OGH 7Ob201/70

OGH7Ob201/7011.11.1970

SZ 43/200

Normen

ZPO §502 Abs3
ZPO §502 Abs3

 

Spruch:

Ein Anspruch, der einer urteilsmäßigen Erledigung nicht zugänglich ist, muß bei Beantwortung der Frage, ob i S des Jud 56 neu ein gänzlich oder nur teilweise bestätigendes Berufungsurteil vorliegt, außer Betracht bleiben

OGH 11. November 1970, 7 Ob 201/70 (LG Innsbruck 2 R 134/70; BG Innsbruck 6 C 2262/68)

Text

Die Beklagte bestritt die Berechtigung des auf Zahlung von 7469.30 S samt 4% Zinsen seit 16. August 1966 gerichteten Klagebegehrens und wendete über dies eine 1433.70 S betragende Gegenforderung ein, die auf dem gegen den nunmehrigen Kläger am 5. Mai 1967 zu M 727/67-1 erlassenen Zahlungsbefehl des Bezirksgerichtes K beruht. Das Erstgericht sprach in dem dreifach aufgegliederten Tenor seines Urteils vom 6. November 1968 aus, daß 1. die Klagsforderung zu Recht bestehe, 2. die Gegenforderung mit 1433.70 S zu Recht bestehe, 3.

die Beklagte schuldig sei. "dem Kläger ... den Betrag von 6035.60 S

samt 4% Zinsen seit 16. August 1966 ... zu bezahlen ..." Eine

ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens in der Höhe von 1433.70 S unterblieb. Diese Entscheidung wurde lediglich von der Beklagten mit Berufung angefochten, u zw insoweit, "als dem Klagebegehren stattgegeben wird ..." Die zweite Instanz gab der Berufung Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zur Gänze auf, den Punkt 2 seines Spruches in der Erwägung, daß über die Gegenforderung, da über sie bereits einmal, durch Zahlungsbefehl, rechtskräftig abgesprochen worden war, nicht noch einmal entschieden werden dürfe.

Mit seinem im zweiten Rechtsgang erflossenen Urteil erkannte das Erstgericht die Beklagte kostenpflichtig schuldig, dem Kläger 7469.30 S samt 4% Zinsen seit 16. August 1966 zu bezahlen.

Der dagegen eingebrachten Berufung der Beklagten gab die zweite Instanz teilweise Folge, indem sie in entsprechender Abänderung des angefochtenen Ersturteils die Beklagte, der sie gleichzeitig den Ersatz eines Teiles der gegnerischen Verfahrenskosten auferlegte, zur Zahlung von 6035.60 S samt 4% Zinsen seit 16. August 1966 an den Kläger verurteilte und das Mehrbegehren nach Zuspruch weiterer 1433.70 S samt 4% Zinsen ab 16. August 1966 abwies.

In ihrer nur die Aufhebung des Berufungs-, allenfalls auch des Ersturteils anstrebenden Revision erklärt die Beklagte, es werde die Berufungsentscheidung "insoweit angefochten, als der Berufung nicht stattgegeben wurde". In der letzterwähnten Berufung hatte die Beklagte erklärtermaßen das Ersturteil "seinem gesamten Inhalt nach" bekämpft.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der beklagten Partei als unzulässig zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was das gegenwärtige Verfahren kennzeichnet, ist der Umstand, daß die beiden Vorinstanzen durch wiederholte Nichtbeachtung des Instituts der Rechtskraft eine ganze Reihe von Nichtigkeiten setzten. Erstmals geschah das in dem im ersten Rechtsgang gefällten Ersturteil, nämlich in Punkt 2 seines Spruches, wo die eingewendete Gegenforderung als zu Recht bestehend erkannt wurde, obgleich über diesen Rechtsbestand bereits in einem Zahlungsbefehl rechtskräftig abgesprochen worden war. Letzteres stand aber naturgemäß einer Aufrechnung mit der Klagsforderung nicht entgegen. Dadurch, daß nun das Erstgericht dem Kläger nur einen um den Betrag der Gegenforderung verminderten Klagsbetrag von 6035.60 S zusprach, hat es zugleich das Mehrbegehren in der Höhe der Gegenforderung abgewiesen. Ein Zweifel daran kann überhaupt nicht bestehen. Diese Abweisung blieb sodann unangefochten, denn ausdrücklich erklärte die Beklagte als Berufungswerberin, nur den der Klage stattgebenden Teil des Ersturteils zu bekämpfen. Gegenstand des Rechtsstreites in der Hauptsache konnte sohin von da an nur noch der Betrag von 6035.60 S und nicht auch der weitere Betrag von 1433.70 S sein. Das Berufungsgericht ging aber über diese Anfechtungserklärung der Beklagten in unzulässiger Weise hinaus und hob zur Fortsetzung des Verfahrens das gesamte Ersturteil einschließlich seines in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Teiles auf, doch wurde dieser Aufhebungsbeschluß seinerseits mangels eines Rechtskraftvorbehaltes in der Folge nicht rechtskräftig, also die Überschreitung der Grenzen der von der Berufungswerberin unternommenen Anfechtung auch nicht saniert. Somit ist auch derzeit noch davon auszugehen, daß, soweit gegen die Rechtskraft der im Ersturteil erfolgten Abweisung des Mehrbegehrens der Aufhebungsbeschluß und das im weiteren Verfahrensverlauf ergangene, dem Klagebegehren zur Gänze stattgebende Ersturteil verstoßen, diese Entscheidungen nichtig sind. Die dergestalt das Ersturteil treffende Teilnichtigkeit wurde im nachfolgenden Berufungsverfahren von der Beklagten ausdrücklich geltend gemacht, wäre auch von Amts wegen wahrzunehmen gewesen. Tatsächlich wies jedoch das Berufungsgericht in seinem Urteil das bereits seinerzeit rechtskräftig abgewiesene Mehrbegehren abermals ab, ein Vorgehen, das der Bestimmung des § 473 Abs 1 ZPO zuwiderläuft, wonach die Berufungsinstanz u a auch im Falle einer vom Berufungswerber geltend gemachten oder auch nicht geltend gemachten Nichtigkeit (§ 471 Z 5 und 7 ZPO) in nicht öffentlicher Sitzung und ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch Beschluß zu entscheiden hat. Es zeigt sich demnach, daß der abgewiesene Anspruch auf Zahlung von 1433.70 S einer urteilsmäßigen Erledigung gar nicht zugänglich ist und daher bei Beantwortung der Frage, ob im Sinne des Judikates 56 neu ein gänzlich oder nur teilweise bestätigendes Berufungsurteil vorliegt, außer Betracht bleiben muß (vgl Fasching, Komm, IV 278 Abs 1). Somit können nur der Teilanspruch im Betrage von 6035.60 S und die ihm entsprechenden Nebengebühren geeigneter Gegenstand des Urteils der zweiten Instanz sein, das aber insofern mit dem Ersturteil uneingeschränkt übereinstimmt und sich deshalb als zur Gänze bestätigendes Berufungsurteil erweist. Dies in Verbindung mit der Tatsache, daß der Streitwert 15.000 S nicht übersteigt, hat den Revisionsausschluß des § 502 Abs 3 ZPO zur Folge. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

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