OGH 7Ob2155/96d

OGH7Ob2155/96d9.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 20.4.1993 verstorbenen Maria D*****, infolge Revisionsrekurses ihrer Tochter und gesetzlichen Erbin Maria D*****, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 29.April 1996, GZ 3 R 125/96x-42, womit infolge Rekurses der Maria D***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 1.April 1996, GZ 1 A 85/93g-39, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich des bestätigten Teiles lautet:

"Die von Maria D***** als gesetzliche Erbin nach ihrer am 20.4.1993 verstorbenen Mutter Maria D***** hinsichtlich des gesamten Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung wird zu Gericht angenommen.

Im übrigen bleibt die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 2.3.1994, GZ 1 A 85/93g-37, angeordnete Innehaltung des Verlassenschaftsverfahrens aufrecht".

Text

Begründung

Maria D*****, geboren am 19.5.1937, ist nach dem Akteninhalt die einzige in Betracht kommende gesetzliche Erbin ihrer am 20.4.1993 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Mutter Maria D*****, für die ein Sachwalter bestellt war. Das vom Gerichtskommissär errichtete Inventar ergab Aktiven von S 671.990,60 und Passiven von S 887.512,01, somit eine Überschuldung von S 215.521,41. In den Aktiven ist eine strittige Forderung in Höhe von S 625.787,58 gegen die Tochter Maria D***** enthalten, die offenbar noch vom ehemaligen Sachwalter der Maria D***** sen. zu deren Lebzeiten beim Bezirksgericht Uster in der Schweiz eingeklagt wurde und der die Behauptung zugrundeliegt, Maria D***** jun. habe diesen der Maria D***** sen. gehörenden Betrag ohne Rücksprache mit dem Sachwalter Anfang Jänner 1991 auf ein Schweizer Bankkonto überweisen lassen. Zu den Passiven zählt unter anderem eine seitens der Bezirkshauptmannschaft F***** angemeldete Forderung von S 714.171,21 auf Rückersatz der im Rahmen der Sozialhilfe übernommenen Verpflegskostenanteile.

In dem vom Gerichtskommissär errichteten Protokoll vom 10.8.1993 ist die Erklärung der Maria D***** jun. festgehalten, daß die in das Inventar aufgenommene Forderung gegen sie nicht zu Recht bestehe, daß sie aber im Hinblick auf die Nachlaßüberschuldung vorerst keine Erbserklärung abgebe. Eine Fristsetzung zur Abgabe der Erbserklärung (§ 118 AußStrG) erfolgte nicht. Der ebenfalls erschienene vertretungsbefugte Beamte der Bezirkshauptmannschaft F***** beantragte die Eröffnung des Konkurses über das Nachlaßvermögen.

Das Erstgericht übermittelte daraufhin den Akt dem Landesgericht Feldkirch als Konkursgericht zur Entscheidung, ob ein Konkursverfahren eingeleitet wird. Das Konkursgericht teilte dem Erstgericht mit, daß die Voraussetzungen der Konkurseröffnung ausreichend bescheinigt seien und ersuchte um Bestellung eines Verlassenschaftskurators, weil die Vertretung der Verlassenschaft zur rechtswirksamen Zustellung entsprechender Beschlüsse notwendig sei. Mit Beschluß vom 13.12.1993 bestellte das Erstgericht Mag.Dietmar F***** gemäß §§ 78, 128 AußStrG zum Verlassenschaftskurator.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 15.2.1994, GZ 10/94-2, wurde über das Vermögen der Verlassenschaft nach Maria D***** der Konkurs eröffnet.

Das Erstgericht sprach mit Beschluß vom 2.3.1994, ON 37, aus, daß mit der Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung bis zur Beendigung des Konkursverfahrens innegehalten werde.

Am 29.3.1996 langte der Antrag der Maria D***** jun. beim Erstgericht ein, das innegehaltene Verlassenschaftsverfahren fortzusetzen und ihre zugleich vorgelegte bedingte Erbserklärung vom 27.3.1996 anzunehmen.

Mit Beschluß vom 1.4.1996 wies das Erstgericht diese Begehren ab. Das Konkursverfahren sei für das vorliegende Verlassenschaftsverfahren präjudiziell. Sollte keine Hyperocha verbleiben, wäre dahin zu entscheiden, daß eine weitere Abhandlung analog den Bestimmungen des § 72 AußStrG zu unterbleiben habe. In diesem Fall wäre die nach Konkurseröffnung abgegebene Erbserklärung zurückzuweisen. Die Innehaltung, die daher nach wie vor zweckmäßig sei, entspreche im wesentlichen der Unterbrechung im Zivilprozeß. Die gesetzliche Erbin könne während der Dauer des Konkursverfahrens rechtswirksam gar keine Erklärungen abgeben, weil bis zur Beendigung desselben nicht feststehe, ob ein Verlassenschaftsvermögen, auf welches sich die Erbserklärung nur beziehen könne, übrig bleibe. Die Annahme der Erbserklärung zum derzeitigen Zeitpunkt ergäbe somit keinen Sinn und brächte auch für Maria D***** jun. keine Vorteile, weil die Einantwortung jedenfalls unterbleibe, solange das Nachlaßkonkursverfahren nicht beendet sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Wesen des Konkurses sei darin gelegen, daß das gesamte der Exekution unterliegende Vermögen der überschuldeten Verlassenschaft der freien Verfügung entzogen werde und die Gesamtheit der Gläubiger das Recht erlange, dieses Vermögen in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen und zu ihrer Befriedigung zu verwenden. Mit Rücksicht auf diesen Zweck des Konkursverfahrens wäre es daher ein Widerspruch, über einen dem Konkursverfahren unterzogenen Nachlaß auch eine Verlassenschaftsabhandlung durchzuführen, weil die Aufgabe der Verlassenschaftsabhandlung, den Nachlaß durch Einantwortung in den rechtlichen Besitz des Erben zu übergeben, von vorneherein gegenstandslos und unerfüllbar sei. Durch die Konkurseröffnung sei die Verwaltung der Verlassenschaftsmasse vom Abhandlungsgericht auf das Konkursgericht übergegangen. Es finde daher zumindest während der Dauer des Konkursverfahrens keine weitere Verlassenschaftsabhandlung statt, weshalb eine Fortsetzung des innegehaltenen Verfahrens nicht in Betracht komme. In diesem Stadium dürfe auch eine Erbserklärung nicht mehr angenommen werden. Eine trotzdem abgegebene Erbserklärung wäre nichtig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Maria D***** jun. ist entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz zulässig, weil die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die sich mit der Frage der Auswirkungen des Konkursverfahrens auf das Verlassenschaftsverfahren befassen, älteren Datums und zudem widersprüchlich sind.

Das Gericht zweiter Instanz folgte in seiner Argumentation den Entscheidungen SZ 22/169 und GlUNF 1154, auf die es sich auch berufen hat.

Die darin vertretene Ansicht wurde aber in der Folge nicht aufrecht erhalten. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung NZ 1964, 22 = SZ 36/85 ausgeführt hat, ist trotz eines (dort noch zu Lebzeiten des Gemeinschuldners anhängig gewordenen und gegen dessen Verlassenschaft weiter geführten) Konkursverfahrens die Einleitung eines Verlassenschaftsverfahrens zulässig. Dies wird überzeugend damit begründet, daß der Nachlaß, der an die Stelle des Gemeinschuldners tritt, eines Vertreters bedarf und den Erben daher Gelegenheit geboten werden soll, Erbserklärungen abzugeben und die Vertretung des Nachlasses zu übernehmen.

Die Verwaltung des konkursunterworfenen Vermögens geht zwar mit der Konkurseröffnung auf den Masseverwalter über. Dies betrifft jedoch nur das Massevermögen, das sich nicht in jedem Fall mit dem Vermögen des ruhenden Nachlasses decken muß, sodaß auch insoweit für den Erben ein Tätigkeitsbereich bestehen bleiben kann (EvBl 1965/273; JBl 1968, 522). Abgesehen davon hat auch der Gemeinschuldner Beteiligtenstellung im Konkursverfahren, die bei einem unvertretenen (bzw nur vom Masseverwalter vertretenen) Nachlaß von niemanden wahrgenommen werden könnte. Dem Erben bzw Verlassenschaftskurator stehen im Konkursverfahren namens der Verlassenschaft als Gemeinschuldnerin ein Antrags-, Beschwerde- und Bestreitungsrecht sowie der Anspruch auf Gehör zu (vgl §§ 105, 118 Abs 1, 121 Abs 3, 125 Abs 2 und 130 Abs 1 KO). Ihn trifft als Vertreter der Gemeinschuldnerin gegebenenfalls eine Äußerungspflicht, und ihm obliegt die Verfügung über bestimmte, dem Gemeinschuldner vorbehaltene Rechte (EvBl 1965/273 mwN).

Gemäß § 100 Abs 6 KO bestimmt zwar im Fall eines Verlassenschaftskonkurses das Konkursgericht, ob alle oder welche von den Erben das Vermögensverzeichnis vor dem Konkursgericht zu unterfertigen haben. Durch die Abgabe und Annahme der Erbserklärung erfolgt jedoch eine gewisse Klarstellung, welche Personen hiefür insbesondere in Frage kommen werden.

Im vorliegenden Fall wurde zwar vor Konkurseröffnung ein Verlassenschaftskurator bestellt, sodaß die Beteiligung des Nachlasses als Gemeinschuldner im Konkursverfahren gesichert ist. Dessen ungeachtet kann es den primär für die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses und damit auch zu dessen Vertretung vorgesehenen erbserklärten Erben (§ 145 AußStrG im Verhältnis zu den §§ 77, 78, 128 AußStrG) nicht verwehrt werden, diese Position selbst einzunehmen.

Es läßt sich auch aus dem AußStrG nicht ableiten, daß die Annahme einer Erbserklärung während eines Verlassenschaftsverfahrens nicht dem Gesetz entspräche. § 74 AußStrG verweist nur allgemein auf die Bestimmungen der KO. § 74 AußStrG unterläßt es - anders als die vorausgehenden Vorschriften der §§ 72 und 73 AußStrG -, festzulegen, daß im Fall der Konkurseröffnung das Verlassenschaftsverfahren beendet sei (EvBl 1965/273). Aus § 75 AußStrG läßt sich bloß ableiten, daß die vermutlichen Erben im Fall eines Nachlaßkonkurses nicht aufgefordert zu werden brauchen, eine Erbserklärung beizubringen. Diese Bestimmung sagt aber nicht, daß eine dennoch abgegebene Erbserklärung nicht bei Gericht angenommen werden dürfe. Aus diesen zur anstehenden Rechtsfrage wenig aufschlußreichen Bestimmungen (vgl ebenfalls EvBl 1965/273) läßt sich die Ansicht der Vorinstanzen, daß eine Erbserklärung während eines Nachlaßkonkurses nicht angenommen werden könne, nicht zwingend ableiten. Weiters ist dem Argument, daß die Annahme einer Erbserklärung mit den Zielen des Konkursverfahrens geradezu in Widerspruch stehe (GlUNF 1154), entgegenzuhalten, daß - abgesehen vom theoretischen Fall einer unbedingten Erbserklärung, die den Konkursgläubigern durchaus nützlich sein könnte - eine Hyperocha bestehen bleiben könnte, die nach Beendigung des Konkursverfahrens einzuantworten wäre.

Es ist daher der bereits in NZ 1964, 22 ausdrücklich vertretenen Ansicht beizupflichten, daß auch während des Nachlaßkonkurses Erbserklärungen wirksam abgegeben werden können und daß auch deren Annahme nichts im Wege steht.

Die Annahme der Erbserklärung war ungeachtet des vorangehenden Beschlusses auf Innehaltung mit dem Abhandlungsverfahren vorzunehmen, weil damit bloß eine jederzeit abänderbare prozeßleitende Verfügung getroffen wurde, die keine Bindungswirkung entfaltet.

Ungeachtet dessen hatte es beim Ausspruch der Innehaltung auch für Zukunft zu bleiben, weil der konkursverfangene Nachlaß nicht eingeantwortet werden kann (NZ 1964, 22; EvBl 1965/273; Koziol/Welser10 II, 403).

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