OGH 7Ob149/97f

OGH7Ob149/97f10.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** I***** Gesellschaft mbH, Mödling, Neudorferstraße 1, vertreten durch Fürst & Domberger, Rechtsanwälte in Mödling, Kommanditpartnerschaft, wider die beklagte Partei Dr.Franz Josef H*****, vertreten durch Dr.Gertraud Irlinger und Dr.Harald Kirchlechner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 93.720 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19.Februar 1997, GZ 35 R 946/96v-46, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 11.Oktober 1996, GZ 8 C 3130/93a-39, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem vorerst aufgetragen, über den in die Berufung aufgenommenen Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes, mit dem es die Klagsänderung nicht zugelassen hat, abzusprechen und dann neuerlich über die Berufung zu entscheiden. Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 93.720,-- mittels Mahnklage unter dem Anspruchscode 02 (= Werklohn/Honorar) aus dem Titel "vereinbarte Abschlagszahlung aus einer Vermittlungstätigkeit". In der Tagsatzung vom 24.2.1994 (AS 27) brachte die Klägerin ergänzend vor, daß der Beklagte am 23.1.1993 ein Anbot über den Kauf der Liegenschaft in M***** J.L*****gasse 16, zu einem Kaufpreis von 6,3 Mill.S unterfertigt habe. Dieses Anbot sei von der Verkäuferin Mag.Dr.Barbara B***** am 4.2.1993 angenommen worden. Der Beklagte habe sich in der Folge geweigert, den Kaufvertrag zuzuhalten, weshalb der Klägerin als Vermittlerin des Geschäftes eine Provision in der Höhe von 3 % des Kaufpreises, somit S 189.000,-- zugestanden wäre. Am 31.8.1993 hätten sich die Streitteile fernmündlich auf eine Abschlagszahlung von S 93.720,-- incl. USt. geeinigt. Unmittelbar vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung dehnte die Klägerin ihr Klagebegehren auf S 226.800,-- aus und brachte dazu vor, daß, wenn keine Vereinbarung über die Abschlagszahlung zustandegekommen sein sollte, ihr jedenfalls ein Provisionsanspruch zustünde, weil die Verkäuferin das Anbot des Beklagten innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist angenommen habe.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, die Kaufvereinbarung nur unter der Bedingung abgeschlossen zu haben, daß er zuvor ihm gehörige Liegenschaften veräußern könne. Weiters habe ihm der Geschäftsführer der klagenden Partei zugesagt, eine Provision nur im Falle der Unterfertigung einer verbücherungsfähigen Kaufvertragsurkunde zu verlangen. Der Beklagte sprach sich gegen die Zulassung der Klagsänderung aus. Die begehrte Provision wäre überhaupt nicht fällig, die Klägerin habe auf die Einforderung einer Provision verzichtet.

Außer Streit steht, daß die Verkäuferin die streitgegenständliche Liegenschaft am 9.7.1993 an einen anderen Interessenten verkauft hat.

Das Erstgericht ließ die beantragte Klagsänderung nicht zu und wies das Klagebegehren ab. Es führte zur Nichtzulassung der Klagsänderung aus, daß durch sie die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze überschritten und der Klagsgrund geändert werde. Es stellte folgenden teilweise bestrittenen Sachverhalt fest:

Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Nach Besichtigung des Objekts unterfertigte der Beklagte am 23.1.1993 ein Kaufanbot, in dem er sich bindend und unwiderruflich verpflichtete, bei Annahme seines Kaufanbotes für das Grundstück samt Haus einen Kaufpreis von S 6,3 Mill. zuzüglich Vertragserrichtungskosten, Grunderwerbsteuer, Kosten grundbücherlicher Durchführung etc. zu bezahlen. Bei angenommenem Anbot sollte die Stornogebühr 5 % des Kaufpreises betragen. Die Höhe der Provision wurde mit 3 % des Gesamtpreises plus Umsatzsteuer festgelegt. Das Angebot wurde vom Beklagten bis längstens 15.2.1993 befristet; der Beklagte verpflichtete sich, eine verbücherungsfähige Kaufurkunde sofort nach Vorlage zu unterfertigen, soferne sie dem Anbot entspreche. Die Verkäuferin Mag.Dr.Barbara B***** hat dieses Anbot am 4.2.1993 angenommen, indem sie ihre Unterschrift unter den Vordruck "das Anbot wurde angenommen, die Unterzeichnende ist berechtigt, über das genannnte Objekt zu verfügen" setzte.

Dem Beklagten gelang es in der Folge nicht, die ihm bzw. seiner Gattin gehörigen Liegenschaften in Wien bzw Graz zu verkaufen und damit den gegenständlichen Ankauf zu finanzieren. Mag.Dr.B***** nahm daher vom Verkauf der Liegenschaft an den Beklagten Abstand und veräußerte das Objekt an einen anderen Interessenten. Danach übersandte die Rechtsvertreterin der Klägerin dem Beklagten ein Schreiben, mit welchem er zur Bezahlung der Käuferprovision von S 226.800,-- sowie der Kosten ihres Einschreitens aufgefordert wurde. Am 31.8.1993 rief ein Mitarbeiter der klagenden Partei den Beklagten in dessen Büro an und begehrte von ihm die Zahlung der genannten Provision. Der Beklagte erklärte, daß er bereit sei, der Klägerin die effektiven Spesen zu ersetzen; der Mitarbeiter antwortete darauf, daß er diese im Moment nicht beziffern könne. Im Zuge des Gespräches kam es zu keiner Einigung über den ursprünglich eingeklagten Klagsbetrag. Noch am selben Tag übersandte die Klägerin dem Beklagten ein Schreiben, in dem sie eine Abschlagszahlung in der Höhe des Klagebetrages forderte. Der Beklagte beantwortete dieses Schreiben damit, nicht zahlungsbereit zu sein, weil er von einem bekannten Juristen erfahren habe, daß der Provisionsanspruch der Klägerin mangels erfolgreicher Vermittlung nicht fällig geworden sei.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Klägerin die von ihr behauptete Vereinbarung über das Zustandekommen einer Abschlagszahlung nicht beweisen habe können. Mangels Geltendmachung eines anderen Sachverhaltes sei daher das Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Erhebung einer ordentlichen Revision für unzulässig. Die allein gegen das Urteil erhobene Berufung lasse keine Bekämpfung des erstgerichtlichen Beschlusses, mit dem die Klagsänderung nicht zugelassen worden sei, erkennen, obwohl das Erstgericht die Klagsänderung bzw. -ausdehnung bis zu einem Betrag von S 100.000,-- zulassen hätte müssen. Dieser Beschluß sei somit in Rechtskraft erwachsen. Die rechtskräftige Nichtzulassung der Klagsänderung habe zur Folge, daß das gesamte Vorbringen der Klägerin in der letzten mündlichen Streitverhandlung vom 9.11.1995 als unzulässig und somit irrelevant zu beurteilen sei. Damit erübrige sich ein Eingehen auf die Beweisrüge. Den ursprünglich geltend gemachten Rechtsgrund habe die klagende Partei in eindeutiger Weise konkretisiert, sodaß es dem Erstgericht in Ansehung des § 405 ZPO verwehrt gewesen sei, den festgestellten Sachverhalt unter einen anderen Rechtsgrund zu subsumieren. Das ergänzende Vorbringen der klagenden Partei in der Tagsatzung vom 24.2.1994 lasse den Schluß zu, daß der klagenden Partei zwar ein Provisionsanspruch zugestanden wäre, daß sie diesen aber mit der gegenständlichen Klage nicht verfolge und andere anspruchsbegründende Tatsachen und einen anderen Rechtsgrund behaupte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist der Berufungsschrift sehr wohl auch eine Bekämpfung des erstgerichtlichen Beschlusses, mit dem dieses die Klagsänderung und Klagsausdehnung nicht zugelassen hat, zu entnehmen. Wenn auch nach herrschender Lehre und Rechtsprechung Rekurse ebenso wie Berufungen und Revisionen einen Rechtsmittelantrag enthalten müßten, schadet deren Fehlen nicht, wenn aus der Art der bekämpften Entscheidung und aus dem Gesamtzusammenhang heraus erkennbar ist, warum sich der Rechtsmittelwerber beschwert und was er anstrebt (vgl Fasching LB2 Rz 1996, Kodek in Rechberger ZPO § 526 Rz 2). In ihrer Berufung gesteht die Klägerin nur zu, daß auch nach ihrer Ansicht eine Klagsausdehnung über die bezirksgerichtliche Wertgrenze von S 100.000 unzulässig sei, daß aber die Änderung des Klagsgrundes sehr wohl zuzulassen gewesen wäre, weil damit keine (erhebliche) Erschwernis oder Verzögerung des Verfahrens verbunden gewesen wäre. Daraus ist aber unzweifelhaft zu erkennen, daß die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel auch den Beschluß bekämpft, mit dem das Erstgericht die Klagsänderung nicht zugelassen hat, eine Zulassung der Klagsänderung in diesem Sinn anstrebt und nur von der Klagsausdehnung Abstand nimmt. Dieses dem Berufungsgericht unterlaufene Übergehen des in die Berufung aufgenommenen Rekurses wird auch in der Revision gerügt. Es war daher in Stattgebung der Revision dem Berufungsgericht eine Entscheidung über den Rekurs und danach eine neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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