OGH 7Ob18/19a

OGH7Ob18/19a27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen E* U*, geboren am * 2003, Mutter Q* U*, Vater F* U*, wegen Obsorge über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Minderjährigen, der Mutter und des Vaters, alle vertreten durch Dr. Norbert Stelzer, Rechtsanwalt in Fürstenfeld, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5. Dezember 2018, GZ 1 R 267/18v‑112, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124879

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Rechtsmittelwerber zeigen richtig auf, dass die Maßnahme der Übertragung der Obsorge an den KJHT nur angeordnet werden darf, wenn sie im Interesse des Kindes dringend geboten und soweit sie zur Abwendung einer drohenden Gefährdung des Kindeswohls notwendig ist, wobei grundsätzlich ein strenger Maßstab angelegt werden muss; sie muss das letzte Mittel sein (RIS‑Justiz RS0048699; RS0047841 [T10, T15]; RS0048712; RS0085168 [T5]). In Entsprechung des Grundsatzes der Familienautonomie soll den Familienmitgliedern die Obsorge solange gewahrt bleiben, als sich das mit dem Kindeswohl verträgt (RIS‑Justiz RS0048712 [T1, T10]; vgl RS0048736).

2. Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung nach § 181 ABGB erfüllt sind und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und ob daher ein bestimmter Sachverhalt die Entziehung der Obsorge rechtfertigt, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher in der Regel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf, wenn ausreichend auf das Kindeswohl Bedacht genommen wurde (RIS‑Justiz RS0115719; RS0007101 [T1, T3, T21]).

3. Die Rechtsmittelwerber stützen sich darauf, dass der Minderjährigen trotz § 104a AußStrG kein Kinderbeistand beigegeben worden sei.

Nach dieser Bestimmung ist ein Kinderbeistand zu bestellen, wenn dies im Hinblick auf die Intensität der Auseinandersetzung zwischen den übrigen Parteien zur Unterstützung der Minderjährigen geboten ist. Ein Antragsrecht der Verfahrensbeteiligten sieht das Gesetz nicht vor (RIS‑Justiz RS0130158).

Ob in einem Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren eine Auseinandersetzung von der in § 104a AußStrG geforderten Intensität stattfindet, kann aber ebenfalls nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Es obliegt dem gebundenen Ermessen des Gerichts, ob es diese Voraussetzung für erfüllt erachtet (8 Ob 19/11v = RIS‑Justiz RS0126752).

Inwiefern hier eine solche Intensität der Auseinandersetzung vorgelegen wäre, zeigen die Revisionsrekurswerber nicht auf. Der Vater hat letztlich seinen Obsorgeantrag zurückgezogen und trat an die Seite der Mutter und der Minderjährigen und wandte sich gegen die Obsorgeübertragung an den KJHT.

4. Dass die Minderjährige entgegen § 105 AußStrG nicht gehört worden wäre, widerspricht dem Akteninhalt. Sie wurde am 10. 7. 2017 vom Erstgericht einvernommen und deponierte zuletzt am 26. 6. 2018 ihre Meinung schriftlich.

Zwar ist der Wunsch des Minderjährigen bei der Obsorgezuteilung zu berücksichtigen und soll einem mündigen Kind womöglich nicht gegen seinen Willen die Erziehung durch einen Elternteil aufgezwungen werden (RIS‑Justiz RS0048818), er gibt aber nicht allein den Ausschlag (RIS‑Justiz RS0048981). Abgesehen davon dass die Wünsche der Minderjährigen mehrfach wechselten, steht fest, dass ihre Willensbildung von der Mutter sehr stark beeinflusst ist.

Die Entscheidung der Vorinstanzen, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die die Entziehung der Obsorge notwendig macht, hält sich im Rahmen der Judikatur und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.

5. Insgesamt zeigen die Revisionsrekurse daher keine aufzugreifende Fehlentscheidung der Vorinstanzen auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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