OGH 7Ob1/92

OGH7Ob1/9230.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann, Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois K*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei D***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Hoher Markt 10-12, vertreten durch Dr. Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 6.277,99 sA und Feststellung (Streitwert S 60.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1991, GZ 1 R 103/91-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. November 1990, GZ 24 Cg 282/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 724,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, die auch eine Haftpflichtversicherung umfaßt. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH 1984) zugrunde. Nach Art 15 Abs 1 der ABH ist Versicherungsfall ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko (Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse des Versicherungsnehmers als Privatperson) entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten. Im einzelnen erstreckt sich dieser Versicherungsschutz auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson unter anderem aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit (Art 17 Abs 1 lit a ABH) und aus der nichtberufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd (Art 17 Abs 1 lit e ABH).

Am 12. 6. 1988 fuhr der Kläger mit seinem PKW zu einem Anwesen, wo er zwei weitere Personen zum Tontaubenschießen traf. Im Kofferraum hatte er vier Karton Tontauben und eine Tontaubenschleuder im halbgesperrten Zustand verladen. Das Tontaubenschleudergerät ist Eigentum des Jagdschutzvereins St. Peter i.S. Der Kläger hatte als Obmann die Aufsicht über dieses Gerät. Nachdem er erklärt hatte, daß mit dem Schießen begonnen werden soll, begannen er und Helmut F***** mit dem Ausladen des Kofferraumes. Als Helmut F***** die Tontaubenschleuder herausnehmen wollte, löste sich der Wurfarm und verletzte ihn schwer. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 29. 12. 1989

(GZ 2 C 1631/89-14) wurde die Haftung des Klägers zu 2/3 für künftige Schäden des Helmut F***** festgestellt. Der Kläger begehrt den Ersatz der dem Geschädigten zu zahlenden Prozeßkosten und die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen steht die Tätigkeit des Vereins, dessen Obmann der Kläger ist, in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Jagd. Es werden auch Nichtjäger und Personen, die nicht die Jagdprüfung abgelegt haben, aufgenommen. Das Tontaubenschleudergerät führt der Kläger jeweils zu den Vereinsveranstaltungen mit. Die Verwahrung des Gerätes ist aber nicht an die Obmannfunktion gebunden, fallweise wird das Gerät auch bei einem anderen Vereinsmitglied verwahrt. Einmal jährlich findet mit dem Tontaubenschleudergerät eine Vereinsveranstaltung statt. Voraussetzung hiefür ist ein diesbezüglicher Beschluß des Vereinsvorstandes, worauf jeder eine Einladung oder Ausschreibung per Post bekommt. Veranstaltungen des Jagdschutzvereines werden jeweils bei der Gemeinde und bei der Gendarmerie angemeldet. Am 12. 6. 1988 trafen sich der Kläger, August P***** und Helmut F***** bei dem Anwesen, um Schießen zu üben. Es war die eine private Zusammenkunft, die sich zufällig ergab und weder im Zusammenhang mit dem Jagdschutzverein noch mit der Funktion des Klägers als Obmann dieses Vereins stand.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei davon auszugehen, daß der Kläger das schädigende Verhalten nicht als Obmann des Vereins, sondern als Privatperson gesetzt habe. Das Tontaubenschießen sei eine in Österreich übliche Sportart und nicht dem Begriff der Jagd zuzuordnen. Nach Art 17 Abs 1 lit e der ABH erstrecke sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus der nicht berufsmäßigen Sportausübung. Aus einer solchen resultiere die Schadenersatzverpflichtung des Klägers.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig ist. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Ergänzend führte es aus, daß der Aufbau eines Sportgerätes jedenfalls auch eine Gefahr des täglichen Lebens darstelle. Der Begriff der Gefahr des täglichen Lebens umfasse alle Risken, mit denen im Privatleben eines Menschen gerechnet werden müsse. Hiebei sei es nicht notwendig, daß solche Gefahren auch tatsächlich täglich auftreten. Das Tontaubenschießen begründe jedenfalls keine so ungewöhnliche Gefahrenlage, daß damit im Privatleben eines Versicherungsnehmers nicht gerechnet werden müsse.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Auffassung der beklagten Partei, daß der Kläger das schädigende Verhalten nicht als Privatperson gesetzt habe, kann nicht geteilt werden. Nach der allgemeinen Risikoumschreibung des Art 15 ABH fallen in den Deckungsbereich der Haftpflichtversicherung Schadenereignisse, die den Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnissen des Versicherungsnehmers als Privatperson entspringen. Wann ein Ereignis dem privaten Bereich zuzurechnen ist, ergibt sich aus der näheren Beschreibung des Versicherungsschutzes in Art 17 ABH und dem Zweck der Privathaftpflichtversicherung. Nach Art 17 Abs 1 lit a ABH werden die Gefahren einer betrieblichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ausgeschlossen. Zweck der Privathaftpflichtversicherung ist es auch, Versicherungsschutz für Ereignisse zu gewähren, die nicht in den Deckungsbereich einer Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung fallen. Die Ausübung eines Sportes, wenn sie nicht berufsmäßig erfolgt, dient der Erholung oder der körperlichen Ertüchtigung und wird als Freizeitbeschäftigung oder als Hobby ausgeübt und gehört als solche einschließlich der Vorbereitungshandlungen grundsätzlich dem privaten Bereich an. Die nicht berufsmäßige Sportausübung ist auch ausdrücklich gemäß Art 17 Abs 1 lit e ABH in den Deckungsbereich einbezogen. Hier traf sich der Kläger mit zwei weiteren Personen auf einem Anwesen, um das Tontaubenschießen zu üben, wobei der Kläger das erforderliche Gerät herbeischaffte. Wie schon die Vorinstanzen dargelegt haben, ist das Tontaubenschießen dem (Schieß-)Sport und nicht der Jagd, dem Aufsuchen, Nachstellen und Erlegen jagdbaren Wildes, zuzuordnen. Für eine berufsmäßige Sportausübung liegen keine Anhaltspunkte vor, und es wurden in dieser Richtung auch keine Behauptungen aufgestellt. Ein Sport, der zu seiner Ausübung besondere Anlagen oder Geräte erfordert, wird vielfach im Rahmen der Mitgliedschaft zu einem (Sport-)Verein ausgeübt. Dies ändert aber am privaten Charakter der Betätigung einschließlich der Vorbereitungshandlungen nichts. Entgegen der Meinung der beklagten Partei kommt es daher nicht darauf an, ob es sich bei den Teilnehmern am Tontaubenschießen um Mitglieder des Jagdschutzvereins handelte und der Kläger Obmann dieses Vereins war und ob der Kläger überdies über das Schleudergerät verfügungsberechtigt war. Aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der (deutschen) AHB ist für den Standpunkt der beklagten Partei nichts zu gewinnen, weil diese insbesondere in Ansehung der Risikoausschlüsse einen wesentlich anderen Wortlaut haben.

Die Auslegung des Begriffes der Gefahr des täglichen Lebens durch das Berufungsgericht entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Es sind darunter jene Gefahren zu verstehen, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muß. Nicht erforderlich ist, daß solche Gefahren geradezu alltäglich auftreten, es genügt, wenn sie erfahrungsgemäß im Privatleben vorkommen. Nur außergewöhnliche Gefahren fallen nicht unter diesen Begriff (VersR 1986, 273; VersR 1983, 302; VersR 1980, 984; SZ 51/33; 7 Ob 24/80 ua). Das Tontaubenschießen ist eine in Österreich gebräuchliche Sportart, zu deren Ausübung die Verwendung eines Tontaubenschleudergerätes üblich ist. Der Transport eines solchen Gerätes im Kofferraum eines PKW ist nichts Ungewöhnliches und wurde von den Vorinstanzen zu Recht dem täglichen Leben zugerechnet. Nichts anderes ergibt sich, wie bereits aus den obigen Darlegungen folgt, wenn man davon ausgeht, daß durch den Begriff der Gefahr des täglichen Lebens lediglich eine Grenzziehung zu den Deckungsbereichen der Betriebs- oder Berufshaftpflichtversicherung möglich werden soll (vgl Jabornegg,

Die Versicherung der Gefahren des täglichen Lebens in VersR 1989, 209 f).

Da somit eine Deckungspflicht nach Art 17 Abs 1 lit a ABH jedenfalls gegeben ist, kann unerörtert bleiben, ob der Transport eines Sportgerätes schon zur Sportausübung gehört und daher gemäß Art 17 Abs 1 lit e ABH Versicherungsschutz zu gewähren wäre.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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