Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung
Die Minderjährige stammt aus der am 21.6.1988 geschiedenen Ehe des Kurt B***** und der Sylvia B*****, nunmehr W*****. Im Scheidungsvergleich vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge allein dem Vater zusteht. Die Mutter verpflichtete sich, zum Unterhalt der Minderjährigen ab 1.7.1988 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 800,-- zu leisten.
Am 3.7.1996 beantragte der Unterhaltssachwalter die Erhöhung des Unterhalts ab 1.3.1996 auf S 2.900,-- und ab 1.10.1996 auf S 3.200,--, später eingeschränkt auf S 2.500,-- seit 1.3.1996. Die Mutter betreibe ein Antiquitätengeschäft. Von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 18.000,-- könne ausgegangen werden.
Die Mutter sprach sich gegen eine Unterhaltserhöhung aus. Sie führe nur einen Kleinbetrieb mit Altwaren. Der Jahresüberschuß 1995 habe S 51.543,94 betragen. Als ungelernte Arbeitskraft könnte sie nur als Hilfsarbeiterin tätig sein und höchstens S 8.000,-- im Monat verdienen.
Das Erstgericht erhöhte den Unterhaltsbetrag antragsgemäß. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
Die Mutter erzielt aus dem Altwarenhandel im Jahr 1995 einen Jahresüberschuß von S 51.543,94. In der Sachkonten-Saldenliste sind Privatentnahmen von S 179.000,-- ausgewiesen.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß im Hinblick auf das geringe Nettoeinkommen von den (höheren) Privatentnahmen der Mutter als Bemessungsgrundlage auszugehen sei. Daraus errechne sich ein Durchschnittseinkommen von S 14.916,-- im Monat.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Den Ausführungen im Rekurs, daß Privatentnahmen in der vom Erstgericht festgestellten Höhe im Jahr 1995 bei weitem nicht getätigt worden seien, hielt es entgegen, daß sie unsubstantiiert und daher nicht geeignet seien, Bedenken gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zu erwecken. Die Mutter habe gar nicht vorgebracht, welchen Betrag sie im fraglichen Jahr tatsächlich entnommen habe und warum in der von ihr selbst vorgelegten Sachkonten-Saldenliste Privatentnahmen von S 179.000,-- aufschienen. Durch den festgesetzten Unterhaltsbetrag sei die Leistungsfähigkeit der Mutter, die sonst keine Sorgepflichten habe, nicht einmal voll ausgeschöpft worden. Daß die Mutter beabsichtige, den Altwarenhandel wegen schlechten Geschäftsgangs wieder aufzugeben, könne nicht berücksichtigt werden.
Der dagegen von der Mutter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit Recht weist die Mutter darauf hin, daß die Entscheidung des Rekursgerichtes (wie auch die des Erstgerichts) mit einer Aktenwidrigkeit behaftet ist. Eine Aktenwidrigkeit liegt ua dann vor, wenn das Rekursgericht den Inhalt eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben hat und infolgedessen zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt gelangt (RZ 1977/123 uva). Das ist im vorliegenden Fall bei der Erledigung der Beweiswürdigungsrüge geschehen. Aus der von der Mutter vorgelegten Sachkonten-Saldenliste ergibt sich nicht, daß die Mutter aus ihrem Betrieb im Jahr 1995 S 179.000,-- entnommen hat. In dieser Urkunde ist vielmehr ua der Saldo der Privatentnahmen in der Eröffnungsbilanz mit S 135.000,-- ausgewiesen, Entnahmen zum 2.11.1995 von S 44.000,-- und der Saldo der Privatentnahmen von insgesamt S 179.000,--. Die Angaben in dieser Liste sind sohin dahin zu verstehen, daß in der Eröffnungsbilanz zum Jahresbeginn 1995 Entnahmen von S 135.000,-- ausgewiesen wurden, die nicht im Jahr 1995, sondern in den vorangegangenen Rechnungsjahren getätigt wurden. Maßgebend für die Entnahmen im Jahr 1995 sind nicht die Angaben in der Spalte "Eröffnungsbilanz-Saldo" sondern in der Spalte "laufendes Jahr".
Die Feststellung über die weit über dem Betriebsergebnis liegenden Entnahmen der Mutter im Jahr 1995 ist demnach mit einer Aktenwidrigkeit behaftet und kann der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden. Ausgehend von dem festgestellten Einkommen könnte der geforderte Betrag nicht zuerkannt werden. Da sich die Mutter aber mit einem sehr geringen Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zufrieden gibt, ist zu ermitteln, welches Einkommen sie nach ihren Fähigkeiten sonst erzielen könnte. Die im Gesetz vorgesehene Anspannung des Unterhaltspflichtigen auf ein solches fiktives Einkommen hat immer dann stattzufinden, wenn der angemessene Unterhalt nicht erreicht wird (EFSlg 62.023; EFSlg 70.070 ua).
Dem Erstgericht war daher eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neuerliche Entscheidung über den Erhöhungsantrag aufzutragen.
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