OGH 7Ob2122/96a

OGH7Ob2122/96a30.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude B*****, vertreten durch Dr.Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Kurt S*****, vertreten durch Dr.Helmut Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen vom 21.Februar 1996, GZ 41 R 26/96v-42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 24. Oktober 1995, GZ 18 C 2123/92x-37, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Die gerichtliche Aufkündigung vom 28.7.1992 wird als wirksam erkannt. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Bestandgegenstand R*****straße 5/5, ***** W***** geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 33.306,40 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit S 8.717,76 (darin S 1.352,96 Umsatzsteuer und S 600,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.851,04 (S 811,84 Umsatzsteuer und S 1.980,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin als Eigentümerin des Hauses W***** 20., R*****straße 5, vermietete (durch ihren Hausverwalter) die im Erdgeschoß dieses Hauses befindlichen zwei Räume mit der Bezeichnung top.Nr.5 dem Beklagten zum Zweck des Versammlungsorts für einen Verein ab 15.7.1991. Laut § 5 lit.6 des Mietvertrages hat der Mieter beabsichtigte Arbeiten am Mietgegenstand dem Vermieter schriftlich unter detaillierter Angabe von Art und Umfang sowie unter Benennung des in Aussicht genommenen befugten Gewerbsmannes rechtzeitig vorher anzuzeigen. Der beklagte (gekündigte) Mieter nützte eine (von früher her bestandene) Baubewilligung des Inhalts, daß die beiden ihm vermieteten Räume durch eine Tür zu verbinden sind, dahin aus, daß er die gesamte Trennwand eigenmächtig beseitigte. Dadurch entstand, laut den ergänzenden Feststellungen des Erstgerichtes im zweiten Rechtsgang, keine Gefährdung (Nachteil) für die Substanz des Hauses, weil die Arbeit sachgemäß erstellt wurde, sie ist eher werterhöhend und wäre durch die Baupolizei genehmigungsfähig. Darüber hinaus hat der Beklagte einen Teil des allgemeinen zugänglichen Ganges auf Höhe des Gang-WCs so abgemauert, sodaß dieses Gang-WC und der entsprechende Gangteil selbst nur mehr von den dem Beklagten vermieteten Räumen aus zugänglich ist. Dieser Gangteil war dem Beklagten nicht mitvermietet worden.

Die Klägerin kündigte dem Beklagten das Bestandverhältnis mit der Begründung auf, daß dieser sich einen Teil des allgemein zugänglichen Ganges angeeignet und eine tragende Wand unter erheblicher Verletzung der Bausubstanz entfernt habe. Überdies betreibe der Beklagte ohne ihre Zustimmung im vermieteten Lokal ein Espresso.

Der Beklagte erhob Einwendungen gegen die Aufkündigung. Das Bestandobjekt habe sich bei Anmietung in einem derart schlechten Zustand befunden, daß er zu umfangreichen Renovierungsarbeiten gezwungen gewesen sei. Die Planung und die Durchführung der Arbeiten habe er einem befugten Architekten übertragen, der erklärt habe, sich um alle Behördenwege gekümmert zu haben. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, sei diese Verletzung dem Beklagten nicht vorwerfbar. Die Substanz des Hauses sei durch die Arbeiten nicht gefährdet worden, im übrigen habe die Hausverwaltung den Umbauarbeiten zugestimmt.

Das Erstgericht erklärte im ersten Rechtsgang die Aufkündigung für rechtswirksam und bejahte das Vorliegen der Kündigungsgründe nach § 30 Abs.2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht eine ergänzende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber auf, ob durch die vom Beklagten vorgenommenen Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgt sei oder zumindest drohe bzw. inwieweit dem Beklagten dies bewußt hätte werden müssen. Was das behauptete unleidliche Verhalten des Beklagten betreffe, sei neben der zugestandenen Tatsache, daß er sich Teile des allgemein zugänglichen Ganges angeeignet habe, noch das Hinzutreten weiterer Umstände festzustellen.

Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht die Aufkündigung aufgehoben. In Entsprechung des berufungsgerichtlichen Auftrages kam es zum Ergebnis, daß die Beseitigung der Trennwand mit keiner Substanzgefährdung des Hauses verbunden gewesen, sondern daß dadurch eher eine Werterhöhung herbeigeführt worden sei. Zum Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens hat das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nicht mehr Stellung genommen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Erhebung der Revision für unzulässig. Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, daß die Beseitigung der Trennwand zwischen den dem Beklagten vermieteten beiden Räumen nach den Umständen des Einzelfalles nicht als Kündigungsgrund heranzuziehen sei. Hinsichtlich des weiteren geltend gemachten Kündigungsgrundes habe die klagende Partei keine ausreichenden Behauptungen über das Hinzutreten weiterer Umstände aufgestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist im Ergebnis berechtigt.

Was die Beseitigung einer Trennwand zwischen den zwei vermieteten Bestandräumen ohne Zustimmung des Vermieters und ohne baupolizeiliche Genehmigung betrifft, wäre kein Anlaß zur Annahme der ao. Revision gegeben, weil der Beurteilung in diesem Punkt keine über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch im fortgesetzten Versuch des Bestandnehmers, seine Benützungsrechte auf nicht in Bestand genommene Räume oder Gegenstände auszudehnen, ein unleidliches Verhalten des Bestandnehmers zu erblicken (vgl. 7 Ob 624/91 mwN). Der Beklagte hat zugestanden, einen nicht unwesentlichen Teil des allgemein zugänglichen Gangteiles - nach den vorliegenden Plänen im Ausmaß von rund 1,8 m2 - eigenmächtig abgemauert und so in Besitz genommen zu haben. Er hat trotz seiner Ankündigung, diese Abmauerung wieder zu entfernen, bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung an dieser widerrechtlichen Inbesitznahme festgehalten. Die Behauptung des Revisionsgegners, daß dieser der allgemeinen Benützung dienende Gangteil vor der Abmauerung von keinem anderen Mitbewohner benützt werden konnte, ist aktenwidrig. Selbst unter dem Aspekt, daß aufgrund der baulichen Anordnung der Benützung des nunmehr abgemauerten Gangteiles durch andere Mitbewohner keine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung zugekommen sein mag, kann dies nichts an der rechtswidrigen Eigenmächtigkeit des Beklagten ändern. Es ist zweifelsfrei, daß die Klägerin mit einer rechtzeitig erhobenen Besitzstörungsklage gegen den Beklagten wegen der Abmauerung des Ganges durchgedrungen wäre, weil diesem an dem Gangteil nicht die jetzt de facto herbeigeführte Alleinbenützung zustand. Aufgrund des Zugeständnisses der Rechtswidrigkeit seines Vorgehens durch den Beklagten im laufenden Verfahren kann auch nicht von einer zwar rechtswidrigen, aber geringfügigen und daher tolerierbaren Eigenmächtigkeit gesprochen werden, vielmehr ist aus dem gesamten Vorgehen des Beklagten zu erkennen, daß er an der eigenmächtigen rechtswidrigen Ausdehnung seiner Bestandrechte festhalten will. Letztlich kommt auch dem Umstand, ob sich ein WC im gemieteten Verband befindet oder erst über einen allgemein zugänglichen Gangteil erreicht werden kann, zweifellos bei der Mietzinsbildung Bedeutung zu, weil durch ein im Verband befindliches Klosett die Benützungsqualität angehoben wird.

Die beharrliche Eigenmächtigkeit des Beklagten muß das Vertrauen seines Vertragspartners in die Vertragstreue erschüttern und stellt ein diesem gegenüber unleidliches Verhalten dar. Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß der Beklagte auch die Entfernung der Trennwand zwischen den beiden ihm vermieteten Räumen eigenmächtig vorgenommen hat. Wenn dieses Vorgehen auch zufolge der Möglichkeit, dafür eine baubehördliche Bewilligung zu erreichen, für sich allein betrachtet noch als eine tolerierbare Eigenmächtigkeit anzusehen wäre, weil dadurch keine wesentlichen Interessen des Vermieters betroffen worden sind, beleuchtet es doch im Zusammenhalt mit dem anderen geltend gemachten Kündigungsgrund die Einstellung des Beklagten. Es erschiene im vorliegenden Fall unbillig, dem Bestandgeber zur Abwehr solcher doch recht bedeutender Eingriffe in sein Eigentumsrecht nur ein Unterlassungsbegehren zuzubilligen, vielmehr hat der Beklagte durch sein Vorgehen den geltend gemachten Kündigungsgrund verwirklicht.

Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben.

Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO. Im Akt erliegt kein Nachweis einer Bezahlung der am 24.10.1995 (AS 185) durch die Klägerin angesprochenen Dolmetschkosten.

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