OGH 7Ob211/72

OGH7Ob211/724.10.1972

SZ 45/105

Normen

ABGB §1486
HGB §159
ABGB §1486
HGB §159

 

Spruch:

Hat sich die Verjährungsfrist nach Auflösung der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft durch besondere Umstände geändert (hier: durch ein gegen die Gesellschaft ergangenes Urteil) wirkt diese Änderung keinesfalls zu Ungunsten der (nicht verurteilten) Gesellschafter

OGH 4. 10. 1972, 7 Ob 211/72 (OLG Wien 5 R 74/72; LGZ Wien 37 Cg 85/71)

Text

Der Gesellschaftsvertrag über die Firma E Textilwerke KG wurde am 31. 5. 1956 geschlossen. Die Firma wurde am 19. 9. 1957 in das Handelsregister des Kreisgerichtes Wiener Neustadt eingetragen. Komplementäre der Firma waren Wilhelm E und Karoline E, die Beklagten waren, neben anderen, Kommanditisten. Die Gesellschafter leisteten keine Geldeinlage, sie brachten vielmehr einen aus dem USIA-Komplex zurückgestellten Betrieb der Textilindustrie in die Gesellschaft ein, deren Wert den Gesellschaftern anteilmäßig auf den Kapitalkonten gutgebracht wurde. Die Kapitalkonten wiesen am 1. 6. 1956 einen Stand von insgesamt S 2.929.739.70 auf. In den Jahren 1956 und 1957 waren die Einlagen der Kommanditisten voll eingezahlt. Im Jahre 1957 erließ die Österreichische Kontrollbank AG der Gesellschaft eine Forderung von S 1.158.931.13. Dieser Betrag wurde den Gesellschaftern und daher auch den Beklagten im Jahre 1957 anteilmäßig auf deren Gewinnverrechnungskonto gutgebucht. Seit 1959 wies die Unternehmensgebarung Verluste auf, die den Kapitalkonten angelastet wurden. Am 9. 6. 1961 beschlossen die Gesellschafter die (stille) Liquidation der Gesellschaft und bestellten den Kläger zum Liquidator des Unternehmens. Mit Beschluß der Gesellschaftsversammlung vom 21. 5. 1963 wurde jedoch der Kläger als Liquidator abberufen, an seiner Stelle wurden der Komplementär Wilhelm E und Dkfm Peter F zu Liquidatoren bestellt. Daraufhin brachte der Kläger gegen die E Textilwerke KG und deren beide Komplementäre wegen seiner Ansprüche aus seiner Tätigkeit als Liquidator eine Klage ein. In diesem bis zum Obersten Gerichtshof geführten Verfahren wurde dem Kläger ein Betrag von S 118.000.- samt Zinsen und ein Kostenbetrag von S 41.037.17 rechtskräftig zuerkannt. Die gegen den überlebenden Komplementär Wilhelm E auf Grund dieses Urteils geführte Exekution hatte nur einen geringfügigen Erfolg. Derzeit haftet die Forderung des Klägers noch mit S 116.319.64 sA sowie mit einem Kostenbetrag von S 41.917.17 aus. Die Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofes an den Vertreter der in jenem Verfahren Beklagten wurde am 20. 7. 1966 verfügt. Am 26. 5. 1965 war die Kommanditgesellschaft im Handelsregister gelöscht worden.

Mit der am 10. 11. 1969 eingebrachten Klage beantragte der Kläger, die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Bezahlung des obangeführten Restbetrages, in eventu zur Bezahlung des anteilmäßigen Betrages von je S 8653.25 und S 3003.- an Kosten je sA zu verurteilen. Er begrundete dieses Begehren damit, daß die in den Jahren 1956 und 1957 erzielten Gewinne wie auch der im Jahr 1957 entstandene Sanierungsgewinn unzulässigerweise, nicht den Kapitalkonten der Gesellschafter, sondern einem eigens eingerichteten Gewinnverrechnungskonto zugeschrieben worden seien. Hiedurch seien die Einlagen der Kommanditisten unter die Haftungseinlage herabgesunken; es seien durch die Buchung auf das Gewinnverrechnungskonto wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Scheinforderungen der Kommanditisten gegen die Gesellschaft konstruiert worden. Im Zeitpunkt der Abberufung des Klägers als Liquidators habe das Gesellschaftsvermögen Deckung für dessen Forderung geboten. Die Gesellschafter wären jedoch ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen. Vorsorge für die Befriedigung dieser Forderung zu treffen. Im Zuge des Verfahrens erklärte der Kläger, daß er sein Begehren nicht auf den Titel des Schadenersatzes stütze, sondern darauf, daß die Kommanditisten nicht befugt gewesen seien, den "Sanierungsgewinn" zu entnehmen. Die Beklagten bestritten die Berechtigung der vom Kläger geltend gemachten Forderungen und wendeten überdies Verjährung dieser Forderung ein.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er führte aus, daß der Anspruch des Klägers der dreijährigen Verjährungszeit unterliege. Da von der Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofes bis zur Einbringung der vorliegenden Klage mehr als drei Jahre verstrichen seien, sei der Anspruch des Klägers verjährt. Im übrigen sei der im Jahre 1957 erzielte Sanierungsgewinn zu Recht auf ein Gewinnverrechnungskonto gebucht worden, sodaß eine Haftung der Kommanditisten wegen Rückgewähr der Einlage nicht gegeben sei. Schließlich hätten die Kommanditisten die Auszahlung gutgläubig in Empfang genommen, weil diese auf Grund einer vom Finanzamt geprüften und unbeanstandet gebliebenen Bilanz vorgenommen worden sei.

Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Berufung blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen einer Mangelhaftigkeit des erstrichterlichen Verfahrens und führte des weiteren aus, daß der Schuldnachlaß seitens der Österreichischen Kontrollbank AG zu einer Vergrößerung des Reinvermögens geführt habe, die den Gesellschaftern als den Teilhabern der Gesamthandgemeinschaft zugutegekommen sei. Da im Zeitpunkt des Schuldnachlasses die Kapitalanteile der Kommanditisten voll einbezahlt waren, kam eine Buchung des Gewinns auf den Kapitalkonten der Kommanditisten nicht in Betracht. Die Buchung auf ein Gewinnverrechnungskonto sei daher zu Recht erfolgt. Mit dieser Buchung sei aber der Gewinn von den Gesellschaftern "bezogen" worden, sodaß spätere Verluste nicht zur Rückzahlung dieses bezogenen Gewinns verpflichteten. Die Auszahlung dieser auf dem Gewinnverrechnungskonto geführten Beträge an die Kommanditisten habe daher nicht das Wiederaufleben deren persönlicher Haftung zur Folge gehabt.

Auch der von den Beklagten erhobene Einwand der Verjährung sei gerechtfertigt, da die geltend gemachte Forderung des Klägers nach § 1486 ABGB einer dreijährigen sohin einer kürzeren als der im § 159 HGB normierten Verjährungszeit unterliege. Diese Verjährungszeit sei hinsichtlich der Beklagten weder durch die Einbringung der Klage gegen die Kommanditgesellschaft unterbrochen worden, noch habe sie sich dadurch verändert, daß gegen die ehemalige Gesellschaft und deren Komplementäre eine Forderung auf Grund eines Judikats besteht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nicht gefolgt kann dem Berufungsgericht darin werden, daß der Verjährungseinrede der Beklagten untergeordnete Bedeutung zukomme. Es ist primär nicht zu prüfen, ob eine Forderung zu Recht besteht, sondern ob sie noch geltend gemacht werden kann.

Die Vorinstanzen haben der Verjährungseinrede der Beklagten zutreffend Berechtigung zuerkannt. Nach § 159 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren ab Auflösung der Gesellschaft, sofern der Anspruch gegen die Gesellschaft nicht einer kürzeren Verjährung unterliegt. Der Kläger meint nun, er habe gegen die Gesellschaft eine Forderung auf Grund eines Urteils. Da diese Forderung, als Judikatsforderung in 30 Jahren verjähre, betrage die Verjährungsfrist gegenüber den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Beschränkung der Verjährungszeit durch § 159 HGB fünf Jahre. Diese Ansicht ist unrichtig. Dem Sinn und Zweck des § 159 HGB entsprechend tritt in allen Fällen an die Stelle der Verjährungsfrist von fünf Jahren jeweils die kürzere Verjährungsfrist, der der Anspruch seiner Rechtsnatur nach zur Zeit der Auflösung der Gesellschaft unterlag. Hat sich die Verjährungsfrist nach der Auflösung der Gesellschaft durch besondere Umstände geändert, so wirkt diese Änderung keinesfalls zu Ungunsten der Gesellschafter (RGR-Komm[3], II/2, 107 f Anm 17 Schlegelberger, Komm[4] II, 1325). Das Berufungsgericht hat zutreffend und vom Kläger unbekämpft darauf verwiesen, daß die Forderung des Klägers gegen die Firma E Textilwerke KG nach ihrer Rechtsnatur der dreijährigen Verjährungszeit unterliegt. Diese Schuld der Gesellschaft wurde erst durch die Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes an den Vertreter der Gesellschaft zur Judikatschuld. Diese Zustellung ist nach dem 20. 7. 1966 erfolgt, da an diesem Tag die Entscheidung an den anwaltlichen Vertreter der Gesellschaft abgefertigt wurde. Da aber die Gesellschaft nach den Feststellungen der Vorinstanzen schon am 26. 5. 1965 im Handelsregister gelöscht wurde, ist die Änderung der Verjährungsfrist von drei Jahren in 30 Jahren erst nach Löschung der Gesellschaft im Handelsregister, sohin nach dem Zeitpunkt, der für den Beginn der Verjährung iS des § 159 Abs 2 HGB bestimmend ist, eingetreten. Die Verjährungszeit gegenüber den beklagten Gesellschaftern wurde daher durch die Verurteilung der Gesellschaft und deren Komplementäre nicht verändert. Schon aus diesem Gründe kann sich der Kläger den Beklagten gegenüber nicht auf die fünfjährige Verjährungsfrist des § 159 Abs 1 HGB berufen. Die am 10. 11. 1969 bei Gericht eingelangte Klage war daher nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben. Der in der Revision aufgestellten Behauptung des Klägers, es sei die Haftung der Beklagten "ex delicto" gegeben, weil sie durch Buchung der nachgelassenen Forderung auf dem Gewinnverrechnungskonto und durch den anschließenden Empfang der Auszahlung der dort gebuchten Beträge sowie durch vorzeitige Liquidierung und Löschung der Gesellschaft die Befriedigung der Forderung des Klägers listig gemeinschaftlich verhindert hätten, ist entgegenzuhalten, daß der Kläger den Beklagten damit ein Verhalten vorwirft, das zu einer Schadenersatzforderung berechtigten könnte. Der Kläger hat jedoch im Verfahren erster Instanz (Verhandlungstagsatzung vom 22. 11. 1971) ausdrücklich erklärt, seinen Klagsanspruch nicht auf Schadenersatz zu stützen. Die Vorinstanzen sind daher mit Recht nicht auf die Prüfung eingegangen, ob ein Schadenersatzanspruch des Klägers berechtigt wäre.

Der Revision des Klägers war daher schon aus diesen Erwägungen nicht Folge zu geben, ohne daß auf die weiteren Ausführungen zur Berechtigung des vom Kläger erhobenen Anspruchs einzugehen gewesen wäre.

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