habe etwas im
Schädel und müsse unbedingt in drei Monaten wieder in das Krankenhaus
kommen. Daß es sich hiebei nach dem Gesagten in der
Lebensversicherung um ins Gewicht fallende indizierende Umstände
handelte, kann ebensowenig zweifelhaft sein wie daß diese von den
ausdrücklich schriftlich gestellten Fragen 7 und 10 des
Antragsvordruckes umfaßt waren. Unerheblich ist, daß die Beschwerden
nach den Untersuchungsergebnissen nicht schon einer bestimmten
Krankheit zugeordnet wurden. In der Lebensversicherung sind
Beschwerden oder Schmerzen grundsätzlich auch dann anzuzeigen, wenn
noch keine bestimmte Krankheit diagnostiziert wurde (VersR 1987,
1125; Schauer, Einführung2 68; Prölss-Martin aaO 167). Die
Rechtsfolge der Rücktrittsmöglichkeit des Versicherers wegen
Nichtanzeige dieser Umstände wäre daher gemäß § 16 Abs.3 VersVG nur
dann ausgeschlossen, wenn die Anzeige ohne Verschulden der
Versicherungsnehmerin unterblieben wäre. Nach Lehre und ständiger
Rechtsprechung sind an die vom Versicherungsnehmer bei Erfüllung
seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt ganz
erhebliche Anforderungen zu stellen. Für eine schuldhafte Verletzung
der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt leichte Fahrlässigkeit
(Schauer aaO 69; Prölss-Martin aaO 171; VersRdSch 1991, 200; VersR
1988, 172; SZ 52/65 ua). Die Auffassung der Vorinstanzen, daß die
Ehefrau des Klägers die Kopfschmerzen mit ihrem Magenleiden in
Zusammenhang bringen konnte und daher entschuldigt sei, ist
abzulehnen. Nach den unmißverständlichen Erklärungen der Ärzte war es
auch für einen Laien bei Anspannung der gehörigen Aufmerksamkeit
leicht erkennbar, daß die Beschwerden bereits einen eigenen
selbständigen Krankheitswert hatten. Die Ehefrau des Klägers konnte daher die Beschwerden nicht für unerheblich halten. Sie hätte bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt bei Beantwortung der vom Versicherer gestellten Fragen deren Anzeigepflichtigkeit leicht erkennen können. Den ihm obliegenden Beweis, daß der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt wurde, keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles hatte (VersR 1991, 200) hat der Kläger nicht einmal angetreten.
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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