OGH 7Ob2030/96x

OGH7Ob2030/96x29.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred Z*****, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei Fachverband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, Wien 3., Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr.Hans Kreinhöfner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 9,672.741,10 (Revisionsinteresse S 2,726.785,95 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22.November 1995, GZ 3 R 207/95-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 25.August 1995, GZ 13 Cg 61/94-31, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird teilweise nicht Folge gegeben und das angefochtene Berufungsurteil als Teilurteil wie folgt bestätigt:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 283.931,50 samt 4 % Zinsen aus S 1,083.931,50 vom 15.7.1994 bis 10.11.1994 und aus S 283.931,50 seit 11.11.1994 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 435.652,20 samt 4 % Zinsen seit 15.7.1994 wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

2. den

Beschluß

gefaßt:

Im übrigen wird der Revision Folge gegeben und der restliche Teilzuspruch von S 2,442.854,45 samt 4 % Zinsen seit 15.7.1994 aufgehoben und die Rechtssache im Umfang von S 5,669.640,40 samt 4 % Zinsen aus S 1,000.000,-- vom 29.4.1992 bis 14.7.1994 und aus S 5,669.640,40 seit 15.7.1994 an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten blieb, daß der Kläger am 12.10.1991 auf der L***** Bundesstraße zwischen E***** und M***** von einem unbekannten PKW, als er diesen mit seinem Motorrad überholen wollte, von der Straße gedrängt wurde. Der Kläger stürzte in der Folge über eine Böschung und verletzte sich schwer. Er ist seit dem Unfall querschnittgelähmt und arbeitsunfähig. Der PKW-Lenker beging Fahrerflucht und konnte nicht ausgeforscht werden.

Darüber hinaus stellte das Erstgericht noch bekämpft fest, daß der Kläger mit seinem Motorrad in dem Zeitpunkt, als der unbekannte PKW nach links ausscherte, sich bereits auf dem linken Fahrstreifen mit einem Tiefenabstand von 4 bis 4,5 m hinter diesem PKW bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h befunden hat und als Reaktion darauf nach links auswich. Der unbekannt gebliebene PKW-Lenker hätte bei entsprechender Beachtung des Nachfolgeverkehrs den in Überholposition befindlichen Kläger erkennen können. Eine Berührung zwischen beiden Fahrzeugen fand nicht statt. Der Kläger erlitt durch den gegenständlichen Unfall außer einem Bruch des linken Oberarms, einem Bruch des linken Schulterblattes, und einem Bruch mehrerer Rippen mit Lungenquetschung auch eine Fraktur des 7. und 9. Brustwirbels mit Schädigung des Rückenmarkes und einer daraus resultierenden Querschnittlähmung ab Thorax 6 und 7. Die Verletzungen waren lebensbedrohlich und machten eine stationäre Behandlung im Unfallkrankenhaus S***** bis 17.1.1992 erforderlich. Danach wurde der Kläger vom 20.1.1992 bis 19.6.1992 in der Unfallklinik M***** teilweise rehabilitiert. Beim Kläger ist eine Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes nicht zu erwarten. Die Querschnittlähmung steht der Wiederaufnahme einer vollen Berufstätigkeit des Klägers entgegen. Denkbar wären nur zeitlich begrenzte Tätigkeiten in sitzender Körperstellung. Durch die gegebene Lähmung leidet der Kläger an Harn- und Stuhlinkontinenz sowie an einer Störung der Sexualfunktion. Es kommt spontan zum Abgang von Harn und Stuhl; zur Wiederherstellung der Stuhlfunktion ist häufig ein Einlauf oder ähnliches vorzunehmen. Die verschiedenen medizinisch-chirurgischen Eingriffe haben beim Kläger Narben hinterlassen. Die Querschnittlähmung und der damit verbundene fehlende Gebrauch der Beine führten zu einer Muskelathrophie und darüber hinaus zu spastischen Zuckungen. Es besteht zwar eine weitgehende Gefühllosigkeit des lädierten Körperteils, doch können auch schmerzhafte Sensationen als Folge der unkontrollierbar auftretenden spastisch krampfartigen Zuckungen auftreten. Spätkomplikationen können jederzeit in vielfältiger Weise auftreten. Insgesamt hat der Kläger drei bis dreieinhalb Monate starke, zwei Monate mittelstarke und rund ein halbes Jahr gerafft leichte Schmerzen erlitten. Darin sind auch die weiterhin zu erwartenden leichten Schmerzen und Restbeschwerden physischer Natur bis zur Erreichung eines stabil und stationär bleibenden Zustandes enthalten. Nicht inkludiert wurden dabei die seelischen Beeinträchtigungen, die beim Kläger in hohem Maß bestehen und die derzeit bestehenden physischen Beschwerden bei weitem übertreffen. Der Kläger wird aufgrund der Verletzungsfolgen zeitlebens schwer behindert sein, wobei insbesondere seine Heiratsaussichten als völlig aussichtslos zu beurteilen sind. Es wäre dem Kläger nicht möglich, eine Ehe auch zu vollziehen. Vor dem Unfall hatte der Kläger eine Freundin, danach wurde diese Beziehung im Einvernehmen aufgelöst, weil der Kläger seiner Freundin nicht zumuten wollte, ihr weiteres Leben mit einem Querschnittgelähmten zu verbringen. Der Kläger ist aufgrund des vom Erstgericht im einzelnen festgestellten Tagesablaufs auf die ganztägige Hilfe seiner ihn betreuenden Mutter angewiesen, wobei komprimiert sich diese Hilfe auf 6 bis 7 Stunden berechnet über 24 Stunden erstreckt. Für den Fall, daß zeitlebens und auch im höheren Alter für eine gute Pflege und Betreuung des Klägers gesorgt ist, ist durchaus eine beinahe normale Lebenserwartung denkbar. Nach den Sterbetafeln 1980/82 beträgt die Lebenserwartung eines 33jährigen Mannes 72,07 Jahre. Der Kläger hat den Beruf eines Elektronikers erlernt. Bis Mai 1991 war der Kläger bei der Firma R***** in L***** beschäftigt.Im Mai 1991 wechselte dann der Kläger zur Firma Lisa D***** GesmbH, wo er sich bessere berufliche Entfaltungs- und Aufstiegsmöglichkeiten erwartete. Das monatliche Nettoeinkommen des Klägers betrug bei der Firma D***** GesmbH (einschließlich Sonderzahlungen) DM 2.624,69. Per 1.7.1992 wäre eine kollektivvertragliche Erhöhung auf DM 2.795,72 eingetreten. Per 1.4.1993 hätte sich das kollektivvertragliche Einkommen des Klägers auf DM 2.911,84 (wiederum netto inkl. Sonderzahlung) erhöht. Ohne den gegenständlichen Unfall hätte der Kläger vom Unfallszeitpunkt bis 31.5.1994 insgesamt DM 84.999,97 (inkl.Sonderzahlungen) netto verdient. Bis 5.4.1993 erhielt der Kläger ein Krankengeld in Höhe von DM 36.259,49 ausbezahlt. Ab April 1993 erhielt dann der Kläger eine monatliche Rente von DM 1.501,01, seit 1.7.1993 erhält er eine solche von monatlich DM 1.558,98 ausbezahlt. Bis 31.5.1994 erhielt daher der Kläger Rentenzahlungen von insgesamt DM 21.651,80. Außerdem wurde dem Kläger von der Arbeitslosenversicherung noch ein Betrag von DM 710,10 rückerstattet. Dem fiktiven Verdienst des Klägers in Höhe von DM 84.999,97 stehen daher Leistungen aus Krankengeld, Rente usw. von DM 58.621,39 gegenüber, woraus sich rechnerisch ein Fehlbetrag von DM 26.378,58 ergibt. Von der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes L***** erhielt der Kläger gemäß dem Bundessozialhilfegesetz ein Pflegegeld von monatlich DM 1.031,-- und von der Technikerkrankenkasse zusätzlich ein Pflegegeld von monatlich DM 400,--. Diese Zahlungen waren bis inklusive März 1995 gegeben. Seit 1.4.1995 hat der Kläger Anspruch auf Pflegegeld nach dem Pflegeversicherungsgesetz, wobei sich hieraus gemäß den §§ 15, 37 des deutschen Pflegeversicherungsgesetzes ein Anspruch von monatlich DM 1.300,-- ergibt. Für Besuchsfahrten der nächsten Angehörigen, für Fahrten des Klägers zum Arzt und zu einer Heilpraktikerin sowie für Fahrten im Zusammenhang mit einem erfolglosen Arbeitsversuch des Klägers sind insgesamt S 217.873,-- aufgelaufen. Für Heilbehelfe, die ihm von der Krankenkasse nicht ersetzt wurden, hatte und hat der Kläger jährlich etwa DM 250,-- auszugeben. Zur Schmerzlinderung versuchte der Kläger im Oktober 1992 eine Behandlung bei einer Heilpraktikerin, wofür er DM 269,77 und DM 55,55 zu bezahlen hatte. Diese Behandlung erwies sich letztlich als "Flop".

Der Kläger begehrt vom beklagten Verband nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Berichtigung seiner Einzelansprüche die Bezahlung von S 9,672.741,10 wie folgt:

Schmerzengeld S 1,600.000,--

Verunstaltungsentschädigung S 400.000,--

Verdienstentgang bis 31.5.1994 S 187.267,10

Kapitalisierter Verdienstentgang

bis Lebensende S 2,400.000,--

Einkommensteuer für Entschädigungs-

leistung S 833.517,--

Pflegekosten bis 31.5.1994 S 353.920,--

Kapitalisierte Pflegekosten bis Lebens-

ende S 4,350.174,--

Besuchs- und Fahrtkosten S 217.863,--

Rezept- und Behandlungsgebühren bisher S 10.000,--

Kapitalisierte Rezept- und Behandlungs-

gebühren bis Lebensende S 70.000,--

S 10,472.741,10

abzüglich Teilzahlung Schmerzengeld S 800.000,--

S 9,672.741,10.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete ein:

Den Kläger treffe ein gleichteiliges Verschulden infolge überhöhter Geschwindigkeit. Bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit wäre eine Abwehrreaktion noch möglich gewesen. Die Haftung des Fachverbandes sei mit S 2,000.000,-- begrenzt, weil das Verkehrsopfergesetz auf einer fiktiven Haftung nach dem EKHG aufbaue.

Das Erstgericht sprach dem Kläger mit "Teilzwischenurteil" einen Teilbetrag von S 5,953.571,90 sA, und zwar an Schmerzengeld restliche S 800.000,--, an Verunstaltungsentschädigung S 300.000,--, an Verdienstentgang bis 31.5.1994 S 187.276,16, an Pflegeaufwand bis 31.5.1994 S 353.920,--, an Pflegeaufwand bis zum Lebensende S 4,044.521,80, an Besuchs- und Fahrtkosten S 217.863,-- und für Heilbehelfe in der Vergangenheit S 10.000,-- sowie für solche in der Zukunft S 40.000,-- zu und wies Ansprüche von S 435.652,20 sA, und zwar S 100.000,-- an weiterer Verunstaltungsentschädigung, S 305.652,20, an künftigem Pflegeaufwand und S 30.000,-- für künftige Heilbehelfe (unbekämpft) ab. Hinsichtlich der restlich geltend gemachten Klagsposten (künftiger Verdienstentgang, Einkommenssteuer aus vorangegangenem und künftigen Verdienstentgang) eröffnete es das geschlossene Verfahren gemäß § 194 ZPO wieder (letzter Absatz der Entscheidung). Das Erstgericht ging von einem Alleinverschulden des unbekannt gebliebenen PKW-Lenkers am Zustandekommen des Unfalles aus. Aufgrund des Territorialitätsprinzipes sei österreichisches Recht auf die Schadenersatzansprüche des Klägers anzuwenden. Der beklagte Verband habe wie ein Haftpflichtversicherer im Rahmen der Mindestversicherungssumme für den Schaden des Klägers einzustehen. Zu den einzelnen Forderungen führte das Erstgericht aus, daß der erforderliche, durch Sozialleistungen nicht gedeckte Pflegeaufwand des Klägers monatlich rund S 17.000,-- betrage, worin der für 632 Tage beanspruchte Betrag von S 353.920,-- Deckung finde. Auch ab 1.6.1994 sei ein monatlicher Zuspruch von S 17.031,-- gerechtfertigt, woraus sich bei einer Lebenserwartung von etwa 72 Jahren für die weiteren 40 Jahre bei Anwendung eines Zinssatzes von 4 % ein kapitalisierter Betrag von S 4,044.521,80 errechne. Noch nicht spruchreif und daher unerledigt sei der künftige Verdienstentgang und die Einkommensteuer für den gesamten Verdienstentgang.

Das Berufungsgericht änderte den Zuspruch mit dem angefochtenen Teilurteil in einen solchen von S 2,726.785,95 sA ab und hob hinsichtlich des weiteren Zuspruches über S 3,226.785,95 sA das Ersturteil zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung auf. Da die beklagte Partei durch die von ihr beantragte fotogrammetrische Auswertung der von der Gendarmerie aufgenommenen Unfallsspuren und der Unfallsörtlichkeit das von ihr behauptete Mitverschulden des Klägers (durch überhöhte Geschwindigkeit) theoretisch unter Beweis stellen könne, stelle die unterlassene Aufnahme dieses Beweismittels einen Verfahrensmangel dar, der zur Teilaufhebung des Ersturteils führe. Da gemäß § 1 Abs.2 VerkehrsopferG die Leistungen vom beklagten Verband so zu erbringen seien, als ob ihnen das Bestehen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung im Rahmen der in den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen festgesetzten Versicherungspflicht zugrundeläge, seien auch die AKHB 1988 anzuwenden. Diese schrieben im § 3 Abs.3 für die Ermittlung des Kapitalswerts einer Rente die Zugrundelegung der Sterbetafel 1930/33 und eines Zinsfußes von 3 % vor. Nach der "AKHB-Tabelle" sei der Kapitalwert einer Rente nach der Formel Jahresrente mal 1000 geteilt durch Jahresrente gemäß Sterbetafel zu ermitteln. Für die Berechnung der Rente sei das Alter des Rentners an seinem dem Beginn des Rentenbezuges nächstgelegenen Geburtstag maßgebend. Der sich daraus zu errechnende Betrag der Pflegerente von S 4,264.858,-- sei mehr, als das Erstgericht dem Kläger zugesprochen habe. Der Einwand des beklagten Verbandes, die Pauschalversicherungssumme betrage nur S 10,000.000,--, sei unbegründet, weil dieser Betrag durch die Verordnung vom 18.8.1989, BGBl 427, ab 1.9.1989 auf S 12,000.000,-- erhöht worden sei. Der Kläger habe die Sozialversicherungsleistungen dadurch berücksichtigt, daß er Pflegekosten nicht für den gesamten notwendigen Aufwand von 7 Stunden täglich, sondern nur für 4 Stunden täglich begehre und ausdrücklich vorgebracht habe, daß die Leistungen des Sozialversicherungsträgers im nicht begehrten Betrag für drei Stunden täglich Deckung fänden. Die Berechnungen zeigten, daß diese Überlegung richtig sei. Von den im Ersturteil den weiteren Berechnungen zugrundegelegten Beträgen seien daher nicht nochmals die Leistungen der Sozialversicherungsträger abzuziehen. Der Stundensatz von DM 20,-- für in Deutschland zu erbringende Pflegeleistungen sei mit Rücksicht auf ähnliche Fälle angemessen und nicht überhöht. Auch beim Verdienstentgang habe das Erstgericht die dem Kläger zugekommenen kongruenten Sozialleistungen rechnerisch zutreffend in Abzug gebracht. Der Leitsatz, daß das Verkehrsopfergesetz Härtefälle mildern, nicht jedoch vollwertigen Versicherungsschutz schaffen solle, beziehe sich nicht auf den Haftungsumfang nach § 1 Abs.2 VerkehrsopferG, sondern auf den - mittlerweile aufgehobenen - § 5 Abs.1 dieses Gesetzes, wonach die Entschädigung ausschließlich durch einmalige Kapitalzahlung zu erfolgen hatte. Der beklagte Verband hafte daher über den Höchstbetrag nach dem EKHG hinaus bis zu der im § 7 Abs.1 Z 2 KHVG festgesetzten Pauschalversicherungssumme von S 12,000.000,--. Dies ergebe zusammenfassend folgenden Zuspruch:

Verunstaltungsentschädigung (unbekämpft) S 300.000,--

1/2 Verdienstentgang bis 31.5.1994 S 93.633,55

1/2 Pflegekosten bis 31.5.1994 S 176.960,--

1/2 kapitalisierte Pflegekosten bis Lebens-

ende S 2,022.260,90

1/2 Besuchs- und Fahrtkosten (unbekämpft) S 108.931,50

1/2 Rezept- und Behandlungsgebühren bisher

(unbekämpft) S 5.000,--

1/2 Rezept- und Behandlungskosten bis

Lebensende (unbekämpft) S 20.000,--

S 2,726.785,95.

Dementsprechend sei das Ersturteil hinsichtlich folgender Beträge aufzuheben gewesen:

Schmerzengeld (2.Hälfte) S 800.000,--

1/2 Verdienstentgang bis 31.5.1994 S 93.633,55

1/2 Pflegekosten bis 31.5.1994 S 176.960,--

1/2 kapitalisierte Pflegekosten bis Lebens-

ende S 2,022.260,90

1/2 Fahrt- und Besuchskosten S 108.931,50

1/2 Rezept- und Behandlungsgebühren bisherS 5.000,--

1/2 Rezept- und Behandlungsgebühren bis

Lebensende S 20.000,--

S 3,226.785,95.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom beklagten Verband erhobene Revision ist teilweise berechtigt.

Unstrittig ist, daß zufolge des Haager Straßenverkehrsabkommens (BGBl 1975/387) die Beurteilung des klägerischen Entschädigungsanspruches dem Grunde nach nach österreichischem Recht stattzufinden hat (vgl. Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 155 ff).

Die behauptete Nichtigkeit des Berufungsurteiles liegt nicht vor. Soweit sich der Revisionswerber auf seine nach Ergehen des Urteils erster Instanz erfolgten Zahlungen von je der Hälfte der für Verunstaltungsentschädigung, Besuchsfahrten, Heilungsaufwand und kapitalisiertem Heilungsaufwand zugesprochenen Beträge in Höhe von S 283.931,50 beruft, ist ihm zu erwidern, daß mangels einer Einschränkung des Begehrens durch den Kläger in diesem Umfang diese Beträge noch Entscheidungsgegenstand geblieben sind.

Dem nur zum Teil zutreffenden Einwand des Revisionswerbers, daß trotz "Richtigstellung" der einzelnen Klagsposten und der anschließenden Berechnung des Klagsbetrages durch das Berufungsgericht letzterer nach wie vor nicht zur Gänze rechnerisch nachvollziehbar ist, weil ein nicht zuordenbarer Rest von S 66.000,-- verbleibt, kommt aus den später darzulegenden Gründen noch keine Relevanz zu, allerdings wird die klagende Partei im fortgesetzten Verfahren ihr Begehren rechnerisch nachvollziehbar aufzugliedern haben. Soweit sich der Revisionswerber gegen die seiner Ansicht nach falsche Berechnung des zuerkannten Klagsbetrages wendet, ist er auf die in diesem Punkt zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen, die dessen Teilzuspruch decken. Eine Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.

Da der Revisionswerber seiner Berufung generell die Berücksichtigung eines 50 %igen Mitverschuldens des Klägers zugrundegelegt und mit keinem Wort ein dem zuwiderlaufendes Anerkenntnis des Verunstaltungsentschädigungsbetrages von S 300.000,- erwähnt hat, konnte die Zusammenstellung bekämpfter und nicht bekämpfter Beträge in der Berufung unter Außerachtlassung des unter dem Titel der Verunstaltungsentschädigung begehrten Betrages nur auf einem offenkundigen Versehen des Rechtsmittelwerbers beruhen. Das Berufungsgericht hätte bei den aufgrund dieser Sachlage gegebenen Zweifeln zumindest die Verbesserung des Rechtsmittels anzuordnen gehabt, was jedoch durch die nunmehrige Revision obsolet geworden ist. Dementsprechend hätte das Berufungsgericht dem Kläger aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung im vorliegenden Verfahrensabschnitt nur S 150.000,-- zuzusprechen gehabt. Hinsichtlich des restlichen Betrages von S 150.000,-- war daher das Berufungsurteil aufzuheben.

Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Gesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer (506 BlgNR XIV.GP, 3 f) sollte es der Zweck der angestrebten Regelung sein, Opfern von Straßenunfällen auch dann einen angemessenen Entschädigungsanspruch zu gewähren, wenn keine Ansprüche aus einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend gemacht werden können. Als Grundsatz wurde hiebei ausgeführt, daß der vorgesehene Entschädigungsanspruch ein selbständiger zivilrechtlicher Anspruch ist, dem die Fiktion eines zivilrechtlichen Schadenersatzanspruches und des Bestehens einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung im Rahmen der in den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen festgesetzten Versicherungspflichten zugrundeliegt. Weiters wird in den Materialien ausgeführt, daß, soweit dieses System noch Lücken offenlasse, die Regelungen des Entwurfes die ärgsten Härten mildern sollen, daß aber ein vollwertiger Versicherungsersatz damit nicht beabsichtigt wird. Der Zweck des Entwurfs, die Opfer von Straßenverkehrsunfällen in bestimmten Härtefällen zu entschädigen, mache es notwendig, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf die verletzten Personen und die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen getöteter Personen einzuschränken; ausgenommen blieben also insbesondere Regreßansprüche von Sozialversicherungsträgern. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an. Eine Legalzession zugunsten eines Sozialversicherungsträgers auf die dem Unfallsopfer zu bezahlende Entschädigung hat daher nicht Platz zu greifen. Dennoch kommt dem Einwand des Revisionswerbers betreffend die Frage des Quotenvorrechtes beim geltend gemachten Verdienstentgang und den geltend gemachten Pflegekosten im Ergebnis Berechtigung zu. Erhält ein Geschädigter, den ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft, neben den vollen Leistungen des Sozialversicherungsträgers auch noch die dem Verschuldensanteil des Schädigers entsprechende (ungekürzte) Quote seines tatsächlichen Entganges, dann ist er besser gestellt als ein vom Haftpflichtversicherer des Schädigers zu entschädigendes Unfallsopfer, das sich von seinen Ansprüchen zunächst zeitlich und sachlich kongruente Leistungen des Sozialversicherungsträgers zufolge Legalzession zu dessen Gunsten in Abzug bringen lassen muß. Eine derartige Besserstellung des Verkehrsopfers war aber nach den zitierten Materialien nicht beabsichtigt. Wenn auch dem Sozialversicherungsträger kein Leistungsanspruch gegenüber dem beklagten Verband zusteht, ist daher dennoch, um eine Gleichbehandlung mit anderen Geschädigten zu gewährleisten, ein der Legalzession bzw. im vorliegenden Fall ein dem Rückgriffsrecht des deutschen Versicherers entsprechender Betrag von der auszuzahlenden Entschädigungsleistung in Abzug zu bringen. Da sich ein (fiktiv anzunehmender) gesetzlicher Forderungsübergang nach dem Sachrecht jener Rechtsordnung zu richten hätte, das die Leistungspflicht eines Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund liefert, ist die Frage eines allfälligen Abzuges nach deutschem Recht zu beantworten (vgl. Schwimann in Rummel ABGB2 vor § 35 IPRG Rz 7a; SZ 59/214; 2 Ob 29/94). Nach § 116 Abs.3 dSGB kann der (deutsche) Sozialhilfeträger bei einem Mitverschulden seines Versicherten an einem Unfall mit einem Dritten nur den Anteil beanspruchen, der dem "Vomhundertsatz" entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist dann ausgeschlossen, soweit der Geschädigte dadurch hilfsbedürftig im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes wird (vgl. dazu das Berechnungsbeispiel in Palandt BGB54 Vorbem V § 249 Rz 148 ff im besonderen Rz 156 ff).

Es wäre daher bei der Entschädigungsberechnung fiktiv davon

auszugehen, daß im Falle eines Mitverschuldens des Klägers am

Zustandekommen des gegenständlichen Unfalls die deutschen

Sozialhilfeträger auf die dem Kläger zuzuerkennende Quote

Rückgriffsansprüche erheben. Dies könnte für an Verdienstentgang,

Pflegekosten sowie Rezept- und Behandlungsgebühr ausbezahlten

Beträgen der Fall sein (vgl. Plagemann in Geigel/Schlegelmilch, Der

Haftpflichtprozeß21, 1191 ff). Wenn auch der Kläger die vom

Sozialleistungsträger erbrachten Leistungen von seinen Ansprüchen in

Abzug gebracht hat, umfaßt seine Berechnungsmethode nicht die im

Rahmen eines ihm möglicherweise anzulastenden Mitverschuldens bei

einem fiktiv anzunehmenden Regreß der gesetzlichen Renten-, Unfall-

und Krankenversicherungsträger im Sinne des § 116 SGB vorzunehmende

Berechnung, soweit eine sachliche und zeitliche Kongruenz seiner

Forderungen mit Leistungen des Sozialhilfeträgers besteht. Es wäre

daher theoretisch denkbar, daß von dieser Berechnung auch Teile der

Hälfte betroffen werden, die das Berufungsgericht zufolge des von der

beklagten Partei anerkannten Hälfteverschuldens als unstrittig dem

Kläger zuzuerkennen zu Grunde gelegt hat. Grundsätzlich ist daher im

Falle der Annahme eines Mitverschuldens des Klägers am Zustandekommen

des gegenständlichen Unfalls dieser gleich einem Geschädigten, der

seinen Anspruch gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend

zu machen hat, zu stellen, und der sich allenfalls einen

Regreßanspruch seines Sozialversicherungsträgers gefallen lassen muß.

Dementsprechend wird das Erstgericht bei Annahme eines

Mitverschuldens des Klägers am Zustandekommen des gegenständlichen

Unfalles die zeitliche und sachliche Kongruenz der von den

Sozialversicherungsträgern an den Kläger erbrachten Leistungen derart

zu berücksichtigen haben, daß diese aufgrund des fiktiv

zuzuerkennenden Regresses nach Maßgabe des (allfälligen)

Mitverschuldens des Klägers von den geltend gemachten

Entschädigungsansprüchen (unter Bedachtnahme auf bereits vorgenommene

Abzüge) in Abzug zu bringen sind. Sohin können beim gegenwärtigen

Verfahrensstand dem Kläger nur die zweifelsfrei nicht von einem

fiktiv anzunehmenden Regreß erfaßten Hälftebeträge für

Verunstaltungsentschädigung und Besuchsfahrten, sowie die vom

beklagten Verband anerkannten weiteren Beträge im Umfang von S 283.131,50 zuerkannt werden. Hinsichtlich des Restes des Teilurteils des Berufungsgerichtes war jedoch dieses aufzuheben und dem Erstgericht in Ergänzung zu dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes eine ergänzende Verhandlung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte