OGH 7Ob17/86

OGH7Ob17/8622.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarete K***, Private, Wien 12., Ratschkygasse 20, vertreten durch Dr.Georg Krasser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E*** A*** V***-AG, Wien 1., Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr.Otto Philp und Dr.Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 63.000,-- und Feststellung (Streitwert S 123.284,--) s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. September 1985, GZ12 R 148/85-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28. Feber 1985, GZ6 Cg 219/82-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß der Versicherungsvertrag zwischen der E*** A***

V***-AG und Margarete K*** betreffend die Privat-Patienten-Vorsorge, Polizzen-Nr.180-010068, aufrecht besteht und die E*** A*** V***-AG auf Grund dieses Vertrages verpflichtet ist, den für Margarete K*** im Zusammenhang mit deren Aufenthalt in der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien vom 20.10. bis 21.12.1981 geleisteten Betrag von S 123.245,-- aus eigenem zu tragen; die Beklagte sei weiters schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 63.000,-- samt 4 % Zinsen seit 24.Juni 1962 zu bezahlen,

wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 41.977,73 (darin S 7.834,-- an Barauslagen und S 3.103,98 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 13.745,40 (darin S 1.476,-- an Barauslagen und S 1.115,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 9.280,65 (darin S 1.920,-- an Barauslagen und S 669,15 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des schriftlichen Antrages vom 10.10.1961 kam es zum Abschluß eines Vertrages zwischen den Streitteilen betreffend "Privat-Patienten-Vorsorge", Polizzen-Nr.180-010068, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankenversicherung zugrundeliegen. § 9 Abs 1 dieser Versicherungsbedingungen lautet:

"Hat der Versicherungsnehmer oder eine versicherte Person beim Abschluß, bei einer Änderung oder bei der Wiederinkraftsetzung der Versicherung die Anzeigepflicht über erhebliche Gefahrumstände schuldhaft verletzt, so kann die Gesellschaft vom Vertrag zurücktreten. Die Anzeigepflicht ist auch verletzt, wenn Fragen über Gefahrumstände unvollständig beantwortet werden. Jeder Gefahrumstand, nach dem die Gesellschaft ausdrücklich in schriftlicher Form gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich". Die Klägerin hat in ihrem Antrag die Frage, ob sie vorher jemals an Erkrankungen des Gehirns, Rückenmarks, an Gemüts- oder Geisteskrankheiten gelitten habe, verneint. Vom 20.10. bis 21.12.1981 befand sich die Klägerin wegen eines endomorph-depressiven Zustandes sowie eines Cervikalsyndroms mit Migräneattacken und Insomnia auf der Psychiatrischen Universitätsklinik Prof.Dr.Peter B*** in Wien. Mit Schreiben vom 22.1.1982 trat die beklagte Partei gemäß § 9 Abs 1 der AVB mit 1.2.1982 vom Vertrag zurück und sprach eine qualifizierte Deckungsablehnung im Sinne des § 12 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz aus.

Mit der am 24.6.1982 eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung des aufrechten Bestandes des Versicherungsvertrages sowie der Verpflichtung der beklagten Partei auf Grund dieses Vertrages, den für die Klägerin im Zusammenhang mit deren Aufenthalt in der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien vom 20.10. bis 21.12.1981 geleisteten Betrag von S 123.245,-- aus eigenem zu tragen. Die Klägerin begehrt weiters von der Beklagten die Bezahlung von S 63.000,-- s.A., da ihr für jeden im Krankenhaus verbrachten Tag ein Taggeld von S 1.000,-- zustehe. Die Klägerin habe die vorvertragliche Anzeigepflicht nicht verletzt, weil sie weder an den angeführten Krankheiten gelitten habe, noch in psychiatrischer Behandlung gestanden sei.

Die Beklagte wendet ein, die Klägerin, die zum Zeitpunkt der Antragstellung hauptberuflich Mitarbeiterin der Beklagten gewesen sei, habe ihre Anzeigepflicht schuldhaft verletzt. Die Klägerin habe bereits lange vor Vertragsbeginn an Depressionen gelitten und sich deswegen auch zumindest zwei Mal in stationärer Krankenhauspflege befunden. Sie habe dies jedoch im Antrag verschwiegen. Die Beklagte hätte den Versicherungsantrag in Kenntnis der Vorerkrankung der Klägerin nicht angenommen, zumindest aber die Vorerkrankungen ausgenommen.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin hat am 10.10.1961 an die Beklagte einen Antrag auf Krankenversicherung gestellt. In diesem Antrag ist unter Punkt 2 a) folgende Frage gestellt: "Haben Sie oder die mitversicherten Personen vorher jemals gelitten an: Erkrankungen des Gehirns, Rückenmarks, Herzens, Kreislaufs (z.B.Arterienverkalkung), an Gemüts- oder Geisteskrankheiten...". Diese Frage wurde von der Klägerin mit "nein" beantwortet. Der Antrag wurde von der Beklagten angenommen und es kam zum Abschluß eines Vertrages zwischen den Streitteilen betreffend eine Privat-Patienten-Vorsorge, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankenversicherung zugrundeliegen.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages war die Klägerin hauptberufliche Mitarbeiterin der Beklagten und nahm ihrerseits Anträge auf Abschluß von Versicherungsverträgen auf, die sie dann an die Beklagte zur Überprüfung und Bearbeitung weiterleitete.

Die Klägerin hat im Jahre 1947 im Alter von 19 Jahren geheiratet. Ihr erster Mann verunglückte im Jahre 1949. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ein etwa 1 1/2 Jahre altes Kind und stand nach dem Tod ihres Mannes ohne wirtschaftliche Versorgung da. Sie hatte auch den Verlust der bisher bewohnten Wohnung zu gewärtigen. In dieser Situation unternahm die Klägerin einen Selbstmordversuch mit Tabletten. Sie wurde ins Wilhelminenspital gebracht und verblieb dort etwa eine Woche. Nach ihrem Aufenthalt im Wilhelminenspital lernte die Klägerin im Rahmen ihrer sportlichen Betätigung den Neurologen Prof.Dr.S***, kennen, den sie in den Folgejahren in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen konsultierte. Die Klägerin litt insbesondere im Zusammenhang mit der Menstruation an Niedergeschlagenheit, auch jahreszeitlich bedingt. Es konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes schwanger war und ein Schwangerschaftsabbruch bereits 1949 im Anschluß an den Selbstmordversuch der Klägerin oder 1952 erfolgte.

1951 heiratete die Klägerin neuerlich. Im Laufe einer chronischen Osteomyelitis, zeitlich zusammentreffend nach einer Morphiumgabe, ist bei der Klägerin eine depressive Phase aufgetreten. Im Zeitraum zwischen 1952 und 1974 stand die Klägerin wohl nicht in stationärer Behandlung eines psychiatrischen Krankenhauses, litt aber im Frühjahr an grundlos auftretenden leichten Verstimmungen. 1974 verstarb der zweite Ehemann der Klägerin im Alter von 46 Jahren und hinterließ sie mit einem im Aufbau begriffenen Terrazzounternehmen und den beiden Kindern, nämlich der Tochter aus erster Ehe und einem ca.11jährigen Kind. Die Klägerin sah sich neuerlich großen, insbesondere wirtschaftlichen Problemen gegenüber, die mit der Führung des Unternehmens zusammenhingen. Zu dieser Zeit geriet die Klägerin neuerlich in eine starke Depression und erwog auch, Selbstmord zu verüben. Sie wurde nervenärztlich behandelt. 1976 befand sich die Klägerin im Rudolfinerhaus, wo eine Curettage gemacht wurde.

Anfang März 1980 kam es in dem von der Klägerin geführten Unternehmen, das sie von ihrem zweiten Mann übernommen hatte, zu einer Steuerfahndung, bei der die Klägerin auch in eine Reihe von strafgerichtlichen Verfahren verwickelt wurde. Im Verlaufe dieser Vorkommnisse beging die Klägerin Anfang 1981 einen Selbstmordversuch und wurde am 16.Februar in das Rudolfinerhaus eingeliefert, wo sie bis 6.April 1981 verblieb. In diesem Zeitpunkt wurde sie von Dr.R*** und dem Neurologen Dr.B*** behandelt. Im Zuge des anhängigen Strafverfahrens wurden von Prim.Dr.Heinrich G*** mehrere Gutachten erstattet, aus denen sich ergibt, daß bei der Klägerin eine endogene, phasenhaft verlaufende Depression vorliegt, die zumeist exogen-reaktiv ausgelöst worden ist. Die von Prim.Dr.G*** erstatteten Gutachten beziehen sich auf die Feststellungen des Geisteszustandes der Klägerin im allgemeinen und die Verhandlungsfähigkeit im Rahmen der anhängigen Strafverfahren im besonderen. Der Sachverständige kommt zum Ergebnis, daß bei der Klägerin eine chronisch gewordene endogene Depression besteht, daß sie gegenwärtig in strafrechtlicher Sicht geisteskrank und dauernd verhandlungsunfähig ist.

Auch der Gutachter Prof.Dr.Rudolf Q*** stellt in seinem Gutachten vom 1.2.1983 fest, daß bei der Klägerin persönlichkeitsmäßig massiv im Vordergrund das Bild einer sogenannten endogenen Depression steht; früher bezeichnete man diesen Krankheitszustand als Melancholie. Zeichen eines organischen Psychosyndroms, also einer organischen Beeinträchtigung im Bereich des zentralen Nervensystems, sind nicht nachzuweisen. Nachdem sich der Geisteszustand der Klägerin im Anschluß an den Aufenthalt im Rudolfinerhaus im April 1981 gebessert hatte, wurde sie im Herbst 1981 neuerlich in psychiatrische Behandlung aufgenommen und befand sich in der Zeit vom 20.10.1981 bis 21.12.1981 in der Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien, Prof.Dr.Peter B***, wo ein endomorph-depressives Zustandsbild diagnostiziert wurde. Für den zuletzt genannten Spitalsaufenhalt hat die Beklagte aus dem gegenständlichen Versicherungsvertrag S 123.245,-- auf Grund einer Kostenübernahmeerklärung dem Krankenhaus gegenüber erbracht. Dieser Betrag wird von der Klägerin im Verfahren 14 Cg 306/82 des Landesgerichtes für ZRS Wien (dort Beklagte) zurückgefordert. In dem Verfahren ist Ruhen eingetreten. Auf Grund des abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrages im Zusammenhalt mit dem AVB ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für jeden Tag an Krankenhausaufenthalt S 1.000,-- Krankengeld zu bezahlen.

Im Anschluß an den Spitalsaufenthalt der Klägerin in der Psychiatrischen Universitätsklinik zwischen Oktober und Dezember 1981 besorgte sich die Beklagte Krankengeschichten sowie ein Gutachten des Univ.Prof.Dr.Erich S***, betreffend die Klägerin. Am 22.1.1982 teilte die Beklagte der Klägerin schriftlich mit, daß sie gemäß § 9 Abs 1 der AVB vom Vertrag zurücktrete. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon in Kenntnis war, an einer Gemüts- oder Geisteskrankheit zu leiden.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, es sei nicht zu übersehen, daß ein Selbstmordversuch ein nicht alltägliches Ereignis sei. Die Klägerin habe sich jedoch 1949 nach dem Tod ihres ersten Mannes in einer äußerst bedrängten Situation befunden, die die Kurzschlußhandlung eines Selbstmordversuches erklärlich erscheinen lasse. Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, daß die Symptome im Rahmen ihrer Depressionen bereits Krankheitswert besäßen. Ein Rücktritt des Versicherungsunternehmens vom Versicherungsvertrag gemäß § 16 VersVG sei nur dann berechtigt, wenn den Versicherungsnehmer an der unrichtigen Beantwortung der an ihn gestellten Frage ein Verschulden treffe. Ein solches Verschulden könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig ist. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Zwar sei ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich frage, im Zweifel als erheblich im Sinne des § 16 VersVG anzusehen. Es seien auch an die vom Versicherten bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflichten anzuwendende Sorgfalt grundsätzlich ganz erhebliche Anforderungen zu stellen. Ein Verschulden des Versicherungsnehmers könne jedoch nicht angenommen werden, wenn dieser das Interesse des Versicherers an der Bekanntgabe von Umständen nicht erkenne, die nach der allgemeinen Auffassung von Laien für die Entscheidung, ob eine Versicherung von der beantragten Art abgeschlossen werden soll oder nicht, ohne Bedeutung sind. Der medizinische Laie lasse folgenlos ausgeheilten Erkrankungen, wie sie im gewöhnlichen Leben immer wieder vorkommen, keine Bedeutung zukommen. Die Klägerin habe aus ihrem im Zeitpunkt der Antragstellung bereits mehr als 10 Jahre zurückliegenden Selbstmordversuch und aus der fast ebensolang zurückliegenden Schwangerschaftsunterbrechung keine Schlüsse auf eine Gemüts- oder Geisteskrankheit ziehen müssen. Es könne ihr deshalb aus der Verneinung der Frage nach Geistes- und Gemütskrankheiten kein Vorwurf gemacht werden.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Beklagte macht geltend, die Klägerin hätte ihre ständigen Besuche beim Nervenarzt Dr.S***, ihren Selbstmordversuch und den Schwangerschaftsabbruch nicht verschweigen dürfen und die wiederholten depressiven Phasen zumindest als Gemüts-, wenn schon nicht als Geisteskrankheit ansehen müssen. Die Verschweigung dieser Umstände habe die Beklagte außerstande gesetzt, das von ihr zu übernehmende Risiko zu beurteilen. Die Beklagte hätte den Antrag der Klägerin niemals angenommen, wären ihr die angeführten Umstände nicht verschwiegen worden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, ein medizinischer Laie brauche ausgeheilte Krankheiten nicht anzugeben, auch wenn er danach gefragt werde, mache die Bestimmungen des § 16 VersVG und des § 9 AVB-KV wertlos.

Der OGH pflichtet diesen Ausführungen im wesentlichen bei. Die zitierten Rechtssätze, von denen das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist, entsprechen wohl der herrschenden Rechtsprechung, wurden jedoch unrichtig angewendet. An die vom Versicherten bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht iS des § 16 VersVG anzuwendende Sorgfalt sind nämlich grundsätzlich ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (JBl1977,375; SZ 52/65 ua). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt leichte Fahrlässigkeit (SZ 54/22). Von einer schuldhaften Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht wird im allgemeinen dann nicht gesprochen werden können, wenn ausgestandene Krankheiten, die in der Regel ohne Folgen abklingen und nach denen der Antragsteller nicht gefragt wurde, dem Versicherer gegenüber nicht bekanntgegeben werden. Denn der medizinische Laie wird folgenlos ausgeheilte Erkrankungen, wie sie im gewöhnlichen Leben immer wieder vorkommen - wie etwa einem grippalen Infekt - keinerlei Bedeutung beimessen (SZ 54/22, 7 Ob 66/80).

Ein Selbstmordversuch, wie ihn die Klägerin im Jahre 1949 unternommen hat, kann allerdings keinesfalls als eine "folgenlos ausgeheilte Erkrankung, wie sie im gewöhnlichen Leben immer wieder vorkommt", angesehen werden. Er deutet vielmehr ohne jeden Zweifel auf eine ungewöhnliche und ganz besonders tiefgreifende psychische Beeinträchtigung hin, wie sie ja nach den Feststellungen auch bei der Klägerin im Jahr 1949 gegeben war, wobei für den Betroffenen sicherlich nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob diese Beeinträchtigung endogene oder exogene Ursachen hat. Der Klägerin kann zwar nicht vorgeworfen werden, daß sie in diesem Selbstmordversuch nicht ein Symptom einer endogenen Depression erkannt hat und sich also nicht bewußt war, an einer Geisteskrankheit - im weitesten Sinn des Wortes - zu leiden. Sie hätte aber doch darin - hätte sie auf die Beantwortung der im Versicherungsantrag gestellten Fragen nur geringe Sorgfalt angewendet (VersR 75,632; Bruck-Möller, VersVG 8 Rdz 32 zu § 16) einen im Sinne des § 9 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankenversicherung erheblichen Gefahrumstand sehen können, zu dessen Anzeige sie bei der Frage nach Gemütskrankheiten ausdrücklich aufgefordert wurde und den sie deshalb dem Versicherer nicht hätte verschweigen dürfen. Es kann nicht bezweifelt werden, daß der Selbstmordversuch auch für die Klägerin etwas Außergewöhnliches war und daß der Klägerin auch zumindest zeitweilige psychische Veränderungen - mag sie einen Zusammenhang zwischen diesen Veränderungen und dem Selbstmordversuch hergestellt haben oder nicht - durchaus bewußt waren. Sie hätte es sonst nicht als notwendig empfunden, im Anschluß an ihren durch den Selbstmordversuch bedingten stationären Krankenhausaufenthalt durch Jahre hindurch immer wieder Dr.S***, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, aufzusuchen und zu konsultieren.

Die Klägerin hat daher ihre Anzeigepflicht im Sinne des § 16 VersVG, § 9 AVB-KV fahrlässig verletzt. Der ihr obliegende Beweis eines mangelnden Verschuldens (§ 17 Abs 2 VersVG, Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz 23 156) ist der Klägerin daher nicht gelungen. Eine Behauptung in der Richtung, daß der verschwiegene Umstand den Entschluß des Versicherers zum Abschluß eines Versicherungsvertrages nicht zu beeinflussen geeignet gewesen sei, hat die Klägerin nicht aufgestellt, geschweige denn hat sie einen entsprechenden Beweis angeboten (Bruck-Möller aaO, Rdz 28 zu § 16).

Die Revision erweist sich damit als berechtigt, so daß ihr Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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