OGH 7Ob172/02y

OGH7Ob172/02y30.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Brigitte L*****, vertreten durch Dr. Helmut Berger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Ronald L*****, vertreten durch Freimüller/Noll/ Obereder/Pilz/Senoner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 8. Mai 2002, GZ 37 R 61/02z-57, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 10. Dezember 2001, GZ 1 C 113/99p-52,abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit darin Nichtigkeit geltend gemacht wird, verworfen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

In dem zwischen den Streitteilen vor dem Bezirksgericht Tulln zu 1 C 23/94w anhängig gewesenen Ehescheidungsverfahren erwirkte die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagter) eine einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, mit der ihr rechtskräftig ein einstweiliger Unterhalt in der Höhe von zuletzt monatlich S 7.500 zuerkannt wurde.

Mit ihrer am 15. 9. 1999, während des Ehescheidungsverfahrens, eingebrachten Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten, der ausgehend von einem Einkommen in der Höhe von S 30.200 bereits zur Zahlung des mit einstweiliger Verfügung bestimmten einstweiligen Unterhalts von S 7.500 verpflichtet sei, infolge zwischenzeitiger Änderung der Einkommensverhältnisse (Gesamtnettoeinkommen im Jahr 1999 von rund S 4 Mio) zur Bezahlung eines Unterhaltsbetrages von monatlich S 50.000 schuldig zu erkennen, und zwar die ab 1. 7. 1998 bis zur Rechtskraft des Urteils fällig gewordenen Beträge abzüglich geleisteter Zahlungen binnen 14 Tagen und die in Hinkunft fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung sowie die Abweisung des Provisorialantrags.

Am 9. 11. 2001, als sich das Scheidungsverfahren im Berufungsstadium befand, beantragte die Klägerin im Unterhaltsverfahren die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 28.000 zu bezahlen. Sie brachte vor, dass sie, die neben zwei Söhnen unterhaltsberechtigt sei, Anspruch auf zumindest 25 % des zuletzt festgestellten Einkommens habe, das seien S 28.000,--. Der Beklagte wandte in seiner Äußerung im Wesentlichen ein, dass weder eine Unterhaltsverletzung noch die Gefährdung der Klägerin ausreichend bescheinigt sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht ohne Prüfung der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung und ohne Aufnahme von Bescheinigungsmitteln den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zurück. Das Scheidungsverfahren zwischen den Parteien sei noch anhängig. In diesem sei am 27. 12. 1995 eine einstweilige Unterhaltsverfügung bis zur Rechtskraft des Ehescheidungsverfahrens erlassen worden. Der Antrag sei wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen, da es hinsichtlich des der Klägerin während aufrechter Ehe zustehenden Unterhalts bereits eine einstweilige Unterhaltsverfügung im Ehescheidungsverfahren gebe. Abänderungen der im Ehescheidungsverfahren erlassenen einstweiligen Verfügung wegen Unterhalts seien im Ehescheidungsverfahren zu beantragen.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin Folge, änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, dass es ihn ersatzlos behob und dem Erstgericht die Fortsetzung des Provisorialverfahrens auftrug. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Rekursgericht zu dem Ergebnis, dass eine ergänzende einstweilige Verfügung im Rahmen des Scheidungsverfahrens einen Exekutionstitel für Unterhaltsansprüche nur bis zur rechtskräftigen Scheidung abgäben. Eine einstweilige Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO im Ehestreit stehe einer klagsweisen Geltendmachung des Unterhaltsanspruches nicht entgegen, weil die Voraussetzungen bei der Entscheidung ebenso wie ihre Wirkungsdauer verschieden seien. Hinsichtlich des zumindest monatlich S 7.500 übersteigenden Begehrens liege Identität des Streitgegenstandes jedenfalls nicht vor. Ein im Unterhaltsverfahren festgesetzter vorläufiger Unterhalt sei aber bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens, d.h. allenfalls auch nach rechtskräftiger Scheidung, exekutierbar. Das Erstgericht werde prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegeben seien und in welcher Höhe allenfalls ein einstweiliger Unterhalt festzusetzen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die Erhöhung des einstweiligen Unterhalts ausschließlich durch ergänzende einstweilige Verfügung im Scheidungsverfahren oder auch durch einstweilige Verfügung in einem parallelen Unterhaltsverfahren durchgesetzt werden könne, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Nichtigkeit aufzuheben, in eventu wolle der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, soweit er Nichtigkeit geltend macht, zu verwerfen, im Übrigen ist er zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Der Beklagte rügt als Nichtigkeit, dass ihm der Rekurs der Klägerin nicht zugestellt worden sei und dadurch sein rechtliches Gehör im Rekursverfahren verletzt worden sei.

Zutreffend verweist der Revisionsrekurswerber darauf, dass das Rechtsmittelverfahren zweiseitig ist, da die Entscheidung des Erstgerichtes erst nach aufgetragener Äußerung des Gegners gefällt wurde (§ 402 Abs 1 und 2 EO, vgl Kodek in Angst, EO-Komm, § 402 Rz 17, Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 402 EO, Rz 1). Er übersieht aber, dass ihm der Rekurs der Klägerin laut Rückschein am 24. 1. 2002 zur allfälligen Erstattung einer Rekursbeantwortung zugestellt wurde (ON 54). Sein rechtliches Gehör wurde daher gewahrt.

Da maßgebend immer die Sachlage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz ist (Kodek in Angst, § 378 EO, Rz 16, Zechner aaO, § 378 EO, Rz 1, S 108, je mwN), war auf die mittlerweile in Rechtskraft erwachsene Scheidung der Ehe der Streitteile nicht weiter einzugehen. (Allerdings wird im fortgesetzten Verfahren der durch den Ausspruch des beiderseitigen gleichteiligen Verschuldens eingetretenen Veränderung der Anspruchsgrundlage Rechnung getragen werden müssen.)

Die Klägerin stützt sich in ihrem Vorbringen eindeutig auf den im Scheidungsvergleich bestimmten einstweiligen Unterhalt von monatlich S 7.500. Sie führt aus, dass das Einkommen des Beklagten im Jahr 1998 auf S 113.251 gestiegen sei und dass ihr ein Unterhaltsanspruch von 25 % zustehe. Dies ergibt rechnerisch monatlich S 28.312, wobei die Klägerin abgerundet lediglich S 28.000 geltend macht. Ihr Vorbringen kann nur so aufgefasst werden, dass sie lediglich die Erhöhung des bisher festgesetzten Unterhaltsbetrages begehrt, sohin eine Bestimmung mittels weiterer einstweiliger Verfügung in der Höhe von S 28.000 minus S 7.500 = S 20.500. Dass nämlich die Klägerin einen weiteren Titel für die bereits bestimmten von monatlich S 7.500 an einstweiligem Unterhalt schaffen wollte, ist nicht erkennbar. Diesem - aber ohnedies nicht geltend gemachten - Teilbetrag würde die materielle Rechtskraft der einstweiligen Verfügung im Scheidungsverfahren entgegenstehen, da dieser der gleiche Anspruch, nämlich die Sicherung des Unterhaltsanspruchs nach § 94 ABGB während aufrechter Ehe zu Grunde läge. Im vorliegenden Fall beantragt aber die Klägerin erkennbar den Zuspruch von monatlich S 20.500 bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils wegen geänderter Verhältnisse und die Bezahlung von monatlich S 28.000 ab Rechtskraft des Scheidungsurteils. Diesem Begehren steht die materielle Rechtskraft der im Ehescheidungsverfahren erlassenen einstweiligen Verfügung nicht entgegen, wird damit doch auf Grund eines geänderten Sachverhaltes eine höhere Unterhaltsleistung nach § 94 ABGB und in Zukunft, sohin auch nach Rechtskraft der Scheidung begehrt. Der bereits einstweilig bestimmte Unterhalt ist ja zeitlich begrenzt. Die einstweilige Verfügung verliert für laufende Beträge nach Zeitablauf (Rechtskraft der Scheidung der Ehe) ihre Eignung als Exekutionstitel (Zechner aaO, § 382 EO Rz 9, Kodek aaO, § 382 EO, Rz 47). Das Rekursgericht hat bereits zutreffend darauf verwiesen, dass die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO im Ehestreit der klagsweisen Geltendmachung des Unterhaltsanspruches nicht entgegensteht, weil die Voraussetzungen der beiden Entscheidungen ebenso wie ihre Wirkungsdauer verschieden sind (Kodek in Angst aaO § 382, Rz 48, JBl 1950, 318). Auch der klagsweise geltend gemachte Anspruch kann daher mittels einer einstweiligen Verfügung gesichert werden, soweit dies nicht schon nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO im Scheidungsverfahren geschehen ist. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren der geltend gemachte Anspruch materiell zu prüfen sein.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte