Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Bei der Anmietung der gegenständlichen Wohnung auf unbestimmte Zeit am 29.11.1976 teilte Dr.Franz M***** dem vermietenden Kläger mit, daß er die Wohnung lediglich für gelegentliche berufsbedingte Aufenthalte in Wien und später allenfalls für seine Kinder aus erster Ehe, die in Wien studieren würden, benötige. Die Wohnung wurde in der Folge vom Verstorbenen nur tageweise, und zwar ein- bis zweimal monatlich, in den vergangenen 13 Jahren gemeinsam mit der Nebenintervenientin, die er in der Folge ehelichte, für Wohnzwecke, insbesondere für Nächtigungen, benützt; deren beide Kinder im Alter von nunmehr fünf und sieben Jahren befanden sich - wenn überhaupt - nur äußerst selten in der gegenständlichen Wohnung. Diese Umstände, insbesondere die überwiegende Abwesenheit des verstorbenen Mieters und seiner Familienangehörigen in der gegenständlichen Wohnung, waren dem Kläger bekannt.
Unter "§ 11. Sonstiges" des Mietvertrages wurde unter anderem folgende Vereinbarung in Maschinschrift hinzugefügt:
"Der Mieter ist berechtigt, seine Mietrechte an dieser Wohnung weiterzugeben. Jedoch ist im Falle einer solchen etwaigen Weitergabe ein Betrag von S 100.000,-- wertgesichert wie umseitige Monatsmiete an die Hausinhabung zu bezahlen. Dieses Weitergaberecht erlischt nach 30 Jahren. Stichtag 1.1.1977".
Dr.M***** verfügte letztwillig, die Bestandrechte an der gegenständlichen Wohnung, welche seiner Gattin "ohnedies als eintrittsberechtigter Witwe im Sinne des Mietrechtsgesetzes" zustünden, als Vermächtnis zukommen zu lassen.
Dr.M***** ist am 14.6.1993 verstorben. Seine minderjährigen Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren besuchten (insbesondere im Zeitpunkt der gerichtlichen Aufkündigung) in Graz den Kindergarten bzw. die Schule.
Die Nebenintervenientin ist die Witwe nach Dr.Franz M*****, sie hat nach eigenen Angaben ihren Hauptwohnsitz in Graz.
Mit der am 23.9.1993 bei Gericht eingelangten Aufkündigung kündigte der Kläger der beklagten Verlassenschaft das gegenständliche Bestandobjekt gestützt auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG auf.
Dagegen erhob die beklagte Partei Einwendungen, beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Klagebeehrens mit der Begründung, daß der angezogene Kündigungsgrund nicht gegeben sei, da die Ehefrau des Verstorbenen, Ursula M*****, eintrittsberechtigt im Sinne des § 14 Abs 3 MRG sei. Überdies habe der Verstorbene seine Mietrechte an die Genannte mittels Legat weitergegeben. Der Kläger habe von Anfang an gewußt, daß die Wohnung nicht als Hauptwohnsitz des Dr.Franz M***** genützt, sondern lediglich durchschnittlich einmal wöchentlich benutzt werde. Der Vertragszweck sei nie auf eine regelmäßige Benützung abgestellt worden.
Ursula M***** trat dem Verfahren auf Seiten der beklagten Partei als Nebenintervenientin bei, wendete die mangelnde Passivlegitimation der Verlassenschaft ein und führte dazu aus, daß sie entweder im Sinne des § 14 MRG als eintrittsberechtigt anzusehen sei oder aber als Begünstigte hinsichtlich der dem Verstorbenen im § 11 des Mietvertrages eingeräumten Befugnis, seine Mietrechte an der Wohnung weiterzugeben, wovon er durch letztwillige Anordnung Gebrauch gemacht habe. Der Kläger habe gewußt, daß der verstorbene Mieter seinen Hauptwohnsitz nicht in Wien habe und damit von vornherein die unregelmäßige Benützung genehmigt.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Die Nebenintervenientin habe mit dem Verstorbenen im maßgeblichen Zeitraum keinen gemeinsamen Haushalt in der gegenständlichen Wohnung geführt. Die Annahme eines solchen würde ein auf Dauer ausgerichtetes gemeinsames Wohnen und Wirtschaften voraussetzen. Die Nebenintervenientin habe auch ihren Lebensschwerpunkt nicht in der gegenständlichen Wohnung, überdies fehle es ihr am dringenden Wohnbedürfnis. Das nach dem Tod eines Bestandvertragsteiles zustehende außerordentliche Kündigungsrecht nach § 1116a ABGB sei abdingbar. Die im Mietvertrag vom 29.11.1976 enthaltene Vereinbarung, wonach dem Mitmieter die Berechtigung zur Weitergabe der Mietrechte an der gegenständlichen Wohnung durch die klagende Partei eingeräumt worden sei, sei als Kündigungsverzicht anzusehen. Der Kläger habe dem Mieter Dr.M***** dadurch die Befugnis erteilt, einen noch nicht bestimmten Nachfolger in die Mietrechte treten zu lassen. Der Mieter habe dieses Recht mittels Legats ausgeübt und seine Mietrechte in der Wohnung damit rechtswirksam an die Nebenintervenientin übertragen.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung auf. Es erklärte die Erhebung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Die Vereinbarung laut § 11 des Mietvertrages erlaube nicht den Schluß, daß der Vermieter auf die Ausübung des Kündigungsrechtes nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG verzichtet habe. Die Einräumung eines Weitergaberechtes sei wesensmäßig von dem gesetzlichen Eintritt in einen Bestandvertrag aufgrund des Eintrittsrechtes verschieden, sodaß ein Erklärungswert in diese Richtung unter redlichen Vertragsparteien nicht vorliege. Nach der neuen Judikatur gehe die gesamte Stellung des Bestandnehmers auf den Legatar nur über, wenn der Bestandgeber dem zustimme oder das Bestandobjekt dem Legatar bereits übergeben worden sei. Lägen diese Voraussetzungen vor, so wäre die Verlassenschaft nicht mehr für die vorliegende Kündigung passiv klagslegitimiert. Der Kläger habe durch die Einräumung des Weitergaberechtes vorweg seine Zustimmung für die Übertragung des Mietrechtes an dritte Personen erteilt, sodaß der Erwerb dieses Rechtes durch die Nebenintervenientin im Rahmen der Vereinbarung durchaus möglich wäre. Im übrigen begründe aber ein Vermächtnis lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegenüber der Verlassenschaft. Auch beim Vermächtnis eines Bestandrechtes habe der Legatar nur ein Recht auf Übertragung gegen den Belasteten. Im Falle eines nach Art einer Option konstruierten "Weitergaberechtes" erfolge jedoch der Mietrechtsübergang durch Zugang der Erklärung des Mieters an den Vermieter, dieses Recht auszuüben. Erst mit dem Zugang dieser Willenserklärung sei die Übertragung der Mietrechte auf die Nebenintervenientin wirksam geworden. Ab diesem Zeitpunkt wäre aber dann die beklagte Verlassenschaft für das Kündigungsverfahren passiv nicht mehr klagslegitimiert. Die Nebenintervenientin habe in der Tagsatzung vom 19.4.1994 vorgebracht, daß der Kläger die Abtretung der Mietrechte auf sie nicht zur Kenntnis genommen habe. Aus diesem Vorbringen sei erkennbar, daß eine Mitteilung der Übertragung der Mietrechte an den Kläger erfolgt sei, nicht aber die hier relevante Frage, zu welchem Zeitpunkt diese erfolgt ist. Aus diesem Grunde leide das erstinstanzliche Verfahren unter einem wesentlichen Mangel.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Verlassenschaft und der Nebenintervenientin erhobenen Rekurse sind nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner früheren Rechtsprechung zum Legat des Bestandrechtes mehrfach ausgesprochen, daß der Vermächtnisnehmer auch ohne Zustimmung des Vermieters unmittelbar in das Rechtsverhältnis eintrete. Diesen Entscheidungen lagen durchwegs Fälle von Unternehmensveräußerungen zugrunde, bei denen es zu einem "gespaltenen Mietverhältnis" kam; insbesondere wurde in der Entscheidung vom 16.Juni 1983, 7 Ob 719/82 (= JBl 1984, 610) verdeutlicht, daß dem Vermächtnisnehmer die Mietrechtsnachfolge aufgrund eines Legates bei vorangegangener Unternehmensveräußerung und Übergabe des Bestandobjektes an den Legatar zukomme. Der Oberste Gerichtshof hat aber in der jüngeren Zeit klargestellt, daß bei der Beurteilung der Rechtsposition des Rechtsnachfolgers des verstorbenen Mieters zwischen der Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge zu unterscheiden ist und ausgesprochen, daß ohne Einwilligung des Vermieters durch ein Vermächtnis die Mietrechte nicht mit der Wirkung übertragen werden können, daß anstelle des bisherigen Mieters ein neuer Mieter mit allen Rechten und Pflichten tritt. Das rechtliche Schicksal der Hauptmietrechte bei der Unternehmensveräußerung hat inzwischen durch § 12 Abs.3 MRG eine andere gesetzliche Regelung erfahren (vgl. 7 Ob 505/85 mwN). Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß das im § 11 des Mietvertrages dem Bestandnehmer eingeräumte Weitergaberecht von keiner weiteren Zustimmungserklärung des Vermieters zum neuen Mieter abhängig ist. Hat der Bestandgeber dem Bestandnehmer das Recht eingeräumt, durch bloße Erklärung alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis auf einen Dritten mit der Wirkung zu übertragen, daß dieser an seiner Stelle Bestandnehmer wird, ohne daß es einer (weiteren) Erklärung des Bestandgebers bedarf, und hat er auf diese Weise im voraus seine Zustimmung zur Auswahl des Nachmieters erteilt (unbeschränktes Weitergaberecht), dann liegt darin ein Fall der Vertragsübernahme; der Nachmieter tritt in den Bestandvertrag ein, sobald er dem Bestandgeber bekanntgegeben worden ist, ohne daß es des Abschlusses eines neuen Mietvertrages bedurfte (vgl. 7 Ob 589/92 mwN). Gerade wenn man ein derartiges Weitergaberecht mit der Ausübung einer eingeräumten Option vergleicht, so ist dessen wirksame Inkraftsetzung von einer dem Geschäftspartner zugehenden Erklärung dieses Inhaltes abhängig (vgl. Aicher in Rummel ABGB2 § 1072 Rz 33). Zum sachenrechtlichen Erwerb des Legates bedarf es des Verfügungsgeschäftes, das zwischen dem Nachlaß oder dem Erben und dem Vermächtnisnehmer zustandekommt. Bis dahin gehört die Sache dem Nachlaß (vgl. Welser in Rummel ABGB2 § 647 Rz 7). Wenn es auch zutrifft, daß der Vermächtnisnehmer sein Recht ohne Annahmeerklärung erwirbt, ist doch das ihm zugedachte Legat von einem entsprechenden Verfügungsgeschäft abhängig. Voraussetzung für die Wirksamkeit des vorliegenden Bestandrechtslegates ist daher die rechtswirksame Ausübung des Weitergaberechtes zu einem Zeitpunkt, in dem das Bestandverhältnis noch aufrecht war. Da die Rechtswirksamkeit einer Kündigung stets auf den Zeitpunkt ihres Ausspruches zu beurteilen ist, wäre eine Kenntnis des Klägers von der die Weitergabe der Bestandrechte betreffenden letztwilligen Verfügung des früheren Mieters vor der Kündigung erforderlich. Sollte eine solche vorliegen, so wäre tatsächlich nicht die Verlassenschaft, sondern bereits die Nebenintervenientin passiv klagslegitimiert. Aus diesen Gründen war auf die anderen in den beiden Rekursen aufgeworfenen Rechtsfragen nicht einzugehen und der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu bestätigen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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