OGH 7Ob197/12i

OGH7Ob197/12i28.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei X***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 34.500,59 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 5. September 2012, GZ 5 R 86/12z-21, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 2. April 2012, GZ 18 Cg 54/11b-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Zuspruch von 950 EUR (Werklohnforderung Bauvorhaben S*****) richtet, zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 34.500,59 EUR sA. Sie sei von der Beklagten im Zeitraum 2010 bis 2011 an verschiedenen Standorten im Großraum W***** mit Gerüstbauarbeiten beauftragt worden; so in ***** W*****, S*****gasse *****, in ***** W*****, S*****gasse *****, in ***** S*****, R*****gasse ***** und im Zuge des Bauvorhabens „D*****“ in ***** W*****, W***** Straße *****. Hinsichtlich des Bauvorhabens „W***** Straße“ seien noch 19.544,50 EUR offen. Hinsichtlich der Gerüstbauarbeiten an den übrigen Standorten hafteten noch insgesamt 14.956,09 EUR aus; und zwar 8.331,95 EUR („S*****gasse“), 5.674,14 EUR („S*****gasse“) und 950 EUR („S*****“). Weiters begehrt die Klägerin 15 EUR an Mahnspesen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte eine Gegenforderung von 19.802,89 EUR ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 34.515,59 EUR als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Die Regelung des § 55 Abs 1 JN gilt auch für das Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RIS-Justiz RS0053096; RS0037838 [T38]).

Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN) oder von mehreren Parteien gegen mehrere Parteien geltend gemacht werden, die materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS-Justiz RS0037648, RS0037905). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037926, insbesondere 5 Ob 667/80, 2 Ob 137/99g).

Davon ist auch hier auszugehen. Wurde doch weder behauptet, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Gerüstbauarbeiten betreffend die unterschiedlichen Standorte in einem Vertrag beauftragt wurden. Es handelt sich offenbar vielmehr um getrennte Ansprüche aus verschiedenen Verträgen hinsichtlich verschiedener Bauvorhaben.

Der Anspruch aus dem Bauvorhaben „S*****“ übersteigt nicht 5.000 EUR; in diesem Umfang ist daher die Revision zurückzuweisen.

Die Ansprüche betreffend die Bauvorhaben „W***** Straße“, „S*****gasse“ und „S*****gasse“ übersteigen zwar je 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR.

Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat - auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist - das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RIS-Justiz RS0109623). Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof an der funktionellen Zuständigkeit (7 Ob 18/11i).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

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