Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Mit dem am 9. 7. 2004 beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrten die am 29. 3. 1966 geborene österreichische Staatsbürgerin Meiqin Q***** als Erstantragstellerin, deren am 26. 2. 1961 geborener Ehemann und chinesischer Staatsbürger Kexin W***** als Zweitantragsteller, beide in Österreich wohnhaft und als Wahleltern, sowie die am 19. 10. 1983 geborene chinesische Staatsbürgerin Xiaonan Q***** als Drittantragstellerin und Wahlkind, wohnhaft in China, die Bewilligung eines am 6. 7. 2004 abgeschlossenen Adoptionsvertrages. Das Wahlkind sei die leibliche Tochter eines Bruders der Wahlmutter, also deren Nichte. Zwischen sämtlichen Beteiligten habe seit der Geburt des Wahlkindes ein sehr inniges Verhältnis bestanden, weil es nach chinesischer Rechtslage im Zuge der Geburtenbegrenzungen verboten gewesen sei, mehr als ein Kind zu gebären und aufzuziehen, sodass das Wahlkind (als zweites und damit gleichsam ungesetzlich geborenes Kind ihrer Eltern) „offiziell" seitens der Schwester der leiblichen Mutter unterstützt und erzogen worden sei. Durch die gegenständliche Adoption solle diese innige Beziehung durch eine gesetzliche familienrechtliche Bande verstärkt werden. Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil nach Art II des Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetzes (FamErbRÄG) 2004 die Voraussetzungen für Adoptionssachen, die nach dem 30. 6. 2004 anhängig gemacht würden, nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und des Wahlkindes zu beurteilen seien. Da nach dem maßgeblichen Adoptionsgesetz der Volksrepublik (VR) China vom 29. 12. 1991 eine Adoption von eigenberechtigten Wahlkindern nicht vorgesehen sei, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs sämtlicher Antragsteller keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch das Rekursgericht kam - unter Hinweis auf das in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil VR China - zum Ergebnis, dass seit 1990 (anders als vorher) lediglich Adoptionen minderjähriger Kinder (unter 14 Jahren) zulässig seien; eine Ausnahme bestehe nur (in ungewöhnlichen Härtefällen) für uU auch über 14-jährige, jedoch noch nicht 18-jährige (und damit volljährige) Kinder, weshalb das Erstgericht bereits aus diesen rechtlichen Gründen dem gegenständlichen Adoptionsvertrag die Bewilligung zutreffend versagt habe.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses wurde damit begründet, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs sämtlicher Antragsteller mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss im Sinne einer Stattgebung des Adoptionsvertrages abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen das maßgebliche chinesische Adoptionsrecht nicht ausreichend verlässlich und vollständig erhoben haben, sodass die gegenständliche Adoptionssache derzeit weder im Sinne einer Abweisung noch einer Bewilligung entscheidungsreif ist. Der Rekurs ist daher im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt. Dies aus folgenden Überlegungen:
Gemäß dem mit 1. 7. 2004 in Kraft getretenen (Art IV § 2 Abs 1 FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58) § 26 Abs 1 IPRG idF Art II leg cit sind "die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt ... nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen ...". Seither ist eine Erwachsenenadoption in Österreich dann nicht mehr möglich, wenn das anzuwendende fremde Recht eine solche nicht oder nur unter restriktiven Bedingungen vorsieht (zu den Erwägungen des Gesetzgebers s ausführlich RV 471 BlgNR 22. GP [zu § 26 IPRG]); wer also nach dem anzuwendenden fremden Recht nicht adoptiert werden kann, soll auch in Österreich nicht (mehr) adoptiert werden können; für Erwachsenenadoptionen ist nämlich nunmehr vorgesehen, dass neben dem Personalstatut der Wahleltern oder des annehmenden Wahlelternteiles kumulativ das Personalstatut des Wahlkindes maßgeblich ist (Verschraegen in Rummel, ABGB³ Rz 3 und 4 zu § 26 IPRG). Entscheidend ist daher - wie die Gerichte erster und zweiter Instanz grundsätzlich zutreffend erkannt haben -, ob das als Personalstatut des Wahlkindes maßgebliche Familienrecht der Volksrepublik China eine Erwachsenenadoption zulässt (so der Standpunkt der Rechtsmittelwerber) oder nicht (so beide Vorinstanzen).
Nach dem von den Vorinstanzen als maßgeblich erachteten Text in der von Bergmann/Ferid besorgten Loseblattsammlung zum Internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht wird im Länderteil "China" dessen Adoptionsrecht in den Seiten 73 (allgemeine Abhandlung), 101 ff (Darstellung der normativen Grundlagen) und 129 ff (deutsche Übersetzung des Adoptionsgesetzes der VR China von 29. 12. 1991) dargestellt. Danach ließen lediglich die bis 1990 geltenden "Politnormen" ausnahmsweise auch die Adoption von Volljährigen zu (S 104 aaO). Demgemäß spricht das genannte, am 1. 4. 1992 in Kraft getretene (Senger, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht der VR China, 1. Teil [1994] 315) Adoptionsgesetz von 1991 an mehreren Stellen ausdrücklich nur (mehr) von der Adoption minderjähriger Kinder (zB Art 2, 4, 8 Abs 1, 25 Abs 1; ausführlich dargestellt auch in Senger, aaO 318 ff).
Nach einer von der Universität Göttingen in Deutschland herausgegebenen Sammlung kommentierter Übersetzungen aus dem Recht der Volksrepublik China, abrufbar unter deren ebenfalls von der genannten Universität betreuten Homepage www.jura-uni.goettingen.de/chinarecht , wurde dieses Adoptionsgesetz allerdings zwischenzeitlich vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses am 4. 11. 1998 neu verabschiedet. Danach wurde zwar grundsätzlich am Erfordernis der Adoption unter 14-jähriger Minderjähriger festgehalten (§ 4), jedoch in § 7 Abs 1 normiert, dass "wer das Kind eines blutmäßig bis zum 3. Grade Seitenverwandten gleicher Generation adoptiert, [ua] ... nicht der Beschränkung unterliegt, dass der Adoptierte noch nicht 14 Jahre alt sein darf."
Demnach können (zufolge Lockerung des vormaligen Adoptionsgesetzes 1991 sohin ohne die dort genannten Beschränkungen) seither auch über 14-jährige Personen adoptiert werden, wenn sie Stiefkind, Neffe oder Nichte des/der Adoptierenden sind (Anm 1 zum Adoptionsgesetz in der genannten Internet-Homepage). Darauf ist auch das Rechtsmittel gestützt und argumentiert, dass bei richtiger Auslegung der bezeichneten Bestimmung das Rekursgericht zum rechtlichen Ergebnis gelangen hätte müssen, dass vorliegendenfalls aufgrund der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 7 leg cit das Alter des Wahlkindes keine Rolle spiele und daher die gegenständlichenfalls zur gerichtlichen Genehmigung anstehende Annahme an Kindesstatt der chinesischen Rechtslage nicht widerspreche.
Gemäß § 3 IPRG ist, soweit fremdes Recht maßgebend ist, dieses von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden; gemäß § 4 Abs 1 IPRG ist es von Amts wegen zu ermitteln, wobei zulässige Hilfsmittel hiefür auch die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten sind. Die entsprechenden Kenntnisse muss sich der österreichische Richter sohin von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens selbst verschaffen (Verschraegen, aaO Rz 1 zu § 4 IPRG; Schwimann, Internationales Privatrecht³ 50; RIS-Justiz RS0045163, RS0040189); wie es sich diese notwendige Kenntnis des fremden Rechtes verschafft, liegt im Ermessen des Gerichtes (Verschraegen, aaO Rz 1 und 2).
Für den vorliegenden Fall ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:
- Zunächst ist zu erheben, ob das von der Universität Göttingen (gleichermaßen wie das in der Loseblattausgabe von Bergmann/Ferid) nicht authentisch, sondern nur mit der Wertigkeit einer privaten Ausgabe publizierte Adoptionsgesetz der Volksrepublik China idF vom 4. 11. 1998 auch tatsächlich das derzeit geltende Adoptionsrecht des genannten Staates darstellt;
- bejahendenfalls, ob nach dem Verständnis des Gesetzes (und allenfalls auch der in China herrschenden Lehre und Rechtsprechung:
vgl RIS-Justiz RS0080958 und RS0009223) das Ausnahmekriterium für ein Alter des Adoptierten auch über 14 Jahren bei Verwandtschaft mit den Wahleltern bis zum 3. Grad der Seitenlinie tatsächlich auch (wie im Rechtsmittel vertreten) nach oben offen verstanden wird oder bloß auf Minderjährige zwischen 14 bis 18 Jahre eingeschränkt ist, also volljährige chinesische Erwachsene auch in einem solchen Verwandtschaftsverhältnis (weiterhin) von der Adoption nach chinesischem Familienrecht ausgeschlossen sind;
- schließlich für den Fall der Bejahung auch dieses Kriteriums, also der Möglichkeit einer Erwachsenenadoption nach geltendem chinesischem Adoptionsgesetz, die verlässliche Abklärung, ob zwischen den Antragstellern tatsächlich ein derartiges Verwandtschaftsverhältnis besteht (vgl hiezu die widersprüchlichen Ausführungen bereits im Antragsschriftsatz, wonach einmal die leibliche Mutter des Wahlkindes als Schwester der Wahlmutter und an anderer Stelle als Schwägerin derselben bezeichnet wird).
Erst für den Fall der Bejahung der Voraussetzungen einer Erwachsenenadoption nach chinesischem Familienrecht werden sodann auch die weiteren in § 180a ABGB (ebenfalls idF FamErbRÄG 2004 samt RV aaO [zu § 180a Abs 1 ABGB]) genannten gesetzlichen Kriterien zu überprüfen und festzustellen sein.
Mangelt es an der Ermittlung des fremden Rechtes durch die Vorinstanzen, die nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführen ist, so liegt darin ein Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisions- bzw Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt (6 Ob 309/01m; 5 Ob 111/04s; RIS-Justiz RS0116580; RS0040045). In Wahrnehmung dieses Verfahrensmangels war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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