Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.751,04 EUR (darin enthalten 291,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Unternehmerin (Versicherungsnehmerin) schloss am 24. 8. 2005 mit dem beklagten Versicherer einen auf zehn Jahre befristeten Rechtsschutzversicherungsvertrag ab, der nach Ablauf von fünf Jahren jährlich ohne Dauerrabattrückverrechnung kündbar ist. Ihm liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2002) zugrunde.
Art 15.3. der ARB 2002 lautet:
„Unter welchen Voraussetzungen verlängert sich der Versicherungsvertrag oder endet er vorzeitig?
…
3. Im Zusammenhang mit dem Eintritt eines Versicherungsfalles kann der Versicherungsvertrag unter folgenden Voraussetzungen gekündigt werden:
3.1. Der Versicherungsnehmer kann kündigen, wenn der Versicherer
- die Bestätigung des Versicherungsschutzes (Artikel 9.1.) verzögert hat,
- die Ablehnung des Versicherungsschutzes (Artikel 9.1.) verspätet, ohne Begründung oder zu Unrecht ausgesprochen hat,
- die Ablehnung der Kostenübernahme gemäß Artikel 9.4. ohne Angabe von Gründen und/oder ohne Hinweis auf die Möglichkeit eines Schiedsgutachterverfahrens ausgesprochen hat.
Die Kündigung ist innerhalb eines Monats vorzunehmen
- nach Ablauf der Frist für die Bestätigung und/oder Ablehnung des Versicherungsschutzes (Artikel 9.1.),
- nach Zugang der unbegründeten oder ungerechtfertigten Ablehnung des Versicherungsschutzes bzw nach Zugang der Ablehnung der Kostenübernahme ohne Begründung und/oder Rechtsbelehrung,
- nach Rechtskraft des stattgebenden Urteiles im Falle einer Deckungsklage.
Die Kündigung kann mit sofortiger Wirkung oder zum Ende der laufenden Versicherungsperiode erfolgen.
Dem Versicherer gebührt die auf die abgelaufene Versicherungszeit entfallende anteilige Prämie. Der Versicherer verzichtet, die für die längere Vertragsdauer eingeräumten Prämiennachlässe (Dauerrabatt) nach zu verrechnen.
3.2. Der Versicherer kann zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Versicherung kündigen, wenn
- er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat,
- der Versicherungsnehmer einen Anspruch arglistig oder mutwillig erhoben hat,
- der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Die Kündigung ist innerhalb eines Monats vorzunehmen
- nach Bestätigung des Versicherungsschutzes,
- nach Erbringung einer Versicherungsleistung,
- nach Kenntnis der Arglistigkeit, der Mutwilligkeit, des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit.
Die Kündigung kann grundsätzlich nur unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist erfolgen. Falls der Versicherungsnehmer einen Anspruch arglistig erhoben hat, kann der Versicherer mit sofortiger Wirkung kündigen.
Dem Versicherer gebührt die auf die abgelaufene Versicherungszeit entfallende anteilige Prämie. Der Versicherer verzichtet, die für die längere Vertragsdauer eingeräumten Prämiennachlässe (Dauerrabatt) nach zu verrechnen.“
Die Klägerin meldete der Beklagten am 21. 8. 2008 einen Schadensfall, übermittelte einen bedingten Zahlungsbefehl und ersuchte um Beigabe eines Rechtsanwalts. Mit Schreiben der Beklagten vom 25. 8. 2008 wurde der Klägerin Rechtsschutzdeckung erteilt und bestimmte Rechtsanwälte als Rechtsvertreter vorgeschlagen. Diese Rechtsanwälte meldeten am 10. 7. 2009, dass ein bedingter Vergleich (Klägerin zahlt 2.190 EUR an Kapital und einen Prozesskostenbeitrag von 900 EUR an Gegenseite) geschlossen worden sei, den die Beklagte genehmigte und wodurch der Rechtsstreit, in den die Klägerin involviert war, beendet wurde.
Mit Schreiben vom 4. 9. 2008 kündigte die Klägerin unter Hinweis auf die Bestätigung des Versicherungsschutzes gemäß Art 15.3.2. ARB 2002 und auf ihre Ansicht, dass im Sinn des paritätischen Kündigungsrechts diese Bestimmung auch für den Versicherungsnehmer gelte, den Rechtsschutzversicherungsvertrag zur „nächstliegenden Skadenz“. Die Beklagte wies die Kündigung mit Schreiben vom 10. 9. 2008 zurück. Die Klägerin beharrte im Schreiben vom 4. 12. 2008 auf ihrem Kündigungsrecht und forderte der Beklagten zugleich eine weitere Leistung (Rechtsberatung) ab. Die Beklagte wies auch diese wiederholte Kündigung zurück.
Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die von ihr ausgesprochene Kündigung des Rechtsschutzversicherungsvertrags wirksam sei und dieser daher ab 1. 9. 2009 nicht mehr bestehe. Sie brachte zusammengefasst vor, ihre Kündigung sei zulässig, berechtigt und wirksam. Die Regelung des Art 15.3. ARB 2002 sei unwirksam, weil sie insbesondere gegen den Grundsatz der paritätischen Kündigung verstoße. Diese Bestimmung erfülle das Erfordernis der formalen Gleichheit nicht, sondern behandle die Vertragspartner unterschiedlich. Der Versicherungsnehmer könne im Schadensfall kündigen, wenn dem Versicherer ein Fehlverhalten vorgeworfen werden könne, der Versicherer könne hingegen nicht nur bei einem Fehlverhalten des Versicherungsnehmers, sondern auch dann kündigen, wenn er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht habe. Diese Regelung sei für die Klägerin gröblich benachteiligend. Die §§ 96, 113 und 158 VersVG seien auch auf die Rechtsschutzversicherung analog anwendbar. Unabhängig von einer analogen Anwendung sei deren Wertung dort zu beachten, wo es in Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Kündigung im Schadensfall gebe, weil in diesen Fällen ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck komme. Der Grundsatz der Parität des Kündigungsrechts nach dem Eintritt des Versicherungsfalls strahle zumindest im Wege der Inhaltskontrolle auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungszweige der Schadensversicherung aus. Eine in Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltene, gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoßende Klausel sei nichtig. Mangels Vorliegens eines Verbrauchergeschäfts sei eine teleologische Reduktion zulässig. Die Regelung sei daher in der Weise zu modifizieren, dass sie dem Postulat der Parität des Kündigungsrechts entspreche. Dies führe dazu, dass dem Versicherungsnehmer auch dann ein Kündigungsrecht zustehe, wenn der Versicherer den Versicherungsschutz bestätige, ablehne oder eine Leistung erbracht habe.
Die Beklagte wendete ein, die Kündigung der Klägerin sei nicht gerechtfertigt und offenbar von einer unsachlichen Motivation getragen. Sie versuche aus einem völlig problemlos abgewickelten Schadensfall ein Kündigungsrecht zu konstruieren. Die Kündigung sei schikanös. Ein außerordentliches Kündigungsrecht stehe der Klägerin nicht zu. Die Kündigungsmöglichkeiten seien in Art 15 ARB 2002 für beide Vertragsteile umfassend, den jeweiligen Bedürfnissen und den (fast ausschließlich gegenteiligen) Interessen der Vertragspartner einer Rechtsschutzversicherung entsprechend geregelt. Das Kündigungsrecht des Versicherers sei auch bei Eintritt des Schadensfalls oder bei Erbringung der Leistung durch den Versicherer massiv eingeschränkt. Es könne nicht willkürlich und grundlos ausgeübt werden, sondern es müsse zusätzlich das Kriterium der überdurchschnittlichen oder ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Versicherungsgemeinschaft erfüllt sein, welches einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sei. Die Klägerin wolle nach Eintritt eines Schadensfalls bei völlig problemloser Abwicklung eines Rechtsschutzakts ein Kündigungsrecht ausüben, das im umgekehrten Fall der Beklagten als Rechtsschutzversicherung nicht zustünde. In §§ 158j bis 158o VersVG werde kein gesetzliches außerordentliches Kündigungsrecht des Rechtsschutzversichungsnehmers normiert. Es liege keine unbeabsichtigte Lücke vor, welche eine Analogie (insbesondere im Sinn der §§ 96, 158 VersVG) rechtfertige. Jedenfalls in Bereichen der Rechtsschutzversicherung, für die die Verstoßtheorie gelte, aber auch bei Serviceleistungen, wie dem Beratungsschutz, sei jede Analogie abzulehnen, weil dies zum Missbrauch führen würde. Bei einer analogen Anwendung des § 158 VersVG würde die Rechtsschutzversicherung infolge in Frage gestellter Rechtssicherheiten keinen Rechtsfrieden mehr gewährleisten können. Es gäbe im Firmen-Rechtsschutzbereich keine Vertragstreue mehr. Die Prämien, bezogen auf den einzelnen Versicherungsvertrag, würden steigen, manche Risiken wären überhaupt unkalkulierbar. Art 15.3. ARB 2002 sei weder versteckt noch gröblich benachteiligend.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es zusammengefasst aus, dass mangels planwidriger Lücke eine Analogie des in §§ 96, 113 und 158 VersVG geregelten Kündigungsrechts im Schadensfall nicht geboten sei. Der Entscheidung 7 Ob 272/04g liege die Beurteilung einer Betriebsunterbrechungsversicherung zu Grunde. Diese sei eine Sachversicherung, die jedoch nicht, wie beispielsweise die Feuer-, Hagel- und Rechtsschutzversicherung, als eigener Regelungskomplex im VersVG gesetzlich geregelt sei. Nach den ARB 2002 habe der Versicherer die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Versicherung zu kündigen, wenn er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht habe. Dem Versicherer stehe somit ein Kündigungsrecht auch zu, wenn er zu Recht in Anspruch genommen werde. Dieses Kündigungsrecht stehe dem Versicherungsnehmer nach den ARB 2002 hingegen nicht zu. Aufgrund dieser divergierenden Ausgestaltung unterliege diese Klausel der Inhaltskontrolle im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Die §§ 96 Abs 1, 113, 158 Abs 1 iVm § 108 Abs 1, 115a Abs 3, 158a Abs 2 VersVG hätten für die Inhaltskontrolle von AVB-Klauseln über die Kündigung im Schadensfall Bedeutung. Dort, wo es eine Kündigung im Schadensfall gebe, müssten die Wertungen der genannten Normen immer Bedeutung finden, also nicht nur in den gesetzlich geregelten Fällen, weil in diesen ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck komme. Hinsichtlich der paritätischen Ausgestaltung einer solchen Kündigungsklausel sei unter Gleichheit wohl eine formale Gleichheit zu verstehen, weil nur durch diese relativ leicht eine sichere, für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch durchführbare Gleichheitsprüfung erfolgen könne. Da Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen wie Art 15.3.2. ARB 2002, welche ein imparitätisches Schadensfallkündigungsrecht aufwiesen, ohne sachliche Rechtfertigung vom gesetzlichen Leitbild der Schadensfallkündigung abwichen, benachteiligten sie den Versicherungsnehmer gröblich und seien daher nichtig. Auf die Folgen der Nichtigkeit, insbesondere unter dem Blickwinkel einer möglichen geltungserhaltenden Reduktion, sei nicht näher einzugehen. Zu beachten sei nämlich, dass dem Versicherungsnehmer ein dem Versicherer formal entsprechendes Kündigungsrecht zustehe, das heiße, die Geltendmachung eines auf ihn ausgeweitetes Kündigungsrecht (des Art 15.3.2. ARB 2002) setze voraus, dass eine „überdurchschnittliche berechtigte Inanspruchnahme der Versicherung“ vorliege. Dies sei von der Klägerin jedoch nicht behauptet worden. Auch sei nicht vorgebracht worden, dass die Schadensabwicklung durch die Beklagte nicht zur Zufriedenheit der Klägerin erfolgt sei. Die Kündigung sei für den Versicherer somit grundlos erfolgt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die im VersVG für andere Versicherungsarten vorgesehenen gesetzlichen Kündigungsrechte mangels planwidriger Lücke nicht analog auf die Rechtsschutzversicherung Anwendung fänden. Würde man in der Rechtsschutzversicherung dem Versicherungsnehmer ein uneingeschränktes Kündigungsrecht im Versicherungsfall einräumen, so würde dies „wegen des großen Einflusses des Versicherungsnehmers auf den Versicherungsfall“ im Ergebnis zu einer jederzeitigen Auflösbarkeit des Versicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer führen. Der österreichische Gesetzgeber habe ein Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls lediglich für die Feuerversicherung (§ 96 VersVG), die Hagelversicherung (§ 113 VersVG) und die Haftpflichtversicherung (§ 158 VersVG) normiert. Für die Rechtsschutzversicherung sei ein solches Kündigungsrecht im Schadensfall gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht in den zahlreichen Novellen zum VersVG geschaffen worden, sodass keine planwidrige Lücke vorliege. Die Zuerkennung eines versicherungsfallbedingten Kündigungsrechts dürfe nicht zu Missbräuchen führen. Ein derartiger Missbrauch sei aber möglich, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall „willkürlich beeinflussen und jederzeit herbeiführen“ könne. Jedenfalls dürfe der Versicherungsfall nicht nur den Vorwand für eine Kündigung bilden. Eine Kündigung sei demnach rechtsmissbräuchlich, wenn sie vernünftigerweise nichts mit den Gebaren einer Partei bei der Schadensabwicklung zu tun habe. Eine Inhaltskontrolle des Art 15.3. ARB 2002 im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sei nicht erforderlich. Mangels Analogie des (dispositiven) Kündigungsrechts nach § 158 oder § 96 VersVG stehe der Klägerin in der Rechtsschutzversicherung kein gesetzliches (und auch kein vereinbartes) Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls zu. Dementsprechend könne auch von einem vertraglichen Ausschluss oder einer Einschränkung dieses Kündigungsrechts keine Rede sein, weil man nichts ausschließen könne, was nicht gesetzlich vorgesehen sei. Darüber hinaus könnte eine vereinbarte Unausgewogenheit im Sinn einer gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB nur zur Nichtigkeit der betroffenen sittenwidrigen Klauseln, nicht aber zur Begründung eines (nicht vorgesehenen) Kündigungsrechts führen. Die Kündigung des Rechtsschutzversicherungsvertrags durch die Klägerin sei daher nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, ob das gesetzliche Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 96 oder § 158 VersVG auch auf die Rechtsschutzversicherung analog anzuwenden sei, in der Literatur uneinheitlich beantwortet werde und die Entscheidung 7 Ob 272/04g nicht zur Rechtsschutzversicherung, sondern zur gänzlich anders gelagerten Betriebsunterbrechungsversicherung für Ärzte ergangen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Prozessgegnerin zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 272/04g (im Ergebnis zust Ertl, ecolex 2006, 980) betreffend eine Betriebsunterbrechungsversicherung ausgesprochen, dass das Kündigungsrecht gemäß § 96 VersVG (Feuerversicherung) im Wege der Analogie auf die Kündigung in allen Sparten der Sachversicherung zu erstrecken ist (so auch Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³ 304; Martin, Sachversicherungsrecht³, L II 4, 948; Römer/Langheidt, VVG² [2003], § 96 Rn 4).
Bei der Rechtsschutzversicherung handelt es sich aber nicht um eine Sachversicherung. In der Sachversicherung werden - in Abgrenzung zur Personenversicherung - Sachen oder Inbegriffe von Sachen gegen Verlust, Beschädigung und Zerstörung abgesichert. Die Kategorien der Personen- und der Sachversicherung erfassen allerdings nicht alle Erscheinungsformen von Versicherungen (Brömmelmeyer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz² [2011], § 1 VVG Rn 31). Die Rechtsschutzversicherung schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva) und ist - mangels einer „versicherten Sache“ - eine passive Schadensversicherung (Lafenthaler in Versicherungs-Handbuch, Rechtsschutzversicherung 2). Sie bietet Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten und ist eine echte Schadensversicherung im Sinn der §§ 49 bis 80 VersVG (3 Ob 305/02b; 5 Ob 169/06y jeweils mwN). Zwar kommt der aus der deutschen Terminologie stammende Begriff der Sachversicherung im VersVG nicht vor, jedoch zeigt sich auch aus der Differenzierung zwischen „sonstigen Sachversicherungen“ und der Rechtsschutzversicherung in § 81o Abs 2 VAG, dass die Rechtsschutzversicherung nicht zu den Sachversicherungen zählt.
2. Zum Kündigungsrecht des Rechtsschutzversicherungsnehmers im Schadensfall werden folgende Rechtsansichten vertreten:
Fenyves (in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, Kommentar zu den Novellen zum VersVG [1998], § 108 VersVG Rz 4) verweist darauf, dass der in § 96 Abs 1 VersVG ebenso wie in § 113 (Hagelversicherung) und § 158 Abs 1 VersVG (Haftpflichtversicherung) niedergelegte Grundsatz des paritätischen Kündigungsrechts nach dem Eintritt des Versicherungsfalls nur in diesen drei Sparten der Schadensversicherung ausdrücklich als (halb-)zwingend erklärt worden sei. Bei der erst durch die VersVG-Novellen „1992“ (richtig: 1993) und 1994 in das Gesetz aufgenommenen Rechtsschutzversicherung, die in ihren AVB eine einschlägige Bestimmung kenne (Art 15.3. ARB 1994), gebe es keine vergleichbare Regelung. Ob die Schadensversicherung ein allgemeines Prinzip der Kündigung im Schadensfall kenne, könne offen bleiben, weil die Situation in den einzelnen Sparten der Schadensversicherung doch sehr unterschiedlich sein könne. Dort, wo es eine Kündigung im Schadensfall gebe, müsse die Wertung der §§ 96 Abs 1, 113 und 158 Abs 1 VersVG, die durch §§ 108 Abs 1, 115a Abs 3 und 158a Abs 2 (halb-)zwingend gestellt worden seien, immer Beachtung finden, nicht nur in den gesetzlich geregelten Fällen, weil in diesen ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck komme. Der Grundsatz der Parität des Kündigungsrechts nach dem Eintritt des Versicherungsfalls werde somit, wenn schon nicht durch eine Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen, so doch zumindest im Wege der Inhaltskontrolle auf die AVB solcher Versicherungszweige der Schadensversicherung ausstrahlen, die nicht im VersVG geregelt seien.
Gruber (Die Kündigung im Schadensfall, FS Migsch [2004] 91 [106 f]) lehnt es erkennbar ab, in der Schadensfallkündigung ein allgemeines Prinzip der Schadensversicherung zu sehen. Den §§ 96, 113, 158 iVm §§ 108 Abs 1, 115a Abs 3, 158a Abs 2 VersVG sei ein Maßstab für die Inhaltskontrolle von AVB-Klauseln über die Kündigung im Schadensfall zu entnehmen. Wenn eine AVB-Klausel ein Kündigungsrecht im Schadensfall vorsehe, ergebe sich - Fenyves folgend - aus den gesetzlichen Regelungen über die Schadensfallkündigung (§§ 96, 113, 158 VersVG), die durch andere Bestimmungen bezüglich der Parität des Kündigungsrechts halbzwingend gestellt würden (§§ 108 Abs 1, 115a Abs 3, 158a Abs 2), ein Leitbild für die Schadensfallkündigung, das den Maßstab der Inhaltskontrolle der AVB-Kündigungsklausel nach § 879 Abs 3 ABGB darstelle. Dieses Leitbild bestehe darin, dass ein Kündigungsrecht im Schadensfall, wenn es vereinbart werde, nur paritätisch ausgestaltet sein könne. Teleologisch sei dieses Leitbild des Gesetzgebers damit zu rechtfertigen, dass das Schadensfallkündigungsrecht vornehmlich im Interesse des Versicherungsnehmers bestehe, dessen Interessen durch eine Beschränkung seines Kündigungsrechts im Vergleich zum Versicherer unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. AVB-Klauseln mit imparitätischem Schadensfallkündigungsrecht würden ohne sachliche Rechtfertigung von diesem gesetzlichen Leitbild abweichen, benachteiligten den Versicherungsnehmer gröblich und seien daher nichtig. Dies gelte etwa für die Kündigungsklauseln in Art 15.3. ARB 1994. Bei der Rechtsfolge des § 879 Abs 3 ABGB erscheine zum Schutz des Versicherungsnehmers „erwägenswert“, ob ihm nicht mit einer geltungserhaltenden Reduktion besser als mit der Nichtigkeit einer Kündigungsklausel gedient sei. Dem Versicherungsnehmer stehe außerhalb der §§ 96, 113, 158 VersVG kein Schadensfallkündigungsrecht zu, wenn die einschlägige AVB-Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig sei. Wesentlich „sinnvoller“ könnte es im Interesse des Versicherungsnehmers sein, die Kündigungsklausel auf ihr zulässiges Maß zu reduzieren. Es widerspreche ja nicht die Kündigungsklausel an sich dem gesetzlichen Leitbild, sondern nur die imparitätische Ausgestaltung des Kündigungsrechts. Die geltungserhaltende „Reduktion“ könnte darin bestehen, die zusätzlichen Voraussetzungen für die Schadensfallkündigung des Versicherungsnehmers, wie sie in den imparitätischen Kündigungsklauseln vorgesehen seien, zu beseitigen und die Klausel mit einem für Versicherer und Versicherungsnehmer gleich ausgestalteten Schadensfallkündigungsrechts bestehen zu lassen.
Kriegner (Günstigeres Kündigungsrecht des Rechtsschutzversicherers im Schadensfall rechtswidrig?, ecolex 2006, 891) lehnt die analoge Anwendung der gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten im Versicherungsfall auf die Rechtsschutzversicherung ab. § 158 VersVG habe - ähnlich wie §§ 96 und 113 VersVG - den Zweck, beiden Vertragspartnern anlässlich des Versicherungsfalls, wenn sie diesbezüglich schlechte Erfahrung miteinander machten, die Auflösung des Vertrags zu ermöglichen. Dass dieser Zweck nicht unbedingt auch auf die Rechtsschutzversicherung zutreffen müsse, habe bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf (VersR 1968, 243 [zust Klatt 245 f]) ausgeführt, indem es eine Analogie des § 158 VersVG auf die Rechtsschutzversicherung auch mit der Begründung abgelehnt habe, dass die Konfliktmöglichkeiten zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags bei der Rechtsschutzversicherung wesentlich geringer als bei der Haftpflichtversicherung seien. Zudem sei der Sachverhalt/Tatbestand des Versicherungsfalls zwischen dem in § 158 VersVG erfassten Falltyp und Art 15 ARB 2006 in (Teilen) der Rechtsschutzversicherung nach den rechtlichen Wertmaßstäben nicht gleichzusetzen. Während der Versicherungsfall in der Haftpflichtversicherung ein Schadensereignis voraussetze, werde in Teilen der Rechtsschutzversicherung auf die Verstoßtheorie abgestellt. Beim Schadensereignis werde auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abgestellt. Als Verstoß werde dagegen das Kausalereignis angesehen, also das haftungsrelevante Verhalten des Versicherungsnehmers, das den Schaden verursacht habe. In Teilen der Rechtsschutzversicherung gelte daher als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften. Würde man unter diesen Voraussetzungen in der Rechtsschutzversicherung dem Versicherungsnehmer ein unbeschränktes Kündigungsrecht im Versicherungsfall einräumen, würde das wegen des leichten Einflusses des Versicherungsnehmers auf den Versicherungsfall zur jederzeitigen Auflösbarkeit des Versicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer führen. Zumindest in den Bereichen der Rechtsschutzversicherung, die auf die Verstoßtheorie abstellten, sei eine Analogie auch deshalb abzulehnen, weil dies zum Missbrauch führen könnte und nicht dem Zweck des versicherungsfallbedingten Kündigungsrechts entsprechen könne. Zudem sei es den Vertragspartnern in den Versicherungsbereichen ohne ein versicherungsfallbedingtes gesetzliches Kündigungsrecht aufgrund der allgemein verbesserten Kündigungsmöglichkeiten (§ 8 VersVG) in der Regel zumutbar, trotz Unzufriedenheit mit dem Vertragspartner das vereinbarte Vertragsende abzuwarten, wie den Vertragspartnern in anderen Lebensbereichen auch. Wo tatsächlich im Einzelfall ein starkes Bedürfnis nach sofortiger Vertragsauflösung bestehe, stehe unabdingbar das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu. § 158 VersVG komme aber - Fenyves folgend - jedenfalls Leitbildfunktion zu. Nach Art 15 ARB 2006 stehe dem Versicherungsnehmer - anders als dem Versicherer - bei überdurchschnittlicher berechtigter Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes ein Kündigungsrecht nicht zu, sondern nur wenn der Versicherer den Versicherungsschutz (wenn auch berechtigt) auch noch ablehne bzw verzögere. Dadurch werde in die gemäß § 158a Abs 2 VersVG festgeschriebene formale Gleichheit des Kündigungsrechts der beiden Vertragspartner zu Lasten des Versicherungsnehmers eingegriffen. Ein Ausschluss des Kündigungsrechts bei „bloß“ berechtigter überdurchschnittlicher Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes durch den Versicherungsnehmer bei gleichzeitiger Gewährung dieses Kündigungsrechts für den Versicherer sei unzulässig. Da in der Rechtsschutzversicherung kein gesetzliches versicherungsfallbedingtes Kündigungsrecht bestehe, müsse - unter der Voraussetzung der formalen Gleichheit - ein Ausschluss bzw eine Einschränkung grundsätzlich zulässig sein. Der Versicherungsnehmer habe in der Rechtsschutzversicherung nach dem Gesetz kein versicherungsfallbedingtes Kündigungsrecht, das heiße von einem vertraglichen Ausschluss bzw einer Einschränkung des versicherungsfallbedingten Kündigungsrechts könne - mangels Analogie des § 158 VersVG - gar nicht die Rede sein, weil man nichts ausschließen bzw einschließen könne, das nicht gesetzlich vorgeschrieben sei. Entweder werde dem Versicherungsnehmer auch bei überdurchschnittlicher berechtigter Inanspruchnahme der Versicherung ein Kündigungsrecht eingeräumt oder es könne dieses Kündigungsrecht auch für den Versicherer nicht zulässig vereinbart werden.
Reisinger (Versicherungsrechtliche Entscheidungen, Kommentar zu 7 Ob 83/08v) führt zur Frage, ob eine Schadensfallkündigung auch in dem im Gesetz nicht geregelten Bereich der Rechtsschutzversicherung möglich sei, aus, es spreche nichts dafür, eine Analogie zur Sachversicherung und Haftpflichtversicherung anzunehmen, weil die Bestimmungen über die Rechtsschutzversicherung eine Beschränkung des Kündigungsrechts (wie etwa bei der Krankenversicherung nach „§ 189i“ [gemeint wohl: § 178i] VersVG) nicht kennen.
Geist (in Kronsteiner/Lafenthaler, Erläuterungen zu den Musterbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung [ARB 1994] 153 f) legt zu Art 15.3. ARB 1994 dar, dass die Kündigungsrechte des Versicherers und des Versicherungsnehmers gleichwertig bzw ausgewogen, nicht jedoch „gleich“ im Wortsinn sein müssten. Wenn der Versicherer sein eigenes Kündigungsrecht nach sachlichen Gesichtspunkten - wie dies im Art 15 ARB 1994 erfolgt sei - einschränke, dann sei auch eine Vereinbarung über ein eingeschränktes Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers im Schadensfall zulässig, wenn die Regelung ausgewogen sei. Aus diesem Grund seien die Kündigungsrechte des Versicherungsnehmers erweitert und das Kündigungsrecht des Versicherers durch eine Beschreibung des Zwecks eingeschränkt worden. Würde man in der Rechtsschutzversicherung dem Versicherungsnehmer ein uneingeschränktes Kündigungsrecht im Schadensfall einräumen, würde dies wegen des großen Einflusses des Versicherungsnehmers auf den Versicherungsfall (Verstoßtheorie; Bedarf nach Rechtsberatung) zur jederzeitigen Auflösbarkeit des Versicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer führen. Lafenthaler (in Versicherungs-Handbuch, Rechtsschutzversicherung 14) schließt sich der letztgenannten Aussage an und vertritt die Ansicht, dass ein paritätisches Kündigungsrecht, das im Schadensfall dem Rechtsschutzversicherungsnehmer die gleichen Kündigungsmöglichkeiten wie dem Versicherer einräume, - im Gegensatz zur Feuer-, Hagel- und Haftpflichtversicherung - nicht „vorgesehen“ sei.
Prölss (in Prölss/Martin, VVG27 § 8 Rn 5; in diesem Sinn auch Prölss/Armbrüster in Prölss/Martin aaO § 13 ARB 94 Rn 3) vertritt die Ansicht, dass eine analoge Anwendung des § 96 dVVG aF auf sonstige „normale“ Sachversicherungszweige und eine solche des § 158 dVVG aF auf die Rechtsschutzversicherung aus Gründen der Rechtssicherheit wohl ausscheide. Gesetzliche Kündigungsrechte sollten grundsätzlich auf ihren unmittelbaren Anwendungsbereich beschränkt bleiben, auch wenn ihr Zweck in anderen Fällen ebenfalls zutreffe. Das hindere jedoch nicht, dass die Bestimmungen für AVB Leitbildfunktion hätten, wenn ihre Analogie sachlich - also ohne Rücksicht auf die Rechtssicherheit - gerechtfertigt wäre. Jedenfalls seien AVB nichtig (§ 307 Abs 1 BGB), wenn sie dem Versicherungsnehmer anlässlich des Schadensfalls nicht unter gleichen Bedingungen ein Kündigungsrecht einräumten wie dem Versicherer.
Kollhosser (in Prölss/Martin, VVG27 § 96 Rn 2) legt dar, dass ein hinreichendes Bedürfnis für eine Analogie (zu §§ 96, 113, 158 dVVG aF) heute in der Regel nicht mehr gegeben sei. Schon bei Schaffung des dVVG habe der Gesetzgeber ein solches Kündigungsrecht nicht für alle damals schon von ihm geregelten Sachversicherungsbereiche anerkannt, nämlich nicht für die Tier- und Transportversicherung, weil die Verhältnisse unterschiedlich seien. Im Lauf der Zeit sei ein etwaiges Analogiebedürfnis außerdem geschrumpft. Zum einen enthielten heute die AVB für viele Sachversicherungsbereiche verfallsbedingte Kündigungsrechte. Zum anderen sei es den Vertragspartnern in den Bereichen ohne ein solches ausdrücklich geregeltes besonderes Kündigungsrecht auf Grund der allgemein verbesserten Kündigungsmöglichkeiten (§ 8 Abs 2 dVVG aF) und der gesetzlichen Beschränkung der Vertragshöchstdauer (§ 8 Abs 3 dVVG aF) heute in der Regel zumutbar, trotz Unzufriedenheit mit dem Vertragspartner das vereinbarte Vertragsende abzuwarten, wie den Vertragsparteien in anderen Lebensbereichen auch. Wo tatsächlich im Einzelfall ein starkes Bedürfnis nach sofortiger Vertragsauflösung vorhanden sei, stehe unabdingbar das allgemeine Recht zur sofortigen Kündigung aus wichtigem Grund zur Verfügung.
Mit der Neufassung des dVVG erfolgte für den Bereich der Sachversicherung eine Erweiterung des Kündigungsrechts (§ 92 dVVG nF), indem das Kündigungsrecht von der Feuerversicherung auf die gesamte Sachversicherung erstreckt wurde. Zudem enthält auch § 111 dVVG nF (Haftpflichtversicherung) ein Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls. Keine Änderung erfuhr diesbezüglich die Rechtsschutzversicherung. Nach Fausten (in Münchener Kommentar zum VVG [2010] § 11 VVG Rn 46) habe eine Einzelanalogie des für die Sparte Haftpflicht geschaffenen § 111 Abs 1 dVVG nF auf artverwandte Versicherungszweige, etwa den der Rechtsschutzversicherung, allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit außer Betracht zu bleiben, weil durch Gesetz angeordnete Sonderkündigungsrechte grundsätzlich nicht über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt werden sollten. Für Armbrüster (in Prölss/Martin, VVG28 § 92 Rn 2) fehlt es für eine Erstreckung des Kündigungsrechts (des § 92 dVVG nF) auf andere Zweige der Schadensversicherung, jedenfalls wenn keine kombinierte Sach- und Schadensversicherung vorliege, angesichts der Novellierung bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.
3. Der Oberste Gerichtshof hat zur Kündigungsmöglichkeit der Klägerin nach einem Versicherungsfall (Schadensfallkündigung) gegenüber dem beklagten Rechtsschutzversicherer erwogen:
3.1. Zutreffend haben die Vorinstanzen für die Rechtsschutzversicherung die analoge Anwendung der gesetzlich normierten Kündigungsmöglichkeiten im Schadensfall (§ 96 Abs 1, § 113 und § 158 Abs 1 VersVG) abgelehnt.
Nach der Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorhandensein einer Gesetzeslücke, das heißt einer „planwidrigen“, nicht gewollten Unvollständigkeit voraus. Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine echte Lücke liegt vor, wenn man von einem bestimmten Standpunkt aus die konkrete Regelung eines Sachverhalts erwartet, eine solche aber fehlt. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht. Genauso bedeutet es noch keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke, wenn der Gesetzgeber eine Regelung nicht vorgenommen hat, die ein Autor als wünschenswert empfindet. Den Gerichten kommt nämlich nicht die Aufgabe zu, im Wege einer allzu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Analogie ist daher ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestands erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht (7 Ob 13/10b mwN).
Die Rechtsschutzversicherung wurde zunächst durch BGBl Nr 1993/90 (in Umsetzung der Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie 87/344/EWG) und in weiterer Folge durch die VersVG-Novelle 1994, BGBl Nr 1994/509, im VersVG gesetzlich geregelt. Die ARB enthielten bereits damals (vgl Art 15.3.2. ARB 1994; Fenyves aaO § 108 Rz 4) und auch schon vorher (vgl Art 15.3. ARB 1988; Fenyves aaO § 108 Rz 1) ein Kündigungsrecht im Schadensfall. Der Gesetzgeber griff dieses weder als gesetzliche Regelung in den §§ 158j ff VersVG auf, noch gestaltete er das Kündigungsrecht paritätisch aus. Letzteres widerspricht dem Regelungskonzept des Gesetzgebers der VersVG-Novelle 1994, wie er es in der Sachversicherung in den §§ 96 und 108 Abs 1 VersVG sowie §§ 113 und 115a Abs 3 VersVG und in der Haftpflichtversicherung in den §§ 158 und 158a Abs 2 VersVG verwirklichte. Da die ARB schon vor den Gesetzesnovellen ein imparitätisches Kündigungsrecht zu Lasten des Versicherungsnehmers vorsahen (und noch immer vorsehen), hätten sie damit wohl eine korrigierende Reaktion des Gesetzgebers hervorrufen müssen, hätte er die diesbezüglichen Regelungen aus der Sach- und der Haftpflichtversicherung auch für die Rechtsschutzversicherung übernehmen wollen. Die Schadensfallkündigung in der Rechtsschutzversicherung ist aber weiterhin nur in den ARB und nicht (auch) im VersVG geregelt (Gruber aaO 106 und 107). Auch in den zahlreichen Novellen zum VersVG seit 1994 wurde kein solches Kündigungsrecht im Schadensfall geschaffen. Zwar besteht diesbezüglich ein rechtspolitischer Wunsch der Versicherungsmakler (Gisch, Die VersVG-Novelle aus der Sicht der Versicherungsmakler, VR 2011, 45 [49]: „versicherungsrechtlicher Dauerbrenner“), den der Gesetzgeber aber nicht aufgegriffen hat. Schon daraus ergibt sich, dass mangels „planwidriger“ Gesetzeslücke eine analoge Anwendung des gesetzlich geregelten Kündigungsrechts im Schadensfall auf die Rechtsschutzversicherung nicht in Betracht kommt. Zudem ist auf die vom Oberlandesgericht Düsseldorf (VersR 1968, 243 [zust Klatt aaO 245 f]) und Kriegner (aaO) angeführten Unterschiede zwischen der Haftpflichtversicherung und der Rechtsschutzversicherung zu verweisen, die einer analogen Anwendung des § 158 Abs 1 VersVG in der Rechtsschutzversicherung entgegenstehen.
3.2. Unstrittig ist, dass die Klägerin ihre Kündigung nicht auf einen wichtigen Grund stützte und dass die Voraussetzungen der Kündigung nach Art 15.3.1. ARB 2002 nicht vorliegen. Die Klägerin beruft sich vielmehr nur darauf, dass Art 15.3.2. erster Fall ARB 2002 gegen den Grundsatz der paritätischen Kündigung verstoße und daher eine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB darstelle. Diese Klausel sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass ihr ein Kündigungsrecht - ohne weitere Voraussetzungen - bereits dann zustehe, wenn der Versicherer den Versicherungsschutz bestätigt, „abgelehnt“ (ein solcher Fall ist hier nicht verwirklicht) oder eine Leistung erbracht habe. Dieser Auslegung ist nicht zu folgen.
Art 15.3.2. erster Fall ARB 2002 sieht ein Kündigungsrecht des Rechtsschutzversicherers „zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Versicherung“ vor, wenn er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat. Eine solche Kündigungsmöglichkeit besteht für den Versicherungsnehmer nicht.
Ob diese Klausel unter der Prämisse des Erfordernisses der „paritätischen Kündigungsmöglichkeit“ der Inhaltskontrolle im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB standhält (verneinend Gruber aaO 113 [allgemein zu Art 15.3. ARB 1994]; Kriegner aaO 893 [für den Fall der überdurchschnittlichen berechtigten Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes durch den Versicherungsnehmer]; vgl Fenyves aaO § 108 Rz 2 und 4 [für AVB solcher Versicherungszweige der Schadensversicherung, die nicht im VersVG geregelt sind]), braucht hier nicht beurteilt zu werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, würde ein Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB zur Nichtigkeit des Art 15.3.2. erster Fall ARB 2002, nicht aber zur Begründung eines (weder vertraglich noch gesetzlich vorgesehenen) Kündigungsrechts des Versicherungsnehmers führen. Konsequenz wäre, dass sich der Rechtsschutzversicherer infolge Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB nicht auf dieses Kündigungsrecht berufen könnte. Zwar liegt hier kein Verbrauchergeschäft vor, jedoch scheidet eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion - wie sie Gruber aaO 114 und 115 vorschlägt - aus. Bei der geltungserhaltenden Reduktion bleibt die Vertragsklausel insoweit aufrecht, als sie inhaltlich nicht zu beanstanden und ein entsprechender hypothetischer Parteiwille erkennbar ist (Graf in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 879 Rz 299; Bollenberger in KBB³ § 879 Rz 30; 7 Ob 179/03d = SZ 2003/91 = ecolex 2004/273 [Leitner], dazu Reisinger, RdW 2004/241, 265). Die Ausdehnung der Kündigungsmöglichkeit des Rechtsschutzversicherers gemäß Art 15.3.2. erster Fall ARB 2002 auf den Versicherungsnehmer wäre keine „Reduktion“, sondern eine Erweiterung dessen Kündigungsrechts. Der hypothetische Parteiwille der Vertragsparteien kann wohl nicht darauf gerichtet sein, dass der Klägerin ein Kündigungsrecht bei „überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme“ der Rechtsschutzversicherung eingeräumt werden sollte, wenn noch dazu die Beklagte den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat. Für einen hypothetischen Parteiwillen, dass das Kündigungsrecht der Klägerin geltungserhaltend auf den Fall auszudehnen sei, dass die Beklagte (bloß) den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat - wie dies die Klägerin anstrebt -, finden sich überhaupt keine Anhaltspunkte. Solche vermag die Klägerin auch nicht aufzuzeigen.
3.3. Zusammengefasst ergibt sich, dass die Kündigung des Rechtsschutzversicherungsvertrags durch die Klägerin, die sich allein auf die Erforderlichkeit des „paritätischen Kündigungsrechts“ stützt, nicht berechtigt ist. Die Vorinstanzen haben das Feststellungsbegehren daher zu Recht abgewiesen.
4. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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