OGH 7Ob159/97a

OGH7Ob159/97a19.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Huber und Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer und Dr.Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Land Oberösterreich, Linz, Klosterstraße 7, vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger ua Rechtsanwälte in Linz, wegen S 310.638,60 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 21.November 1996, GZ 6 R 195/96f-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3.Mai 1996, GZ 6 Cg 273/95i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.490,-- (darin S 2.415,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für die Klägerin sind zwei Geschäftsführer zusammen oder ein Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen zeichnungsberechtigt. Auf die Einladung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Hochbau, vom 5.4.1995 für das Bauvorhaben Berufsschule F*****, L*****straße *****, Kesselhaussanierung und Umstellung der Heizzentrale hin legte die klagende Partei ein derartiges Angebot am 8.5.1995. Dieses Anbot wies neben der Firmenstampiglie der Klägerin nur die Unterschrift "A*****", sohin nur die eines der Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft, auf und widersprach sowohl der Angebotsbestimmung als auch den der Angebotsaufforderung zugrundeliegenden oberösterreichischen Vergaberichtlinien bzw auch den einen Vertragsinhalt darstellenden ÖNORM A 2050. Die Klägerin war Billigst- und Bestbieterin.

Am 15.5.1995 fand im Büro des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten, Franz M*****, eine Besprechung mit Ing.Ernst A*****, Geschäftsführer der Klägerin, statt, bei welcher noch bestehende Unklarheiten besprochen wurden und vereinbart wurde, daß die Klägerin fehlende Nachweise und Belege, unter anderem einen Firmenbuchauszug, nachzureichen habe. Bei dessen Überprüfung fiel dem Beamten der Beklagten das Fehlen der Unterschrift eines zweiten Zeichnungsberechtigten der Klägerin auf dem Anbot auf. Mit Schreiben vom 9.6.1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß die Lieferungen und Leistungen an die Firma W***** GesmbH & Co KG, F*****, vergeben wurden. Bei einem in der Folge geführten Gespräch teilte Franz M***** dem Geschäftsführer der Klägerin mit, daß das Angebot der Klägerin deshalb ausgeschieden worden sei, weil es nicht firmenmäßig gezeichnet gewesen sei. Das gegenständliche Angebot der Klägerin wurde mit Zustimmung aller Geschäftsführer gelegt. Die Klägerin war in der Vergangenheit von der Beklagten bereits verschiedentlich zur Angebotsabgabe eingeladen worden. Die von der Klägerin gelegten Anbote waren wiederholt nur von einem Geschäftsführer unterzeichnet, was der Auftragserteilung in mehreren Fällen nicht entgegenstand.

Die Klägerin begehrt vom beklagten Land die Bezahlung von S 310.638,60. Sie sei Bestbieterin gewesen, durch die anderwärtige Vergabe habe das beklagte Land gegen das Gleichbehandlungsgebot im Vergabeverfahren verstoßen, sie sei verpflichtet, der Klägerin das Erfüllungsinteresse, nämlich das Entgelt abzüglich dessen, was sich die Klägerin infolge Unterbleibens des Auftrages erspart habe, zu ersetzen. Von der Angebotssumme von S 1,043.865,50 seien die Materialkosten von S 785.000,-- abzuziehen. Ein Abzug für ersparte Arbeitskosten sei nicht vorzunehmen, da in der Angebotssumme nur ein geringfügiger Arbeitsanteil enthalten sei. Die Erstellung des Angebotes sei im Einvernehmen beider Geschäftsführer erfolgt, was der Beklagten auch bekannt gewesen sei, zumal in der Vergangenheit die Beklagte diese Vorgangsweise der Klägerin auch akzeptiert habe. Die Klägerin habe sich daher darauf verlassen dürfen, daß die Beklagte auch die gegenständliche Angebotslegung akzeptieren würde. Anderenfalls wäre die Beklagte der Klägerin gegenüber zu einer entsprechenden Mitteilung verpflichtet gewesen. Die Klägerin hätte dann die Unterschrift des zweiten Geschäftsführers unverzüglich nachtragen können.

Die Beklagte beantragte kostenpflichtige Klageabweisung und wendete ein, das Angebot der Klägerin sei nicht firmenmäßig gefertigt gewesen, sodaß sie es gemäß Punkt 3. der Angebotsbestimmungen nicht habe berücksichtigen dürfen. Selbst für den Fall eines Verstoßes gegen Vergabebestimmungen durch die Beklagte stehe der Klägerin nicht der entgangene Gewinn, sondern nur der Aufwand im Zusammenhang mit den Kosten der Angebotsstellung und der Teilnahme am Vergabeverfahren zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Unterfertigung des Anbotes nur durch einen der Geschäftsführer habe nicht den Angebotsbestimmungen entsprochen, sodaß in der Ausscheidung des Angebotes der Klägerin keine Sorgfaltsverletzung der Beklagten zu erblicken sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Ein rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist eingereichtes Angebot sei nur dann rechtsgültig, wenn das Formular "Angebotsschreiben" auf S 4 im letzten Feld bereits bei der Eröffnung der Angebote vom Bieter firmenmäßig gefertigt worden sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß firmenintern das Angebot mit Zustimmung der übrigen Geschäftsführer gelegt worden sei und in der Vergangenheit in gleicher Weise gefertigte Angebote der Klägerin mehrfach zu einem Zuschlag geführt hätten. Es habe auch kein verbesserungsfähiger Mangel vorgelegen. Zentraler Grundsatz von Vergabevorschriften, die einen möglichst störungsfreien Parallelwettbewerb der Anbieter ermöglichen sollen, sei die Gleichbehandlung der Bieter. Wettbewerbsessentielle Voraussetzung der Gleichbehandlung der Bieter sei das Verbot der Bietergespräche während des Vergabeverfahrens (Punkt 4.4. ÖNORM A 2050). Bietergespräche nach Angebotseröffnung könnten den Zweck der ganzen Wettbewerbsveranstaltung konterkarieren. Nachträgliche Bietergespräche zerstörten vor allem die machtneutralisierende Funktion des organisierten Vergaberechtes. Trotz grundsätzlichem Verhandlungsverbot seien Auskünfte und Aufklärungen des Auftraggebers über angebots- und bieterbezogene Umstände unentbehrlich und daher zulässig (vgl Punkt 4.4 Satz 3 iVm Punkt 4.33 ÖNORM A 2050). Ob jedoch einem Bieter die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung überhaupt gewährt werden solle, werde dann fraglich, wenn man bedenke, daß der geschickte Einbau von Mängeln ("Irrtümern") ein ideales Manipulationsinstrument für den Bieter darstellen könne. Als Ausnahme vom Verbot der Bietergespräche müsse aber der Kreis zulässiger Verbesserungen und damit der Begriff des behebbaren Angebotsmangels jedenfalls durch die Teleologie des Verhandlungsverbotes begrenzt werden. Zum einen sollten Aufklärungsverhandlungen über mangelhafte Angebote nur soweit zulässig sein, als sie die Wettbewerbslage nicht beeinflussen; zum anderen dürfe nicht bei jedem Mangel, der Gegenstand von Aufklärungsverhandlungen war, die Möglichkeit der Verbesserung eingeräumt werden. Vielmehr müsse die Vergabestelle berücksichtigen, daß ein Angebot trotz erfolgter Aufklärung ausgeschieden werden müsse, wenn die Mangelbehebung die Wettbewerbslage nachteilig verändere. Die Zulassung eines Verbesserungsverfahrens zur Behebung des Mangels der nicht ordnungsgemäßen Unterfertigung des Angebotes würde eine schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung darstellen, weil dadurch einem Anbotsteller noch nach Anbotseröffnung die faktische Möglichkeit eingeräumt werde, sanktionslos ein ihn reuendes Angebot wieder ungeschehen machen zu lassen, indem er durch nutzloses Verstreichen der Verbesserungsfrist das Ausscheiden des Angebotes erreichen könnte. Hätte die Beklagte der Klägerin eine angemessene Frist zur Verbesserung eingeräumt, hätte sie als Ausschreibende gegen die sie treffende Sorgfaltspflicht in contrahendo bzw gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat Lehre und Rechtsprechung zur Kollektivvertretung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und zu den Folgen von deren Nichteinhaltung zutreffend wiedergegeben. Zu ergänzen wäre dazu lediglich Reich-Rohrwig, GesmbH-Recht2 I Rz 2/210 mwN). Zutreffend sind auch in der Berufungsentscheidung die Grundsätze des Gleichbehandlungsgebotes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung wiedergegeben, sodaß eine Verweisung darauf genügt (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entgegen den Revisionsausführungen stehen nicht die Frage der ursprünglich schon vorhandenen bzw der nachträglichen Angebotsgenehmigung durch den anderen nicht mitzeichnenden kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer, sondern die Folgen aus der Nichterfüllung der Angebotsbedingungen im Vordergrund, die mit ihrer Forderung nach einer firmenmäßigen Unterfertigung keinen Platz für eine Überprüfung zulassen, ob auch der bzw die anderen

kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer dem vom einzelnen

kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer gesetzten Akt zugestimmt haben oder nachträglich ihre Zustimmung dazu gaben. Vielmehr gibt die Auslegung der Forderung nach firmenmäßiger Fertigung den Ausschlag, daß damit derartige Überprüfungen von vornherein ausgeschlossen werden sollten und daß von vornherein Klarheit über die volle Rechtswirksamkeit des Angebotes bestehen muß. Dies entspricht auch der Funktion des Angebotes bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge im Rahmen der Privatwirtschaft. Danach muß das Angebot so abgefaßt sein, daß die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Bestimmungen in derselben Fassung mit der Auspreisung durch den Bieter ohne weitere Umgestaltung für den abschließenden Vertrag verwendet werden können. Der Leistungsvertrag soll nach erfolgter Ausschreibung mit der Verständigung des Bieters vom Zuschlag ohne weiteres Hinzutun zustandekommen (vgl Aicher in Korinek-Rill, Zur Reform des Vergaberechtes, 341 f). Nach Aicher (aaO, 363 f und 411 f) sind nur solche Mängel eines Angebotes des Bieters verbesserungsfähig, die nicht nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen können. Gravierende formale und inhaltliche Mängel in den Angeboten sowie unverbindliche Angebote sind nach Meinung dieses Autors sofort auszuscheiden (der gleiche, aaO, 412 sowie Oberndorfer-Straube, Kommentar zur ÖNORM A 2050, S.66 und 77). Um ein unverbindliches Angebot handelt es sich aber hier, weil ihm mangels firmenmäßiger Fertigung die Verbindlichkeit fehlte. Dem stehen die Ausführungen in der Entscheidung WBl 1991, 338 nicht entgegen. Dort wurde der ursprünglich geforderte Nachweis für das zu erlegende Vadium erst nach Ablauf der Angebotsfrist vom Bieter ohne Verbesserungsaufforderung nachgebracht und wurde dies aufgrund der bereits oben genannten Kriterien als noch verbesserungsfähiger und wirksam behobener Mangel beurteilt. Nach dem Gesagten handelte es sich dabei aber im Gegensatz zum vorliegenden Fall um keinen gravierenden Formalmangel. Auch dem Runderlaß des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 30.11.1984 (Beilage ./3) kommt in diesem Zusammenhang Bedeutung zu. Selbstbindende Normen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung stellen einen Katalog von Verhaltenspflichten für die öffentliche Hand auf, von denen im Falle öffentlicher Bekanntgabe oder allgemeiner Zugänglichkeit jedermann weiß, daß die Verwaltungsorgane diese Verpflichtungen einzuhalten haben. Der Bewerber bzw Bieter darf darauf vertrauen, daß sich das Vergabeorgan an diesen Verhaltenskatalog hält und keine Ausnahmen davon macht (vgl Aicher aaO, 346 f). Eine schuldhafte Verletzung dieser Selbstbindungsnormen kann einem dadurch übergangenen Bieter einen Schadenersatzanspruch auf das Vertrauensinteresse verschaffen. Im vorliegenden Fall durften die Mitbieter der Klägerin darauf vertrauen, daß deren nicht den Vorgaben entsprechendes Angebot dem Erlaß entsprechend sofort ausgeschieden wird.

Aus all diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 bis 50 ZPO.

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