Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 978,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Spediteur und Mitglied des Fachverbandes der Spediteure. Sie arbeitet ständig aufgrund der AÖSp. Im Jahre 1985 schloß sie mit der Beklagten einen Speditionsversicherungsvertrag ab, dessen Inhalt den §§ 39 bis 42 AÖSp und dem angeführten Speditionsversicherungsschein (SVS) entspricht. Nach § 2 Z 2 der dem Vertrag zwischen den Streitteilen zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ersetzt die Beklagte Schäden nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über die Haftung des Versicherungsnehmers aus einem Verkehrsvertrag mindestens im Rahmen der SVS/RVS nebst deren Nachträgen, Ergänzungen und Haftungserweiterungen oder eventuellen Neufassungen. Sie verzichtet auf Einwendungen zum Ausschluß oder zur Minderung der gesetzlichen Haftung, die der Spediteur aufgrund der AÖSp von Handels- und Verkehrsbräuchen oder aufgrund sonstiger Abmachungen erheben könnte. Zum Abschluß des Vertrages mit der Beklagten war die Klägerin durch die Zusage veranlaßt worden, daß sie sich genau wie im Falle der Eindeckung der unter die AÖSp fallenden Rechtsgeschäfte nach einem SVS auch bei der von ihr angebotenen Speditionsversicherungspolizze auf die Haftungsbeschränkungen nach den AÖSp (unter Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) berufen und, daß die Klägerin insbesondere im Falle einer Klage aus einem Speditionsgeschäft die mangelnde Passivlegitimation einwenden könne, weil nur die Beklagte, als Speditionsversicherer, passiv klagslegitimiert sei und somit die Haftung der Klägerin durch die Versicherungsdeckung der Beklagten ersetzt werde.
Bei der Beklagten handelt es sich nicht um einen vom Fachverband der Spediteure beauftragten Versicherer im Sinne des § 39 a letzter Satz AÖSp.
Mit der Behauptung, sie habe sich bei Abschluß des Versicherungsvertrages in einem wesentlichen Irrtum befunden, weil ihr mangels Beauftragung der Beklagten durch den Fachverband der Spediteure im Sinne des § 39 a letzter Satz AÖSp die Vorteile der AÖSp, insbesondere der Übergang einer allfälligen passiven Klagslegitimation, nicht zugute kämen, verlangt die Klägerin den Ausspruch, daß der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Speditionsversicherungsvertrag aufgelöst sei.
Während das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben hat, hat es das Berufungsgericht abgewiesen und hiebei ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es hat die Rechtsansicht vertreten, daß § 41 der AÖSp nicht auf die vom Fachverband der Spediteure beauftragten Versicherer beschränkt sei, sondern für sämtliche Spediteurversicherungen gelte, die inhaltlich den §§ 39 ff AÖSp im Zusammenhang mit den SVS und RVS entsprechen.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Nach § 39 a AÖSp ist der Spediteur, wenn der Auftraggeber es nicht ausdrücklich schriftlich untersagt hat, verpflichtet, die Schäden, die dem Auftraggeber durch den Spediteur bei der Ausführung des Auftrages erwachsen können, gemäß dem beigefügten Speditionsversicherungsschein (SVS) auf Kosten des Auftraggebers zu versichern. Die Versicherung soll bei denjenigen Versicherern gedeckt werden, die vom Fachverband der Spediteure hiezu beauftragt sind.
Nach § 41 c AÖSp darf sich der Spediteur dem Auftraggeber gegenüber auf die AÖSp nicht berufen, wenn er entgegen dem § 39 lit a die Speditionsversicherung nicht gemäß den Bedingungen des beigefügten SVS oder nicht bei den im § 39 lit a bezeichneten Versicherern gedeckt hat. Hat dagegen der Spediteur infolge ausdrücklichen oder vermuteten Auftrages die Speditionsversicherung gedeckt, so ist er gemäß § 41 a AÖSp von der Haftung für jeden durch die Versicherung gedeckten Schaden frei.
Vorerst war zu untersuchen, ob ein allfälliger Irrtum der Klägerin als wesentlich anzusehen ist, weil andernfalls gemäß § 871 ABGB eine Anfechtung des Vertrages nicht zum Erfolg führen könnte. Ein Irrtum ist wesentlich, wenn er für den Vertragsschluß entscheidend war (JBl. 1971, 304), wenn also der Erklärende ohne ihn das Geschäft nicht geschlossen hätte (JBl. 1981, 425). Für die Beurteilung der Wesentlichkeit des Irrtums ist der hypothetische Parteiwille das Entscheidende (JBl. 1976, 646 ua). Der Grad der Wesentlichkeit ist durch Beantwortung der Frage zu ermitteln, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten (SZ 53/108 ua). Im vorliegenden Fall müßte die Beklagte der Klägerin aufgrund des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages auf jeden Fall für alle Umstände einstehen, die nach den AÖSp eine Haftung der Klägerin gegenüber ihren Auftraggebern begründet hätte. Wäre also der Rechtsstandpunkt der Klägerin richtig, so hätte ihr Irrtum bei Vertragsabschluß lediglich zur Folge, daß sie in einem Prozeß gegen ihren Auftraggeber nicht ihre mangelnde Passivlegitimation unter Hinweis auf den abgeschlossenen Speditionsversicherungsvertrag einwenden könnte. Sie müßte daher auf der Passivseite Prozesse gegen ihre Auftraggeber auch dann führen, wenn es sich um Ansprüche handelt, für die sie nach den AÖSp nicht einzustehen hätte. Im Ergebnis hätte dies allerdings für die Klägerin kaum endgültig finanzielle Nachteile, weil ihr die Beklagte aufgrund des abgeschlossenen Vertrages alles ersetzen müßte, was sie bei Geltung der AÖSp nicht zu zahlen gehabt hätte. Ungeachtet dieses Umstandes ist jedoch auch der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht, daß schon allein der Wegfall der Möglichkeit der Einwendung der mangelnden Passivlegitimation die Wesentlichkeit eines diesbezüglichen Irrtums begründen würde. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, daß ein Spediteur, hätte er die Wahl des Abschlusses eines Versicherungsvertrages, der seine Passivlegitimation für Ansprüche des Auftraggebers gegen ihn ausschließt und einem Versicherungsvertrag, der einen solchen Ausschluß nicht vorsieht, den erstgenannten Vertrag wählen würde. Immerhin verbleibt bei Bejahung der Passivlegitimation des Spediteurs ein gewisses Restrisiko, das andernfalls ausgeschlossen wäre. Selbst wenn dieses Restrisiko nicht sehr groß ist, muß der Spediteur vorläufig dafür einstehen, weshalb anzunehmen ist, daß er im Zweifelsfall die für ihn günstigere Variante, die ihm vor jeder Einlassung in den Prozeß befreit, wählen würde. Demnach wäre der von der Klägerin behauptete Irrtum wesentlich.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich jedoch bezüglich der Auslegung der §§ 39 ff AÖSp der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes an. Das Berufungsgericht hat diesbezüglich auf die in den letzten Jahren in Österreich erschienene Literatur (Tuma in Transportrecht 1986, 209 ff und in Transportrecht 1988, 217 ff, Fiebinger in Transportrecht 1988, 225 ff, Czoklich in RdW 1987, 3 ff) in der diese Rechtsansicht vertreten wird verwiesen. Auch in der Bundesrepublik Deutschland war bei gleichem Wortlaut die aufgeworfene Frage strittig, wobei nicht unbeachtlich ist, daß die AÖSp seinerzeit eine wörtliche Übernahme der deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) waren. Dieser Streitfall wurde in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1970 durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (VersR 1970, 564) eindeutig dahin entschieden, daß dem Spediteur die sich aus den ADSp ergebenden Rechte bei Abschluß einer inhaltlich dem SVS entsprechenden Versicherung auch dann zugute kommen, wenn die Versicherung bei einem anderen als dem vom Fachverband der Spediteure genannten Versicherer abgeschlossen worden ist. Dieser Entscheidung wurde in der Bundesrepublik Deutschland durch eine Neufassung der ADSp im Jahre 1978 Rechnung getragen. Diese Neufassung enthält keinerlei Hinweis mehr auf vom Fachverband der Spediteure beauftragte Versicherer. Hiezu wurde in der Literatur auch ausgeführt, daß sich die Monopolisierung nach dem Zweiten Weltkrieg weder rechtlich noch tatsächlich aufrechterhalten ließ (Helm Speditionsrecht2 Anhang I zu § 415 Rz 1). Dieselben Erwägungen, die den Bundesgerichtshof im Jahre 1970 zu seiner Entscheidung veranlaßt haben, gelten aber auch für Österreich. Der Sinn des Systems der Verknüpfung der eingeschränkten Spediteurhaftung und der Ersetzung der gesetzlichen Haftung durch eine Versicherung besteht darin, im Schadensfall den Anspruchsberechtigten vor der Gefahr der Insolvenz eines haftpflichtigen Spediteurs zu schützen. Er besteht also ausschließlich darin, für den Geschädigten im Schadensfall eine entsprechende Entschädigung sicherzustellen, keinesfalls aber darin, einzelne Versicherer oder einen einzelnen Makler durch dessen ausschließliche Ermächtigung zum Abschluß von Speditonsversicherungen zu privilegieren. Dieser ausschließliche Schutzzweck wird jedoch nicht dadurch gefährdet, daß der Spediteur eine Speditionsversicherung beim Versicherer seiner Wahl zeichnet, die den im Schadensfall Berechtigten gleich oder sogar besser stellt als der SVS (Tuma in Transportrecht 1988, 223). Ausgehend von dem Schutzzweck der §§ 39 bis 42 AÖSp muß daher der zwischen § 39 a einerseits und § 41 c andererseits bestehende Widerspruch (in der erstgenannten Bestimmung beinhaltet das Wort "soll" keine verbindliche Verpflichtung, während die zweitgenannte Bestimmung ihrem Wortlaut nach jedem Abschluß einer Versicherung bei einem anderen als dem vom Fachverband genannten Versicherer das Haftungsprivileg versagt) dahin ausgelegt werden, daß die Privilegierung auf den Inhalt der Versicherung, nicht aber auf die Person des Versicherers abstellt. Maßgebend ist also, ob der Spediteur eine inhaltlich dem SVS mindestens gleichartige und gleichwertige Versicherung abschließt, nicht aber, ob der Abschluß bei einem vom Fachverband genannten Versicherer erfolgt. Im erstgenannten Fall kommen ihm die Privilegien der AÖSp zugute. Nur dadurch wird dem Zweck dieser Bestimmungen Rechnung getragen und eine sich aus dem erwähnten Zweck nicht abzuleitende Privilegierung einzelner Versicherer durch Einräumung einer Monopolstellung entgegengetreten.
Darüber hinaus kämen aber, falls der Spediteur seinem Auftraggeber gegenüber den Versicherer, bei dem er die Versicherung abschließt, offenlegt, die Privilegien der §§ 39 ff AÖSp schon aufgrund des zwischen dem Spediteur und seinem Auftraggeber abgeschlossenen Vertrages dem ersteren zugute. Hat sich nämlich der Versicherer gegenüber dem Spediteur verpflichtet, an dessen Stelle gegenüber dem Auftraggeber in den in den AÖSp genannten Fällen selbständig aufzutreten und wurde unter gleichzeitiger Vereinbarung der AÖSp diese Verpflichtungserklärung des Versicherers gegenüber dem Auftraggeber zum Inhalt des Vertrages zwischen dem Auftraggeber und dem Spediteur gemacht, so könnte der Auftraggeber schon aufgrund des mit dem Spediteur abgeschlossenen Vertrages diesen nicht mehr für Fälle, die nach dem Vertrag ausgeschlossen sind, in Anspruch nehmen (vgl hiezu Czoklich in RdW 1987, 5).
Es ergibt sich sohin, daß die Klägerin bei Abschluß ihres Vertrages mit der Beklagten in keinem wesentlichen Irrtum befangen war, weil ihr aufgrund dieses Vertrages sämtliche Privilegien der §§ 39 bis 42 AÖSp gegenüber ihren Auftraggebern, falls diese den Abschluß einer Speditionsversicherung nicht ausdrücklich schriftlich untersagt haben, zugute kommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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