European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0070OB00169.12X.1114.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden und widerbeklagten Parteien sind schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei deren mit 2.305,25 EUR (darin enthalten 367,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagenden und widerbeklagten Parteien (im Folgenden: Kläger) betreiben als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Mitbesitzer eine Landwirtschaft, in deren Rahmen sie verschiedene Getreidearten anbauen. Zur Absicherung der Kulturen gegen Hagel und elementare Risiken wie Dürre schlossen sie mit der Beklagten und Widerklägerin (im Folgenden: Beklagte) einen Versicherungsvertrag ab, dem die „Allgemeinen Bedingungen für die Hagelversicherung (gültig ab 1. Jänner 2009)“ und die „Ergänzenden Bedingungen für die Versicherung von Hagel‑ und anderen Elementarschäden 'Agrar Universal' (gültig ab 1. Jänner 2009)“ (kurz: EB Agrar Universal) zugrunde liegen.
Die Kläger begehren die Deckung von Dürreschäden. Eine ausgeprägte Dürre im zweiten Quartal 2009 habe zu massiven Schäden und Ernteausfällen bei Roggen und Weizen geführt. Laut Entschädigungstabelle der Beklagten gebühre ein Entschädigungsbetrag von 6.884 EUR für die Kultur „Roggen“ und von 22.750 EUR für die Kultur „Weizen“. Im Sinn der Unklarheitenregel des § 915 ABGB sei nicht auf den durchschnittlichen Niederschlag innerhalb der Vegetationsperiode abzustellen, sondern darauf, ob der tatsächliche Regenbedarf innerhalb der Vegetationszeit gedeckt gewesen sei oder nicht. Art 1.2 EB Agrar Universal, wonach der durchschnittliche Zeitpunkt der Gelb‑ bzw Kornreife der jeweiligen Kultur vom Versicherer regional festgelegt werde, sei im Sinn des § 864a ABGB unwirksam, außerdem sittenwidrig nach § 879 Abs 1 ABGB und gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.
Mit Widerklage begehrt die Beklagte die Zahlung der ausständigen Versicherungsprämie für das Jahr 2009 von 22.503 EUR sA.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und gab der Widerklage statt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Klauseln der EB Agrar Universal, die einer Vielzahl von Versicherungsverträgen zugrunde lägen, fehle.
Die Revision der Kläger ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 32 mwN, E. Kodek in Rechberger³ § 502 Rz 18, RIS‑Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (5 Ob 92/10f ua, RIS‑Justiz RS0112921 [T5]).
Das ist hier der Fall.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26. 9. 2012, 7 Ob 194/11x, die auch in der vorliegenden Rechtssache entscheidungswesentlichen Rechtsfragen zusammengefasst wie folgt beantwortet:
1. Art 1.2 EB Agrar Universal hält der Geltungskontrolle des § 864a ABGB stand. Die Klausel ist nicht als ungewöhnlich oder überraschend im Sinn des § 864a ABGB anzusehen.
2. Die von den tatsächlichen Verhältnissen des Versicherungsnehmers losgelöste, an regionale und damit durchschnittliche Verhältnisse anknüpfende Ermittlung des Niederschlagsmangels und des Gelbreifezeitpunkts und die auf die gesamte Vegetationszeit bezogene Gegenüberstellung eines auf Grund von Erfahrungswerten ermittelten standardisierten Regenbedarfs mit den tatsächlichen Niederschlagsmengen in dieser Periode ist sachlich gerechtfertigt. Um das versicherte Risiko „Dürre“ beschreibbar und kalkulierbar zu machen, ist es sachgerecht, auf einen regional einheitlichen, auf Durchschnittswerten basierenden Beobachtungszeitraum abzustellen.
3. Dass in Art 1.2 EB Agrar Universal die Gelbreife und das Ende der Vegetationszeit einseitig vom Versicherer festgelegt wird, verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 879 Abs 1 ABGB).
Dem entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichts.
Die von den Klägern entsprechend dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts aufgeworfenen Fragen sind daher nicht mehr als erheblich einzustufen, weshalb deren Revision zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sie Anspruch auf Ersatz der Kosten hat. Dabei war ein Rechenfehler zu korrigieren.
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